Packend und verstörend
Claude Debussy komponierte "Pelleas et Mélisande" nach einem Drama von Maurice Maeterlinck, das im Gewand eines Märchens eine Dreiecksgeschichte voller Leidenschaft, Gewalt und Verdrängung erzählt. Nun ist das Stück im Stadttheater Aachen zu sehen.
Wer die Oper liebt, dem kann auf der Welt nichts Besseres passieren als irgendwo zwischen Flensburg und München, zwischen Cottbus und Aachen zu Hause zu sein. Denn dann wird er wahrscheinlich nach Feierabend losfahren und rechtzeitig zum Vorstellungsbeginn ein Musiktheater erreichen können, und das gibt es nirgendwo sonst. In seiner Dichte und der Vielfalt des Repertoires ist das deutsche Stadttheatersystem einmalig, und dass es dabei auch ein außerordentliches Qualitätsniveau erklimmen kann, belegt wieder einmal ein eindrucksvoller Abend im Stadttheater Aachen.
Dort hatte Debussys "Pelleas et Melisande" Premiere, eines der wichtigsten und komplexesten Werke des Musiktheater-Repertoires, erarbeitet vom hauseigenen Ensemble, gespielt vom städtischen Sinfonieorchester, zu entdecken für alle Neugierigen aus der Stadt und der Region, und nicht nur heute oder morgen, sondern in einer ganzen Vorstellungsserie bis in den Februar des nächsten Jahres.
Das ist ein Triumph des viel geschmähten Stadttheaters, denn was da in der Provinz zu sehen und zu hören ist, das kann man keinesfalls provinziell nennen. Zum einen gibt das Theater Aachen einer jungen Regisseurin die Chance, zum ersten Mal ein Werk dieser Größenordnung zu inszenieren. Eva-Maria Höckmayr, Absolventin der August-Everding-Akademie im Münchner Prinzregententheater, schlägt einen innovativen Weg ein, hinterfragt das Stück, das um das Jahr 1900 die Psychoanalyse sozusagen musikalisch vorwegnahm. Debussy komponierte die Oper nach einem symbolistischen Drama von Maurice Maeterlinck, der im Gewand eines Märchens eine Dreiecksgeschichte voller Leidenschaft und Begehren, Gewalt und Verdrängung erzählt.
Melisande, eine rätselhafte Kindfrau, steht zwischen den Brüdern Golaud und Pelleas, das modrige Ambiente eines Schlosses, ein dunkler Wald, eine unheimliche Grotte am Meer, der "Brunnen der Blinden" sind ebenso Schauplätze des traumhaften Geschehens wie Chiffren für die Reise in seelische Abgründe. Eva-Maria Höckmayr konzentriert sich auf die Analyse der psychischen Beschädigungen und Deformationen, die Triebkräfte der Handlung werden. Dabei tut sie hier und da zuviel und vernachlässigt in einer klinisch-nüchternen Atmosphäre manchmal auch die sinnliche Suggestionskraft der Musik, aber sie lässt keine Situation ungedeutet und vermag das Ensemble zu so dichtem und intensivem Zusammenspiel zu motivieren, dass der Abend immer spannend bleibt. Talentierten Leuten solche Herausforderungen zu stellen und Regisseure von morgen zu entdecken, war schon immer Aufgabe und Chance der Stadttheater, und Aachen hat hier sicher eine interessante Newcomerin präsentiert.
Noch deutlich höher zu bewerten ist die großartige musikalische Realisierung des Stücks unter der Leitung des Generalmusikdirektors Marcus R. Bosch. Der Dirigent leitet das Orchester seit sieben Jahren und hat mit ambitionierter und kontinuierlicher Arbeit Erstaunliches geschafft. Das musikalische Niveau ist weit höher, als man es an einem Haus dieser Größenordnung erwarten kann, und mit der Debussy-Premiere erreichen Dirigent und Orchester einen neuen Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit. So schön, so farbig, so schwebend und unendlich fließend, wie man sich das nur wünschen kann, klingt diese große Ton-Erzählung aus dem Aachener Graben. Dabei ist vom ersten Moment an klar, dass hier Unheimliches, Abgründiges, Sinistres droht, und diese Spannung steigert und verdichtet Marcus Bosch bis ins Alptraumhafte.
