Palästinensische Schulbücher

Wo Israel nicht existiert

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Ein Klassenzimmer mit Schülerinnen in Ramallah im palästinensischen Jordanland © picture alliance/dpa/Mika Schmidt
Von Dieter Wulf · 30.06.2017
Das Mideast Freedom Forum hat eine Studie* darüber vorgelegt, wie Israel und Juden in palästinensischen Schulbüchern dargestellt werden. Bei der Vorstellung im Bundestag lösten die nachgewiesenen Geschichtsfälschungen allgemeine Bestürzung aus.
"Der Untersuchung von 2016 lagen insgesamt 15 Schulbücher der Jahrgänge eins bis neun der Fächer Geschichte und nationale Erziehung zugrunde", erklärte David Labude vom Mideast Freedom Forum am Mittwoch im Deutschen Bundestag. Vorgestellt wurden die Ergebnisse einer Studie, die die Darstellung von Israel und Juden in palästinensischen Schulbüchern untersucht hatte.
"Die Bücher sind in den Jahren 2000 bis 2005 erstmalig in das palästinensische Kern-Curriculum eingeführt worden, neu aufgelegt wiederum 2011, 2014."
Schon 2014 hatten sich mehrere Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien aus dem Haushaltsausschuss darum bemüht, diese Schulbücher einmal genauer untersuchen zu lassen. Denn schließlich unterstützt die Bundesrepublik die Palästinensische Autonomiebehörde jedes Jahr mit etwa 150 Millionen Euro. Und damit indirekt auch diese Schulbücher.

Verheerendes Signal

Zwei Jahre dauerte es, bis das palästinensische Unterrichtsmaterial vorlag. Ein weiteres Jahr brauchten Übersetzung und Analyse. Wie also wird Israel in den Schulbüchern dargestellt? Welche Begriffe verwendet man, um Juden und Judentum zu beschreiben? Kurz gesagt: Keine, so David Labude.
"Die palästinensischen Schüler erhalten weder Informationen über die jüdische Kultur oder Religion, noch über die israelische Gesellschaft. In einem Textbuch der Klasse eins ist einmal ein Verweis in einer Tafel auf ein jüdisches Königreich mehrere Tausend Jahre vor Christus, das ist alles."
Welche Rolle Juden in dieser Region historisch gespielt haben, wird völlig negiert. In den palästinensischen Schulbüchern tauchen sie erst ab Ende des 19. Jahrhunderts als zionistische Besatzer auf. Und auch auf den Landkarten, selbst auf aktuellen Darstellungen der Region, sucht man Israel vergebens.
"Jüdische beziehungsweise fürs Judentum heilige Orte beziehungsweise Städte sind auf diesen Landkarten nicht verzeichnet. Dadurch wird auch wieder die Existenz des Staates Israel unterschlagen."
Für die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft sei das natürlich verheerend, findet Volkmar Klein, Bundestagsabgeordneter der CDU.
"Dann kann man natürlich auch nicht für eine Zwei-Staaten Lösung eintreten, wenn man die Beschlüsse, die die internationale Gemeinschaft oder die Vereinten Nationen getroffen haben zu zwei Staaten, wenn man das negiert und in Abrede stellt, dann wird man keinen positiven Einfluss nachher auch auf diese jungen Menschen haben, um für eine Zwei-Staaten-Lösung zu werben."
Auch Michael Leutert, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion, ist von den Ergebnissen der Studie erschüttert.
"In welcher Klarheit die jüdische Geschichte nicht existiert, also Holocaust nicht existiert, nicht vorkommt, das Kind kann niemals in der Lage sein, sich in das Gegenüber hinein zu versetzen, was der Grund ist. Das finde ich schon, im Jahr 2017 ist das durchaus erschütternd, zumal wir das eben mittragen und mitfinanzieren."

Hebräische Schriftzüge wurden gelöscht

Die Entwicklung zur Entstehung Israels wird nicht nur negiert. Um die eigene Sichtweise aufrechterhalten zu können, greift man sogar zu regelrechten Fälschungen. Im Schulbuch der ersten Klasse ist zum Beispiel eine Briefmarke aus der britischen Mandatszeit zwischen 1917 und 1948 abgebildet, erklärt David Labude:
"Die wies in drei Sprachen den Schriftzug Palästina auf: 'Philastin' auf Arabisch, 'Eretz Israel', das war die offizielle Bezeichnung der Juden für Palästina zu der Zeit, und dann auf Englisch 'Palestine'. Und diese hebräische Inschrift wurde, eben weil man eine jüdische Präsenz negieren will, gelöscht, wie anzusehen ist auch in den Schulbüchern."
Ob SPD, CDU, Grüne oder Linke: Alle an dieser Studie beteiligten Abgeordneten waren sich einig, dass mit solchen Schulbüchern ein Frieden im Nahen Osten nicht erreicht werden kann. Wie aber damit umgehen? Deutschland ist zwar ein wichtiger Geldgeber, aber auch längst nicht der Einzige in der Region. Alleingänge würden da zu nichts führen, meint der Linken-Abgeordnete Michael Leutert.
"Es gibt derzeit Bestrebungen des Auswärtigen Amtes, dort einen Auftrag herauszugeben, der einen Prozess eröffnen soll, wo wir im Einvernehmen mit allen Partnern, also der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit UNRA mit den Geldgebern und mit den Israelis, zu einer neuen Schulbuchform kommen, wo diese Probleme, die wir jetzt vorfinden, ausgeräumt werden."

Dringender Überarbeitungsbedarf

Dass diese Schulbücher dringend überarbeitet werden müssten, hatte kürzlich auch das für Palästina zuständige UN-Hilfswerk UNRWA gefordert. Die Reaktion der palästinensischen Verantwortlichen beschrieb Jörg Rensmann, der Programmdirektor des Mideast Freedom Forums, und skizzierte damit, welch dicke Bretter hier wohl noch zu bohren sind.
"Darauf hat es Treffen gegeben zwischen UNRWA und dem palästinensischen Bildungsministerium, auch dem palästinensischen Premier. Und das Ergebnis war, dass die palästinensische Autonomiebehörde zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keine Notwendigkeit sieht, Curricula oder Inhalte zu verändern."
*In einer vorigen Version haben wir die Studie fälschlicherweise als erste Studie zu palästinensischen Schulbüchern bezeichnet.
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