Paarlaufen nach Stoiber
Das erste gemeinsame Plakat war ein Flop. Keiner wollte es haben. Denn die beiden sahen aus wie graue Panther, die fürs Seniorenstift werben: Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Vorsitzender Erwin Huber. Seit einigen Monaten strampeln sie als Tandem durch die bayerische Politik. Ihr Ziel: Die bayerischen Landtagswahlen am 28. September.
Jubel und Bayerischer Defiliermarsch – einem Ministerpräsidenten würdig. Ein Bierzelt in Nürnberg. Es marschiert ein: Er. Unverkennbar.
Stoiber: „Als, äh, der Markus, äh, mich vor Monaten schon immer wieder mich darauf angesprochen hat, äh, dass er ein traditionelles Bierzelt in seinem Stimmkreis hat, da habe ich zunächst einmal gesagt: Markus, Du weiß, dass ich mit der CSU fiebere. Aber alles hat seine Zeit.“
Der Markus ist Markus Söder, sein früherer Generalsekretär. Und er – der Ex-Ministerpräsident, der nach wie vor locker ein Bierzelt füllt. Gut 700 Besucher huldigen Edmund Stoiber stehend. Aus dem bayerischen Landtagswahlkampf will sich der Ehrenvorsitzende der CSU raushalten. Nur zwei Bierzeltreden hat er, eigenen Angaben nach, bis September zugesagt. Eine davon widmet er Söder. Seinem politischen Ziehsohn.
Stoiber: „Markus Söder hat mich immer ein bisschen an mich selbst erinnert. Er war ein lauffreudiger junger Stürmer, der sich immer angeboten hat und in den Raum vorgestoßen ist, um den tödlichen Pass zu verwandeln. Jetzt Markus, ich will mal in der Fußballersprache bleibe: Du wächst aus der Rolle des Stürmers hinaus und beginnst in der CSU die Nummer 10 zu nehmen, und in die Rolle des Spielgestalters hineinzuwachsen.“
Ein bemerkenswertes Lob, das aufhorchen lässt. Als Ritterschlag für weitere Aufgaben kann man es auch verstehen, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, sollte die Landtagswahl für Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber schief gehen. Stoibers Wort hat in der Partei nach wie vor Gewicht. Für Söder sicher nicht von Nachteil. Es ist einer der seltenen öffentlichen Auftritte von Stoiber. Seit seinem Rücktritt vergangenen September macht sich der 66jährige im Freistaat rar.
Stoiber: „Es steht was auf dem Spiel! Die CSU war nicht von Haus aus eine 50 + x – Partei. Wir hatten das Glück, einen Mann zu besitzen, der vor 20 Jahren gestorben ist: Franz Josef Strauß, der diese Partei 1970 zu einer Partei 50 + x und 55 + x gemacht hat. Und diese Stellung, die gilt es zu halten. Und das sage ich Ihnen ganz offen, das geht nur mit einer starken Partei und einer starken Führung.“
Dass Stoiber an der Führungskraft seiner Nachfolger zweifelt, ist ein offenes Geheimnis. Laut würde es er nie sagen, auf jeden Fall nicht vor der Wahl am 28. September. In kleiner Runde aber, so ist zu hören, äußert er sich sehr besorgt über seine CSU. Im Bierzelt müht sich der Ex redlich, alles zu vermeiden, was als Dissens oder Kritik an seinen Nachfolgern ausgelegt werden könnte. Die Namen Beckstein und Huber erwähnte er nicht ein einziges Mal.
Stoiber: „Und es entscheidet sich jetzt, lieber Markus, in diesen Wahlen, ob wir überragende Stellung der CSU, wie es sie in ganz Europa nirgendwo festzustellen ist, ob wir diese überragende Stellung Bayerns und der CSU auch in das nächste Jahrzehnt hinein übertragen können. Man legt ja die Leidenschaft für Politik nicht ab …“
89 Tage noch – dann wird in Bayern gewählt. Der Countdown läuft. Mit einem Parteitag in zweieinhalb Wochen läutet die CSU die heiße Phase des Landtagswahlkampfes ein. Die Christsozialen sind nervös. Und haben allen Grund dazu.
Umfrage:
Mann: „Der Beckstein war ein guter Innenminister. Ministerpräsident eine Nummer zu groß für ihn.“
Mann: „Er hat keine Ausstrahlung. Und ein Politiker ohne Ausstrahlung kann keinen Erfolg haben.“
Mann: „Das ist nicht das, was man sich vorstellt hat. Ich glaube, wir waren alle ein bisschen enthusiastischer vorher und sind jetzt alle ein bisschen enttäuscht.“
Mann: „Visionen fehlen. Das ist doch das, was einen Politiker auszeichnet: Er muss Visionen mitbringen.“
Mann: „Irgendwo ist er mir zu ruhig, zu wenig mitreißend. Es fehlt der Pfiff.“
Mann: „Mit dem Huber, das ist nicht das Gelbe vom Ei, weil sie nichts zu Wege bringen.“
Die CSU schwächelt, seit mit Beckstein und Huber ein Tandem an ihrer Spitze steht. In den Umfragen geht es abwärts – unter die magischen 50 Prozent. Für die erfolgsverwöhnten Christsozialen eine Katastrophe. Glaubt man den Prognosen, ist der CSU auch die absolute Mehrheit nicht mehr sicher. Die Partei ist verunsichert wie zu Zeiten der Amigo-Affäre von Max Streibl, sagt Angela Böhm, langjährige CSU-Kennerin bei der „Münchner Abendzeitung“. Der Mythos der CSU droht zu zerbröseln. Der Verlust der absoluten Mehrheit würde das Ende ihrer bundespolitischen Sonderstellung bedeuten.