Ein packender, verstörender, kein bloß impressionistisch-luxuriöser Abend. Das Orchester spielt eindeutig die Hauptrolle in diesem Stück, aber auch das Sängerensemble ist beeindruckend. Im Zentrum Michaela Maria Mayer als mit vokaler Süße verlockende und doch unerreichbare Melisande und Andrea Macco als tragisch-zerrissener Golaud. Wer nach Feierabend losfahren kann, um diese Aufführung zu sehen, sollte das unbedingt tun. Aber auch eine weitere Reise könnte sich lohnen.
Dort hatte Debussys "Pelleas et Melisande" Premiere, eines der wichtigsten und komplexesten Werke des Musiktheater-Repertoires, erarbeitet vom hauseigenen Ensemble, gespielt vom städtischen Sinfonieorchester, zu entdecken für alle Neugierigen aus der Stadt und der Region, und nicht nur heute oder morgen, sondern in einer ganzen Vorstellungsserie bis in den Februar des nächsten Jahres.
Das ist ein Triumph des viel geschmähten Stadttheaters, denn was da in der Provinz zu sehen und zu hören ist, das kann man keinesfalls provinziell nennen. Zum einen gibt das Theater Aachen einer jungen Regisseurin die Chance, zum ersten Mal ein Werk dieser Größenordnung zu inszenieren. Eva-Maria Höckmayr, Absolventin der August-Everding-Akademie im Münchner Prinzregententheater, schlägt einen innovativen Weg ein, hinterfragt das Stück, das um das Jahr 1900 die Psychoanalyse sozusagen musikalisch vorwegnahm. Debussy komponierte die Oper nach einem symbolistischen Drama von Maurice Maeterlinck, der im Gewand eines Märchens eine Dreiecksgeschichte voller Leidenschaft und Begehren, Gewalt und Verdrängung erzählt.
Melisande, eine rätselhafte Kindfrau, steht zwischen den Brüdern Golaud und Pelleas, das modrige Ambiente eines Schlosses, ein dunkler Wald, eine unheimliche Grotte am Meer, der "Brunnen der Blinden" sind ebenso Schauplätze des traumhaften Geschehens wie Chiffren für die Reise in seelische Abgründe. Eva-Maria Höckmayr konzentriert sich auf die Analyse der psychischen Beschädigungen und Deformationen, die Triebkräfte der Handlung werden. Dabei tut sie hier und da zuviel und vernachlässigt in einer klinisch-nüchternen Atmosphäre manchmal auch die sinnliche Suggestionskraft der Musik, aber sie lässt keine Situation ungedeutet und vermag das Ensemble zu so dichtem und intensivem Zusammenspiel zu motivieren, dass der Abend immer spannend bleibt. Talentierten Leuten solche Herausforderungen zu stellen und Regisseure von morgen zu entdecken, war schon immer Aufgabe und Chance der Stadttheater, und Aachen hat hier sicher eine interessante Newcomerin präsentiert.
Noch deutlich höher zu bewerten ist die großartige musikalische Realisierung des Stücks unter der Leitung des Generalmusikdirektors Marcus R. Bosch. Der Dirigent leitet das Orchester seit sieben Jahren und hat mit ambitionierter und kontinuierlicher Arbeit Erstaunliches geschafft. Das musikalische Niveau ist weit höher, als man es an einem Haus dieser Größenordnung erwarten kann, und mit der Debussy-Premiere erreichen Dirigent und Orchester einen neuen Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit. So schön, so farbig, so schwebend und unendlich fließend, wie man sich das nur wünschen kann, klingt diese große Ton-Erzählung aus dem Aachener Graben. Dabei ist vom ersten Moment an klar, dass hier Unheimliches, Abgründiges, Sinistres droht, und diese Spannung steigert und verdichtet Marcus Bosch bis ins Alptraumhafte.
Ein packender, verstörender, kein bloß impressionistisch-luxuriöser Abend. Das Orchester spielt eindeutig die Hauptrolle in diesem Stück, aber auch das Sängerensemble ist beeindruckend. Im Zentrum Michaela Maria Mayer als mit vokaler Süße verlockende und doch unerreichbare Melisande und Andrea Macco als tragisch-zerrissener Golaud. Wer nach Feierabend losfahren kann, um diese Aufführung zu sehen, sollte das unbedingt tun. Aber auch eine weitere Reise könnte sich lohnen.