P wie Paris

    Von Gerald Felber · 13.05.2013
    Richard Wagner und Frankreich - das war öfter einer dramatische und nicht selten auch ziemlich unerquickliche Beziehung, konzentriert auf jene Metropole, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Art Musik-Welthauptstadt darstellte.
    Normas Schlussgesang, mit dem sie am Ende der ihr gewidmeten Oper Vincenzo Bellinis den Scheiterhaufen besteigt, ist vielleicht das Eindringlichste, Herzabschnürendste, was der Italiener zustande gebracht hat. Selbst Richard Wagner, der doch eigentlich allem welschem Gesangstand umstandslos den Todesstoß versetzen wollte, war von den Kantilenen Bellinis und speziell denen in der "Norma" beeindruckt. Als ihn Anfang der 1840er-Jahre seine halb Europa querende Flucht nach Paris brachte, begegnete er dem damals zehn Jahre alten Stück freilich in einer Weise, die kaum seinen Hoffnungen entsprochen haben dürfte: als Arrangeur nämlich, der mit solchen Brotarbeiten die magere und durch seine eigenen verwöhnten Ansprüche zusätzlich strapazierte Hauskasse flüssig halten musste.

    Eigentlich träumte er ja vom großen Durchbruch auf der Bühne der Grand Opéra, und der jüdische Export-Preuße Giacomo Meyerbeer, unumschränkter Herrscher ebendort, sollte dem sächsischen Pumpgenie dabei helfen. Das peinliche Geschleime seiner einschlägigen Bettelbriefe wurde auch von Wagner selbst erst Jahrzehnte später in der Korrespondenz mit Ludwig II. getoppt – und dass es dennoch zu keinem konkreten Resultat führte, dürfte nicht nur seinem Judenhass, sondern auch seiner Abneigung gegen Paris kräftig Futter gegeben haben. Beleidigtsein eines Unverstandenen: Hatte er doch mit seinem "Rienzi" alles geliefert, was die Große Oper nur verlangen konnte – einschließlich spektakulär mitreißender Massenszenen:

    Wagner und Paris: Das blieb auch in seiner weiteren Biografie eine Beziehung voller Pleiten, Pech und Pannen. Sei es, dass er auf seiner nächsten, post-revolutionären Flucht 1849 erleben musste, wie der immer noch gleiche Meyerbeer mit seinem "Propheten" den nächsten, ihm von Richard herzlich missgönnten Riesentriumph feierte; sei es mit jener legendären Pleite, die er, als es ihm 1861 endlich gelungen war, auf der Bühne der "Grand Opéra" zu laden, mit seinem eigenem "Tannhäuser" erlitt. Vielleicht hat er, als er wieder Jahre später am Ende seiner "Ring"-Tetralogie die Götterburg Walhall abfackeln ließ, damit auch seinem Hass auf alles Festgefügte und prunkend Etablierte noch einmal Raum gegeben – und stellte dieses züngelnde Schluss-Tableau gleichzeitig in eine ganz eigene Verbindungslinie, die mit Normas Scheiterhaufen begann und den in Flammen untergehenden Propheten Meyerbeers ebenso einbezieht wie seinen eigenen, ähnlich zu Tode kommenden Rienzi.