Böhm: „Die 50 ist ganz wichtig für das Selbstwertgefühl der CSU. Für die CSU selbst wäre es ein Drama unter die 50 Prozent zu kommen, auch wenn es knapp ist. Der Supergau wäre Koalitionspartner. Und da, glaube ich, wäre die Situation ganz klar: Wenn sie in eine Koalition gehen müssten, dann würde in der CSU ein Erdbeben passieren, dann würden Huber und Beckstein zurücktreten, darüber gäbe es gar keine Diskussion.“
Eigentlich läuft alles schief, seit sie vor zehn Monaten Stoibers Ämter übernahmen: Das Hin und Her beim Rauchverbot, das Scheitern des Transrapids, die Dauerbaustelle achtjähriges Gymnasium, das Milliardendesaster bei der bayerischen Landesbank. Bei den Kommunalwahlen im März dann die bittere Quittung. Die CSU fährt mit 40 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Für die Landtagswahl im Herbst kein gutes Omen:
Umfrage:
Mann: „Fehler haben sie gemacht mit dem Rauchen in den Bierzelten. Weil das Gesetz mit dem Rauchen, das kostet Stimmen. Die Raucher sind verärgert.“
Mann: „Ich befürchte halt, dass die CSU verliert. Man kann sprechen mit wem man will, alle haben Angst wegen des Wahlergebnisses.“
Mann: „Ich glaube nicht mehr, dass sie die 50-Prozent-Hürde überschreiten. Das sind Auslaufmodelle, weil sie merken, dass ihnen die Wähler davonlaufen.“
Mann: „Das heißt für die Landtagswahl, dass wir froh sein müssen, wenn wir noch die Mehrheit kriegen. Aber dass wir über 50 Prozent sind, da habe ich ein bisschen ein komisches Gefühl im Bauch. Ich glaube, wir werden eine ganze Menge an die Freien Wähler verlieren. Und die fehlen uns dann bei der CSU.“
Seit 51 Jahren regiert die CSU im Freistaat. Seit 1962 mit absoluter Mehrheit. Seit 2003 sogar mit historisch einmaliger Zweidrittelmehrheit der Mandate. Im Rest der Republik wirkt ihre Vorherrschaft wie gottgegeben. So als hätte die CSU das erfolgreiche Bayern erfunden. Doch nun passieren merkwürdige Dinge im Freistaat: Menschen, die es sich früher nicht hätten vorstellen können, nicht CSU zu wählen, tun es auf einmal. Oder sie gehen erst gar nicht zur Wahl. Der alte Spruch „Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU“ war gestern.
Böhm: „Es ist der Fluch der Zweidrittelmehrheit, die die Bayern der CSU ja selbst damals gegeben haben nach Stoibers Scheitern bei der Kanzlerkandidatur. Und darunter leiden Beckstein und Huber massiv. Die Bürger finden sie zu großkotzig, zu selbstbewusst. Sie möchten nicht eine CSU, die ihre Muskeln so spielen lässt wie Stoiber das gemacht hat. Diese Alleinherrschaft, dieses Selbstgefällige, haben die Bayern satt.“
Was wiederum erklärt, warum an der Parteibasis keine Stoiber-Nostalgie laut wird – trotz der Schwächen seiner Nachfolger. Eine Wechselstimmung aber macht die langjährige Beobachterin bayerischer Landespolitik beim Wähler nicht aus.
Böhm: „Es ist eher eine Denkzettelmentalität. Es ist keine Wechselstimmung. Sie möchten eigentlich weiter von der CSU regiert werden, sagen aber, die brauchen einen Denkzettel. Dass viele sogar liebäugeln damit, dass die CSU vielleicht in eine Koalition mit der FDP gehen müsste und nicht mehr machen kann, was sie will und selbstherrlich regieren kann. Aber einen Wechsel zu rot-grün kann ich mir nicht vorstellen.“
Günther Beckstein schüttelt Hände. Der Ministerpräsident geht nicht, er rennt auf Menschen zu. Immer freundlich, immer nett. Ein Schneider hat dem 65jährigen ein komplett neues Outfit verpasst. Denn in der Fraktion hat es Kritik gehagelt, er komme zu bieder, zu altbacken rüber. Beckstein trägt nun Maßanzüge von Boss. Ein Bierzelt in Oberbayern. Später Sonntagvormittag. Die örtliche CSU lädt zum Politischen Frühschoppen ein.
Zu seinen Ehren schießen die Böllerschützen drei Mal Salut. Auf der Bühne legt er das Jackett ab. Eine Maß Bier steht griffbereit. Er kämpft. Redet 83 Minuten lang. Stufe 1 der Wahlkampfkampagne ist gezündet: „Stolz auf Bayern“. Unter diesem Titel erklärt er dem Volk, warum es zufrieden sein soll mit seiner Regierung und seiner Partei.
Beckstein: „Wir in Bayern werden das erste und einzige Land sein, das Vollbeschäftigung erreicht. Jawohl, hier brummt die Wirtschaft. Die Zukunft, der Fortschritt spricht bayerische, meine Damen und Herren. Und darauf dürfen wir auch ein Stück stolz sein. Ich war in Schleswig-Holstein. Herr Carstensen hat in seiner größten Veranstaltung gesagt: Wir strengen uns an, dass wir es in fünf Jahren schaffen, so gut zu werden wie die Bayern sind. Dann habe ich gesagt: Und wir strengen uns an, dass in fünf Jahren der Abstand doppelt so groß ist wie heute.“
Entscheiden wird sich die Landtagswahl in Oberbayern. Zwischen Garmisch-Patenkirchen und Eichstätt lebt ein Drittel der rund neun Millionen wahlberechtigten Bürger. Oberbayern ist die Herzkammer der Schwarzen. Doch mit Stoiber und Landtagspräsident Alois Glück zieht sich im Herbst die alte Garde zugkräftiger CSUler aus der Politik zurück. Oberbayern ist das Problem. Verliert die CSU hier zu viele Stimmen, kann sie die absolute Mehrheit in Bayern vergessen. Der Ministerpräsident, ein Franke, und der Parteichef, ein Niederbayer, aber punkten hier nicht. Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, soll es nun richten.
