Palästinensische Band 47Soul auf Tour

Soundtrack und Botschaften für die arabische Jugend

Die palästinensische Band 47Soul auf der Bühne beim Womad Music Festival im spanischen Caceres, aufgenommen am 6.5.2016
47Soul auf der Bühne: Die Shamstep-Party kann beginnen. © picture alliance / dpa / Esteban Martinena Guerrero
Von Kerstin Poppendieck · 27.03.2018
Mit Shamstep haben sie ein eigenes Genre geschaffen: Die vier palästinensischen Musiker von 47Soul machen Songs für den Club - und wollen ihre Fans mit den politischen Texten zum bewussten Tanzen animieren. Zurzeit ist die Band mit ihrem Debütalbum auf Tour.
Ein kleiner Club in Berlin Kreuzberg, die 250 Karten für das Konzert von 47Soul waren in kurzer Zeit ausverkauft. Das Publikum drinnen spricht fast ausschließlich arabisch. Als die vier Bandmitglieder auf die Bühne kommen, wird schnell klar, hier werden Stars gefeiert. Die ersten Töne erklingen und das Publikum fängt sofort an, wild zu tanzen und mitzusingen. Die Shamstep-Party beginnt.

"Shamstep ist eine Kombination aus Dubstep und anderen Step-Stilen", erklärt Walaa Sbait. "Sham ist die Bezeichnung für den größeren syrischen Raum. Auf Arabisch nennen wir diese Gegend Bilad Al-Sham. So entstand die Bezeichnung Shamstep. Das ist unser musikalischer Traum von Bilad Al-Sham ohne Grenzen, wo man von Stadt zu Stadt fahren kann, ohne von jemandem aufgehalten zu werden".

Virtuelle Bandgründung ohne persönliche Treffen

Bilad Al-Sham, oder auch Groß-Syrien, begrenzt sich nicht auf Syrien, sondern dazu gehören auch Israel, ein Teil von Saudi-Arabien, Irak, Iran und andere Gebiete. Hier kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Doch 47Soul wollen Frieden in der Region.
In ihrer Heimat besuchen mehr als 10.000 Menschen ihre Konzerte. Gegründet hat sich die Band vor fünf Jahren, und zwar virtuell über soziale Netzwerke. Sich persönlich zu treffen, war unmöglich, auf Grund der politischen Umstände in Palästina. Dabei lebten die Musiker teilweise nur 40 Minuten auseinander. Es war klar, wenn sie als Band gemeinsam Musik machen wollen und in der Welt gehört werden, müssen sie umziehen.
Die Entscheidung fiel auf London. All ihren Frust und die Verzweiflung über die Situation in ihrer Heimat verpacken sie in ihrer Musik. Nicht aggressiv, sondern extrem tanzbar.
Tareq Abu Kwaik: "Arabische Musik mit anderen Musikstilen zu vermischen, ist nichts Neues. Da gibt es zum Beispiel Oriental Jazz oder Arabic Rock. Niemand hat bisher allerdings die Musik unseres traditionellen Volkstanzes Dabke genommen, mit den Klängen des arabischen Keyboards gemischt und dazu auch noch in Englisch gesungen. Unsere Jugend will eine Musik, über die sie sagen können: ja, das ist unser traditioneller Klang, aber gleichzeitig auch ganz neu."

Vier politisch engagierte Musiker

Die vier Musiker der Band sind alle politisch engagiert. Bevor sie 47Soul gegründet haben, gehörten sie zum musikalischen Untergrund Palästinas und haben immer wieder Ärger mit der Polizei bekommen. Mit 47Soul ist ihnen das noch nicht passiert. Dafür sind die Texte vielleicht nicht deutlich genug oder provokant.
Sie mögen eher Metaphern und Wortspiele. In dem Lied "Moved Around" geht es zum Beispiel darum, sich zu bewegen. Freiwillig auf der Tanzfläche und gezwungen durch Krieg, und Vertreibung. Dazu hört man elektronische Musik versetzt mit Hip-Hop und Pop-Elementen und arabischer Roots-Musik.

Tareq Abu Kwaik: "Mit unserer Musik wollen wir die Leute zum bewussten Tanzen animieren. Sie sollen tanzen, aber wenn sie für eine Zigarette nach draußen gehen, wünschen wir uns, dass sie sich über das, was politisch in ihrer Heimat und der Welt passiert, unterhalten. Wir wollen mit dem Vorurteil aufräumen, dass die Linken in Cafés gehen, um dort über Politik zu philosophieren und die Yuppies in Clubs."

Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung

47Soul vereint beides: über Politik reden und im Club feiern. Ihr politischer Standpunkt und ihre Wünsche sind eindeutig. Frieden, Freiheit, Gleichberechtigung, ein freies Palästina ohne Reiseverbote. Er habe es satt, wie ein Mensch dritter Klasse behandelt zu werden, sagt Tareq Abu Kwaik.
Deshalb will er mit 47Soul vor allem den Jugendlichen in seiner Heimat Mut machen in einer hoffnungslos erscheinenden Situation. Musik ist dabei das Mittel, ihre Botschaften zu verbreiten. Auch das ist ein Grund, warum die Band nicht nur auf Arabisch singt.
Tareq Abu Kwaik: "Wir wollen, dass die Leute uns und unsere Gedanken verstehen. Auch wenn sich Jugendliche nicht für Palästina und die Situation dort interessieren, sollen sie verstehen, warum die Situation dort auch für den Rest der Welt relevant ist."
In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Musiker aus der Gegend, die auch im Ausland erfolgreich sind. Lola Marsh zum Beispiel oder Sun Tailor. Eine so politische Band wie 47Soul allerdings ist außergewöhnlich. Nach fünf Jahren haben sie jetzt ihr Debütalbum "Balfron Promise" veröffentlicht. Doch am besten sollte man eines ihrer Konzerte besuchen, denn 47Soul sind eine einzigartige Liveband.
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