Beckstein: „Sie alle wissen, dass es nicht in der Verfassung steht, dass wir eine absolute Mehrheit haben. Die entscheidende Frage ist aber: es war besser für Bayern, es ist besser für uns in Bayern, wenn die CSU auch in Zukunft eine regierungsfähige Mehrheit hat. Sonst wird die Sonderstellung Bayerns verloren gehen, sonst werden die Bürger in unserem Land Nachteile haben. Wir wissen, dass wir im Moment möglicherweise bei den Umfragen knapp unter 50 Prozent sind. Und drum bitte ich Sie ganz herzlich, wählen Sie die CSU.“
Becksteins Werben klingt wie ein Flehen. Der Höhepunkt seiner „Wir haben Bayern erfunden“ – Rede. Sein erklärtes Wahlziel sind 50 Prozent + X. Falls er unter 50 bleibt, tritt er zurück, soll Beckstein intern angekündigt haben.
Merkel: „Wir werden, wo es gewünscht wird, lieber Günther Beckstein, die CSU unterstützen im Wahlkampf. Ich denke, gemeinsam sind wir stark.“
Der liebe Günther Beckstein lächelt süß-säuerlich. Strategietreffen der CSU- mit der CDU-Spitze in Erding. Es geht um Rückenwind für den Wahlkampf. Doch die große Schwester bringt keine Geschenke, sondern nur eine Abfuhr mit. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnt die CSU-Forderung nach Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer kühl ab.
Beckstein: „Wer meint, ich würde erwarten, dass ich in besonderer Weise Almosen der CDU bekomme, der täuscht sich völlig. Wir werden aus eigener Kraft gewinnen und nicht etwa durch eine mildtätige Unterstützung der CDU.“
Der Ministerpräsident ist sauer. Für die CSU wäre die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale ein Pfund gewesen, mit dem sie beim Wähler hätte wuchern können. Doch die Bundeskanzlerin, um ihre Haushaltskonsolidierung besorgt, lässt die Bayern KÜHL abblitzen. Und was tut Beckstein? Er schlüpft in die Rolle des bayerischen Löwen und brüllt. Auf Konfrontationskurs zur CDU zu gehen, kommt zuhause beim Wahlvolk immer gut an. Und seit das endlich mal offen ausgesprochen ist, wirkt Beckstein wie befreit; er kommt viel lockerer rüber: Das Rezept Bayern gegen Berlin funktioniert immer für den Bierzelt-Wahlkampf.
Huber: „Da werden wir auch keine Ruhe geben. Da sind ja alle dagegen, die SPD sowieso. Aber auch unsere Schwesterpartei CDU. Die wird bei Kindergeld und Kinderfreibetrag jetzt mitmachen. Da haben wir sie jetzt weichgeklopft. Aber bei der Pendlerpauschale noch nicht: Da brauchen wir ihre Unterstützung. Helfen Sie also mit, dass wir auch der CDU manchmal den Weg weisen. Ich glaube, dass unsere große Schwester auch gelegentlich den Rat der CSU braucht, den wir ihr gerne geben.“
Parteichef Erwin Huber ist es mit seinem 28-Milliarden-Euro-Steuersenkungsprogramm erstmals gelungen, ein eigenes Thema zu setzen. Mit dem Slogan „Mehr Netto für alle“ lässt sich in jedem Bierzelt wunderbar punkten. Lange hat der CSU-Chef gebraucht, um seine Rolle zu finden. Die Opposition überschüttert der Parteivorsitzende nur mit Spott.
Der SPD-Spitzenkandidat Franz Maget träumt davon, Ministerpräsident einer Viererkoalition aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wähler zu werden. Dabei dümpeln die Sozialdemokraten in den Umfragen bei mageren 20 Prozent herum. Und die Grünen haben der CSU mit einem Parteitagsbeschluss eine willkommene Steilvorlage geliefert: Sie fordern, alle Kreuze aus den Klassenzimmern zu verbannen; so was kommt nicht gut an in Bayern. Ziel der Opposition ist es, die absolute Mehrheit der CSU zu brechen. FDP und Freie Wähler aber bieten sich der Regierungspartei bereits als Juniorpartner an.
Huber: „Dass wir nicht mehr zulassen und wenn es sein muss auch öffentlich reagieren, wenn Äußerungen kommen, die nicht für die Partei und ihren klaren Kurs von Vorteil sind. Wir sind ja keine Chaostruppe wie die SPD.“
Es war im Frühjahr, als Erwin Huber die legendäre Geschlossenheit der CSU beschwören musste. Es hagelte damals Kritik am Führungstandem: Beckstein komme wie ein Landesopa rüber, maulten die Mitglieder der Landtagsfraktion. Auch Huber werde in Berlin nicht ernst genommen, und schlimmer noch, der CSU-Chef werde auf Bundesebene nicht gefürchtet. Und heute? Es erklingt kein Mucks mehr. Das wird bis zum Wahltag anhalten, glaubt Angela Böhm von der Abendzeitung.
Böhm: „Ich höre immer wieder, dass es natürlich das gleiche Gemotze und die Unzufriedenheit gibt wie zuvor. Aber die Drohung Seehofer hilft ganz viel in der CSU-Fraktion. Weil Seehofer ist zwar im Bund sehr beliebt und Seehofer ist Liebling der Basis, aber nicht Liebling der Fraktion.“
Wen Du Huber kritisiert, willst Du also Horst Seehofer als Parteivorsitzenden. Mit dieser Aussage konfrontierte CSU-Fraktionschef Georg Schmidt jeden einzelnen Kritiker und machte sie mundtot. Es funktioniert bis heute.
An den Mega-Gau am Wahlabend, glaubt die langjährige Beobachterin bayerischer Landespolitik nicht. Es wird spannend, es wird knapp werden für die CSU, ist sich Angela Böhm sicher. Weil aber so viele kleine Parteien zur Landtagswahl antreten, rechnet sie vor, wird die CSU die Regierungsmehrheit wohl nicht verlieren. Denn schon 48 Prozent könnten ihr reichen, um eine absolute Mehrheit der Landtagssitze zu bekommen.
Und wenn es doch schief gehen sollte? Planspiele für den Tag X gibt es sehr wohl. Becksteins Kronprinz, das ist in Bayern traditionell der Innenminister, also Joachim Herrmann, gilt als eher schwach.
Böhm: „Dann würde sich die CSU völlig neu aufbauen müssen. Joachim Herrmann wird sicher einer sein, der dann übernehmen möchte. Auch Seehofer wird versuchen, dann endlich ans Ziel zu kommen und die Partei zu übernehmen. Markus Söder muss man auf der Rechnung haben. Der wird sicherlich verlangen, jetzt der Schnitt und der große Generationenwechsel, also nicht auf die 50er, sondern gleich auf die 40er. Dann würde es in der CSU ziemlich rumsen.“
Dann, das sagen auch die Parteistrategen, wird es Söder probieren, und zwar mit voller Wucht. Und er weiß Edmund Stoiber hinter sich, dessen Wort nach wie vor Gewicht hat und dessen kurzer Draht zu Seehofer bekannt ist. Markus Söder hat sich verändert. Auch äußerlich: Mit neuer Frisur und Lesebrille kommt der einstige Haudrauf im Amt des bayerischen Europaministers geradezu soft rüber. Der 41jährige ist auffällig bemüht ist, sein rüpelhaftes Image als ehemaliger Generalsekretär loszuwerden.
Söder: „Man hat in der Position ja nur zwei Möglichkeiten: entweder ist man gefällig oder gefährlich. Man ist auch über das Ziel oft hinausgeschossen, das ist klar. Ich glaube aber, dass mit einer neuen Aufgabe, aber auch mit menschlichen Reifeprozessen auch ein anderer Arbeitsstil erforderlich war. Und ich bin eigentlich ganz dankbar zu zeigen, dass ich nicht nur das Harte kann, sondern dass es auch andere Seiten gibt. Und ganz ehrlich: letztes Jahr war mein 40 Geburtstag. Das ist noch ein ganz gutes Alter, sich ein Stück weiter zu entwickeln.“
Unumstritten ist sein politisches Talent; sein Gespür für Trends und Themen. Söder ragt aus der an Talenten nicht gerade reich gesegneten Nach-Stoiber-CSU heraus. Kürzlich löste er Beckstein an der Spitze CSU in Nürnberg ab. Ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter: Denn an den zehn mächtigen Bezirkschefs kommt in der Partei keiner vorbei.
Söder: „Es geht weniger um mich. Es geht um uns. Dass wir Rückenwind bekommen für den Günther. Wir wollen gerade in der Region ein überdurchschnittliches Ergebnis für ihn erzielen. Er ist der erste Nürnberger, der Ministerpräsident ist. Und deswegen kann an sich nur jeder anständige Nürnberger Günther Beckstein wählen. Und dafür werben wir, dass es klappt.“
Doch zweifellos steht auch Kalkül dahinter. Denn: übernimmt ein 50-Jähriger muss er fürchten, dass der sich auf Jahre hinaus am Stuhl des Ministerpräsidenten festkrallt. Bleibt Beckstein noch ein paar Jährchen im Amt, ist Söder seinem Ziel ganz nahe: nächster bayerischer Ministerpräsident zu werden.
Pauli: „Ich weiß nicht, was mir noch einfällt. Wir werden sehen.“
Sie ist wieder da: Gabriele Pauli Ehemals CSU-Rebellin, Ex-Landrätin aus Fürth. Sie tritt an als Kandidatin für die bayerische Landtagswahl. Gegen Günther Beckstein. In dessen Nürnberger Wahlkreis für die Freien Wähler. Keine Partei profitiert mehr von der Schwäche der CSU als die Freien Wähler, die landesweit rund 800 Bürgermeister stellen. Ihr Programm ist es, Stimmung gegen die CSU zu machen. Mit ihrer Prominenz passt Gabriele Pauli da perfekt ins Konzept.
Umfrage:
Mann: „Ich gehe davon aus, dass die Frau Pauli bei uns sicher eine gute Figur machen wird. Und ich gehe davon aus, dass wir mit der Frau Pauli sicher nach vorne kommen werden.“
Mann: „Stoiber absägen, oder wie man dazu sagt, das ist schon Hammer-mäßig. Sie traut sich was.“
Mann: „Ich habe damals schon gesagt, seid vorsichtig Leute: die Pauli ist gefährlich. Sie denkt nur an sich. Sie macht eine große Show.“
Mann: „Nee, nee, das war ein böser Finger, die Frau Pauli. Das Mädchen ist verbrannt, sie ist über das Ziel hinausgeschossen.“
Gabriele Pauli ist immer für Überraschungen gut. Sicher ist, sie wird den bayerischen Landtagswahlkampf bereichern. Und danach? Ein kleines Schmankerl gefällig? Stellen wir uns vor, die CSU müsste mit den Freien Wählern eine Koalition eingehen. Dann sitzt Gabriele Pauli als Ministerin am Kabinettstisch.
Stoiber: „Als, äh, der Markus, äh, mich vor Monaten schon immer wieder mich darauf angesprochen hat, äh, dass er ein traditionelles Bierzelt in seinem Stimmkreis hat, da habe ich zunächst einmal gesagt: Markus, Du weiß, dass ich mit der CSU fiebere. Aber alles hat seine Zeit.“
Der Markus ist Markus Söder, sein früherer Generalsekretär. Und er – der Ex-Ministerpräsident, der nach wie vor locker ein Bierzelt füllt. Gut 700 Besucher huldigen Edmund Stoiber stehend. Aus dem bayerischen Landtagswahlkampf will sich der Ehrenvorsitzende der CSU raushalten. Nur zwei Bierzeltreden hat er, eigenen Angaben nach, bis September zugesagt. Eine davon widmet er Söder. Seinem politischen Ziehsohn.
Stoiber: „Markus Söder hat mich immer ein bisschen an mich selbst erinnert. Er war ein lauffreudiger junger Stürmer, der sich immer angeboten hat und in den Raum vorgestoßen ist, um den tödlichen Pass zu verwandeln. Jetzt Markus, ich will mal in der Fußballersprache bleibe: Du wächst aus der Rolle des Stürmers hinaus und beginnst in der CSU die Nummer 10 zu nehmen, und in die Rolle des Spielgestalters hineinzuwachsen.“
Ein bemerkenswertes Lob, das aufhorchen lässt. Als Ritterschlag für weitere Aufgaben kann man es auch verstehen, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, sollte die Landtagswahl für Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber schief gehen. Stoibers Wort hat in der Partei nach wie vor Gewicht. Für Söder sicher nicht von Nachteil. Es ist einer der seltenen öffentlichen Auftritte von Stoiber. Seit seinem Rücktritt vergangenen September macht sich der 66jährige im Freistaat rar.
Stoiber: „Es steht was auf dem Spiel! Die CSU war nicht von Haus aus eine 50 + x – Partei. Wir hatten das Glück, einen Mann zu besitzen, der vor 20 Jahren gestorben ist: Franz Josef Strauß, der diese Partei 1970 zu einer Partei 50 + x und 55 + x gemacht hat. Und diese Stellung, die gilt es zu halten. Und das sage ich Ihnen ganz offen, das geht nur mit einer starken Partei und einer starken Führung.“
Dass Stoiber an der Führungskraft seiner Nachfolger zweifelt, ist ein offenes Geheimnis. Laut würde es er nie sagen, auf jeden Fall nicht vor der Wahl am 28. September. In kleiner Runde aber, so ist zu hören, äußert er sich sehr besorgt über seine CSU. Im Bierzelt müht sich der Ex redlich, alles zu vermeiden, was als Dissens oder Kritik an seinen Nachfolgern ausgelegt werden könnte. Die Namen Beckstein und Huber erwähnte er nicht ein einziges Mal.
Stoiber: „Und es entscheidet sich jetzt, lieber Markus, in diesen Wahlen, ob wir überragende Stellung der CSU, wie es sie in ganz Europa nirgendwo festzustellen ist, ob wir diese überragende Stellung Bayerns und der CSU auch in das nächste Jahrzehnt hinein übertragen können. Man legt ja die Leidenschaft für Politik nicht ab …“
89 Tage noch – dann wird in Bayern gewählt. Der Countdown läuft. Mit einem Parteitag in zweieinhalb Wochen läutet die CSU die heiße Phase des Landtagswahlkampfes ein. Die Christsozialen sind nervös. Und haben allen Grund dazu.
Umfrage:
Mann: „Der Beckstein war ein guter Innenminister. Ministerpräsident eine Nummer zu groß für ihn.“
Mann: „Er hat keine Ausstrahlung. Und ein Politiker ohne Ausstrahlung kann keinen Erfolg haben.“
Mann: „Das ist nicht das, was man sich vorstellt hat. Ich glaube, wir waren alle ein bisschen enthusiastischer vorher und sind jetzt alle ein bisschen enttäuscht.“
Mann: „Visionen fehlen. Das ist doch das, was einen Politiker auszeichnet: Er muss Visionen mitbringen.“
Mann: „Irgendwo ist er mir zu ruhig, zu wenig mitreißend. Es fehlt der Pfiff.“
Mann: „Mit dem Huber, das ist nicht das Gelbe vom Ei, weil sie nichts zu Wege bringen.“
Die CSU schwächelt, seit mit Beckstein und Huber ein Tandem an ihrer Spitze steht. In den Umfragen geht es abwärts – unter die magischen 50 Prozent. Für die erfolgsverwöhnten Christsozialen eine Katastrophe. Glaubt man den Prognosen, ist der CSU auch die absolute Mehrheit nicht mehr sicher. Die Partei ist verunsichert wie zu Zeiten der Amigo-Affäre von Max Streibl, sagt Angela Böhm, langjährige CSU-Kennerin bei der „Münchner Abendzeitung“. Der Mythos der CSU droht zu zerbröseln. Der Verlust der absoluten Mehrheit würde das Ende ihrer bundespolitischen Sonderstellung bedeuten.
Böhm: „Die 50 ist ganz wichtig für das Selbstwertgefühl der CSU. Für die CSU selbst wäre es ein Drama unter die 50 Prozent zu kommen, auch wenn es knapp ist. Der Supergau wäre Koalitionspartner. Und da, glaube ich, wäre die Situation ganz klar: Wenn sie in eine Koalition gehen müssten, dann würde in der CSU ein Erdbeben passieren, dann würden Huber und Beckstein zurücktreten, darüber gäbe es gar keine Diskussion.“
Eigentlich läuft alles schief, seit sie vor zehn Monaten Stoibers Ämter übernahmen: Das Hin und Her beim Rauchverbot, das Scheitern des Transrapids, die Dauerbaustelle achtjähriges Gymnasium, das Milliardendesaster bei der bayerischen Landesbank. Bei den Kommunalwahlen im März dann die bittere Quittung. Die CSU fährt mit 40 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Für die Landtagswahl im Herbst kein gutes Omen:
Umfrage:
Mann: „Fehler haben sie gemacht mit dem Rauchen in den Bierzelten. Weil das Gesetz mit dem Rauchen, das kostet Stimmen. Die Raucher sind verärgert.“
Mann: „Ich befürchte halt, dass die CSU verliert. Man kann sprechen mit wem man will, alle haben Angst wegen des Wahlergebnisses.“
Mann: „Ich glaube nicht mehr, dass sie die 50-Prozent-Hürde überschreiten. Das sind Auslaufmodelle, weil sie merken, dass ihnen die Wähler davonlaufen.“
Mann: „Das heißt für die Landtagswahl, dass wir froh sein müssen, wenn wir noch die Mehrheit kriegen. Aber dass wir über 50 Prozent sind, da habe ich ein bisschen ein komisches Gefühl im Bauch. Ich glaube, wir werden eine ganze Menge an die Freien Wähler verlieren. Und die fehlen uns dann bei der CSU.“
Seit 51 Jahren regiert die CSU im Freistaat. Seit 1962 mit absoluter Mehrheit. Seit 2003 sogar mit historisch einmaliger Zweidrittelmehrheit der Mandate. Im Rest der Republik wirkt ihre Vorherrschaft wie gottgegeben. So als hätte die CSU das erfolgreiche Bayern erfunden. Doch nun passieren merkwürdige Dinge im Freistaat: Menschen, die es sich früher nicht hätten vorstellen können, nicht CSU zu wählen, tun es auf einmal. Oder sie gehen erst gar nicht zur Wahl. Der alte Spruch „Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU“ war gestern.
Böhm: „Es ist der Fluch der Zweidrittelmehrheit, die die Bayern der CSU ja selbst damals gegeben haben nach Stoibers Scheitern bei der Kanzlerkandidatur. Und darunter leiden Beckstein und Huber massiv. Die Bürger finden sie zu großkotzig, zu selbstbewusst. Sie möchten nicht eine CSU, die ihre Muskeln so spielen lässt wie Stoiber das gemacht hat. Diese Alleinherrschaft, dieses Selbstgefällige, haben die Bayern satt.“
Was wiederum erklärt, warum an der Parteibasis keine Stoiber-Nostalgie laut wird – trotz der Schwächen seiner Nachfolger. Eine Wechselstimmung aber macht die langjährige Beobachterin bayerischer Landespolitik beim Wähler nicht aus.
Böhm: „Es ist eher eine Denkzettelmentalität. Es ist keine Wechselstimmung. Sie möchten eigentlich weiter von der CSU regiert werden, sagen aber, die brauchen einen Denkzettel. Dass viele sogar liebäugeln damit, dass die CSU vielleicht in eine Koalition mit der FDP gehen müsste und nicht mehr machen kann, was sie will und selbstherrlich regieren kann. Aber einen Wechsel zu rot-grün kann ich mir nicht vorstellen.“
Günther Beckstein schüttelt Hände. Der Ministerpräsident geht nicht, er rennt auf Menschen zu. Immer freundlich, immer nett. Ein Schneider hat dem 65jährigen ein komplett neues Outfit verpasst. Denn in der Fraktion hat es Kritik gehagelt, er komme zu bieder, zu altbacken rüber. Beckstein trägt nun Maßanzüge von Boss. Ein Bierzelt in Oberbayern. Später Sonntagvormittag. Die örtliche CSU lädt zum Politischen Frühschoppen ein.
Zu seinen Ehren schießen die Böllerschützen drei Mal Salut. Auf der Bühne legt er das Jackett ab. Eine Maß Bier steht griffbereit. Er kämpft. Redet 83 Minuten lang. Stufe 1 der Wahlkampfkampagne ist gezündet: „Stolz auf Bayern“. Unter diesem Titel erklärt er dem Volk, warum es zufrieden sein soll mit seiner Regierung und seiner Partei.
Beckstein: „Wir in Bayern werden das erste und einzige Land sein, das Vollbeschäftigung erreicht. Jawohl, hier brummt die Wirtschaft. Die Zukunft, der Fortschritt spricht bayerische, meine Damen und Herren. Und darauf dürfen wir auch ein Stück stolz sein. Ich war in Schleswig-Holstein. Herr Carstensen hat in seiner größten Veranstaltung gesagt: Wir strengen uns an, dass wir es in fünf Jahren schaffen, so gut zu werden wie die Bayern sind. Dann habe ich gesagt: Und wir strengen uns an, dass in fünf Jahren der Abstand doppelt so groß ist wie heute.“
Entscheiden wird sich die Landtagswahl in Oberbayern. Zwischen Garmisch-Patenkirchen und Eichstätt lebt ein Drittel der rund neun Millionen wahlberechtigten Bürger. Oberbayern ist die Herzkammer der Schwarzen. Doch mit Stoiber und Landtagspräsident Alois Glück zieht sich im Herbst die alte Garde zugkräftiger CSUler aus der Politik zurück. Oberbayern ist das Problem. Verliert die CSU hier zu viele Stimmen, kann sie die absolute Mehrheit in Bayern vergessen. Der Ministerpräsident, ein Franke, und der Parteichef, ein Niederbayer, aber punkten hier nicht. Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, soll es nun richten.
Beckstein: „Sie alle wissen, dass es nicht in der Verfassung steht, dass wir eine absolute Mehrheit haben. Die entscheidende Frage ist aber: es war besser für Bayern, es ist besser für uns in Bayern, wenn die CSU auch in Zukunft eine regierungsfähige Mehrheit hat. Sonst wird die Sonderstellung Bayerns verloren gehen, sonst werden die Bürger in unserem Land Nachteile haben. Wir wissen, dass wir im Moment möglicherweise bei den Umfragen knapp unter 50 Prozent sind. Und drum bitte ich Sie ganz herzlich, wählen Sie die CSU.“
Becksteins Werben klingt wie ein Flehen. Der Höhepunkt seiner „Wir haben Bayern erfunden“ – Rede. Sein erklärtes Wahlziel sind 50 Prozent + X. Falls er unter 50 bleibt, tritt er zurück, soll Beckstein intern angekündigt haben.
Merkel: „Wir werden, wo es gewünscht wird, lieber Günther Beckstein, die CSU unterstützen im Wahlkampf. Ich denke, gemeinsam sind wir stark.“
Der liebe Günther Beckstein lächelt süß-säuerlich. Strategietreffen der CSU- mit der CDU-Spitze in Erding. Es geht um Rückenwind für den Wahlkampf. Doch die große Schwester bringt keine Geschenke, sondern nur eine Abfuhr mit. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnt die CSU-Forderung nach Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer kühl ab.
Beckstein: „Wer meint, ich würde erwarten, dass ich in besonderer Weise Almosen der CDU bekomme, der täuscht sich völlig. Wir werden aus eigener Kraft gewinnen und nicht etwa durch eine mildtätige Unterstützung der CDU.“
Der Ministerpräsident ist sauer. Für die CSU wäre die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale ein Pfund gewesen, mit dem sie beim Wähler hätte wuchern können. Doch die Bundeskanzlerin, um ihre Haushaltskonsolidierung besorgt, lässt die Bayern KÜHL abblitzen. Und was tut Beckstein? Er schlüpft in die Rolle des bayerischen Löwen und brüllt. Auf Konfrontationskurs zur CDU zu gehen, kommt zuhause beim Wahlvolk immer gut an. Und seit das endlich mal offen ausgesprochen ist, wirkt Beckstein wie befreit; er kommt viel lockerer rüber: Das Rezept Bayern gegen Berlin funktioniert immer für den Bierzelt-Wahlkampf.
Huber: „Da werden wir auch keine Ruhe geben. Da sind ja alle dagegen, die SPD sowieso. Aber auch unsere Schwesterpartei CDU. Die wird bei Kindergeld und Kinderfreibetrag jetzt mitmachen. Da haben wir sie jetzt weichgeklopft. Aber bei der Pendlerpauschale noch nicht: Da brauchen wir ihre Unterstützung. Helfen Sie also mit, dass wir auch der CDU manchmal den Weg weisen. Ich glaube, dass unsere große Schwester auch gelegentlich den Rat der CSU braucht, den wir ihr gerne geben.“
Parteichef Erwin Huber ist es mit seinem 28-Milliarden-Euro-Steuersenkungsprogramm erstmals gelungen, ein eigenes Thema zu setzen. Mit dem Slogan „Mehr Netto für alle“ lässt sich in jedem Bierzelt wunderbar punkten. Lange hat der CSU-Chef gebraucht, um seine Rolle zu finden. Die Opposition überschüttert der Parteivorsitzende nur mit Spott.
Der SPD-Spitzenkandidat Franz Maget träumt davon, Ministerpräsident einer Viererkoalition aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wähler zu werden. Dabei dümpeln die Sozialdemokraten in den Umfragen bei mageren 20 Prozent herum. Und die Grünen haben der CSU mit einem Parteitagsbeschluss eine willkommene Steilvorlage geliefert: Sie fordern, alle Kreuze aus den Klassenzimmern zu verbannen; so was kommt nicht gut an in Bayern. Ziel der Opposition ist es, die absolute Mehrheit der CSU zu brechen. FDP und Freie Wähler aber bieten sich der Regierungspartei bereits als Juniorpartner an.
Huber: „Dass wir nicht mehr zulassen und wenn es sein muss auch öffentlich reagieren, wenn Äußerungen kommen, die nicht für die Partei und ihren klaren Kurs von Vorteil sind. Wir sind ja keine Chaostruppe wie die SPD.“
Es war im Frühjahr, als Erwin Huber die legendäre Geschlossenheit der CSU beschwören musste. Es hagelte damals Kritik am Führungstandem: Beckstein komme wie ein Landesopa rüber, maulten die Mitglieder der Landtagsfraktion. Auch Huber werde in Berlin nicht ernst genommen, und schlimmer noch, der CSU-Chef werde auf Bundesebene nicht gefürchtet. Und heute? Es erklingt kein Mucks mehr. Das wird bis zum Wahltag anhalten, glaubt Angela Böhm von der Abendzeitung.
Böhm: „Ich höre immer wieder, dass es natürlich das gleiche Gemotze und die Unzufriedenheit gibt wie zuvor. Aber die Drohung Seehofer hilft ganz viel in der CSU-Fraktion. Weil Seehofer ist zwar im Bund sehr beliebt und Seehofer ist Liebling der Basis, aber nicht Liebling der Fraktion.“
Wen Du Huber kritisiert, willst Du also Horst Seehofer als Parteivorsitzenden. Mit dieser Aussage konfrontierte CSU-Fraktionschef Georg Schmidt jeden einzelnen Kritiker und machte sie mundtot. Es funktioniert bis heute.
An den Mega-Gau am Wahlabend, glaubt die langjährige Beobachterin bayerischer Landespolitik nicht. Es wird spannend, es wird knapp werden für die CSU, ist sich Angela Böhm sicher. Weil aber so viele kleine Parteien zur Landtagswahl antreten, rechnet sie vor, wird die CSU die Regierungsmehrheit wohl nicht verlieren. Denn schon 48 Prozent könnten ihr reichen, um eine absolute Mehrheit der Landtagssitze zu bekommen.
Und wenn es doch schief gehen sollte? Planspiele für den Tag X gibt es sehr wohl. Becksteins Kronprinz, das ist in Bayern traditionell der Innenminister, also Joachim Herrmann, gilt als eher schwach.
Böhm: „Dann würde sich die CSU völlig neu aufbauen müssen. Joachim Herrmann wird sicher einer sein, der dann übernehmen möchte. Auch Seehofer wird versuchen, dann endlich ans Ziel zu kommen und die Partei zu übernehmen. Markus Söder muss man auf der Rechnung haben. Der wird sicherlich verlangen, jetzt der Schnitt und der große Generationenwechsel, also nicht auf die 50er, sondern gleich auf die 40er. Dann würde es in der CSU ziemlich rumsen.“
Dann, das sagen auch die Parteistrategen, wird es Söder probieren, und zwar mit voller Wucht. Und er weiß Edmund Stoiber hinter sich, dessen Wort nach wie vor Gewicht hat und dessen kurzer Draht zu Seehofer bekannt ist. Markus Söder hat sich verändert. Auch äußerlich: Mit neuer Frisur und Lesebrille kommt der einstige Haudrauf im Amt des bayerischen Europaministers geradezu soft rüber. Der 41jährige ist auffällig bemüht ist, sein rüpelhaftes Image als ehemaliger Generalsekretär loszuwerden.
Söder: „Man hat in der Position ja nur zwei Möglichkeiten: entweder ist man gefällig oder gefährlich. Man ist auch über das Ziel oft hinausgeschossen, das ist klar. Ich glaube aber, dass mit einer neuen Aufgabe, aber auch mit menschlichen Reifeprozessen auch ein anderer Arbeitsstil erforderlich war. Und ich bin eigentlich ganz dankbar zu zeigen, dass ich nicht nur das Harte kann, sondern dass es auch andere Seiten gibt. Und ganz ehrlich: letztes Jahr war mein 40 Geburtstag. Das ist noch ein ganz gutes Alter, sich ein Stück weiter zu entwickeln.“
Unumstritten ist sein politisches Talent; sein Gespür für Trends und Themen. Söder ragt aus der an Talenten nicht gerade reich gesegneten Nach-Stoiber-CSU heraus. Kürzlich löste er Beckstein an der Spitze CSU in Nürnberg ab. Ein wichtiger Schritt auf der Karriereleiter: Denn an den zehn mächtigen Bezirkschefs kommt in der Partei keiner vorbei.
Söder: „Es geht weniger um mich. Es geht um uns. Dass wir Rückenwind bekommen für den Günther. Wir wollen gerade in der Region ein überdurchschnittliches Ergebnis für ihn erzielen. Er ist der erste Nürnberger, der Ministerpräsident ist. Und deswegen kann an sich nur jeder anständige Nürnberger Günther Beckstein wählen. Und dafür werben wir, dass es klappt.“
Doch zweifellos steht auch Kalkül dahinter. Denn: übernimmt ein 50-Jähriger muss er fürchten, dass der sich auf Jahre hinaus am Stuhl des Ministerpräsidenten festkrallt. Bleibt Beckstein noch ein paar Jährchen im Amt, ist Söder seinem Ziel ganz nahe: nächster bayerischer Ministerpräsident zu werden.
Pauli: „Ich weiß nicht, was mir noch einfällt. Wir werden sehen.“
Sie ist wieder da: Gabriele Pauli Ehemals CSU-Rebellin, Ex-Landrätin aus Fürth. Sie tritt an als Kandidatin für die bayerische Landtagswahl. Gegen Günther Beckstein. In dessen Nürnberger Wahlkreis für die Freien Wähler. Keine Partei profitiert mehr von der Schwäche der CSU als die Freien Wähler, die landesweit rund 800 Bürgermeister stellen. Ihr Programm ist es, Stimmung gegen die CSU zu machen. Mit ihrer Prominenz passt Gabriele Pauli da perfekt ins Konzept.
Umfrage:
Mann: „Ich gehe davon aus, dass die Frau Pauli bei uns sicher eine gute Figur machen wird. Und ich gehe davon aus, dass wir mit der Frau Pauli sicher nach vorne kommen werden.“
Mann: „Stoiber absägen, oder wie man dazu sagt, das ist schon Hammer-mäßig. Sie traut sich was.“
Mann: „Ich habe damals schon gesagt, seid vorsichtig Leute: die Pauli ist gefährlich. Sie denkt nur an sich. Sie macht eine große Show.“
Mann: „Nee, nee, das war ein böser Finger, die Frau Pauli. Das Mädchen ist verbrannt, sie ist über das Ziel hinausgeschossen.“
Gabriele Pauli ist immer für Überraschungen gut. Sicher ist, sie wird den bayerischen Landtagswahlkampf bereichern. Und danach? Ein kleines Schmankerl gefällig? Stellen wir uns vor, die CSU müsste mit den Freien Wählern eine Koalition eingehen. Dann sitzt Gabriele Pauli als Ministerin am Kabinettstisch.