"Osteoporosis"

Von Susanne Nessler |
In Deutschland leiden bis zu sechs Millionen Menschen an Knochenschwund. Die Ausstellung "Osteoporosis - A Photographic Vision by Oliviero Toscani" in Berlin dokumentiert das Leiden der Erkrankten und will für einen offenen Umgang mit der Krankheit werben.
Ein nackter Körper, drei Meter hoch, fotografiert in schwarz-weiß. Das Bild einer Krankheit. Osteoporose, Knochenschwund. Klaus, 57 Jahre alt blickt auf das Abbild seines Leiden.

" Wahnsinn - ich bin echt überwältigt … Also ich bereue nicht, das ich es gemacht habe, ganz ehrlich. "

Klaus ist einer der 24 Patienten, deren Ganzkörperportraits auf der Ausstellung Osteoporosis gezeigt werden. Auf dem riesigen Foto steht er kerzengerade. Seine Arme sind eng an den unverhüllten Körper gelehnt, so als wolle er sich selber halten. Sein Blick geht direkt in die Kamera, ernst und zugleich stolz.

" Die Aufnahmen sind ganz hervorragend. Es ist sagenhaft gut, sagenhaft schön. "

Der direkte Blick auf den Körper zeigt die Folgen der Krankheit Osteoporose für den Menschen. Verdrehte Hüften, eingefallene Schulter, der Buckel auf dem Rücken. Je älter die Personen sind, desto stärker verformt ist ihr Körper.
Die Bilder sind ehrlich und doch respektvoll.

" Die Personen haben wir von Deutschen Grünen Kreuz zusammengesucht. Und zwar habe ich Kontakt aufgenommen zu allen Osteoporosegesellschaften in denn Ländern einmal rund um den Globus, und habe mich bemüht, die Patienten so auszuwählen, dass sie alle Aspekte dieser Erkrankung repräsentieren. "

Barbara von Stackelberg, ist die Initiatorin des Projekts. Ihr Ziel ist ein offener Umgang mit der Krankheit. Hinsehen, weil es provoziert, wenn ein Menschen nackt und deformiert abgebildet ist. Fotos von Knochenbrüche und Muskelschmerzen als Mittel für eine bessere Früherkennung und Vorsorge.

" Wenn ich mir eine Person angucke die etwa das gleiche alter hat wie ich, dann schlüpfe ich automatisch in dessen Haut und kann fühlen, [..] wie das im Körper ist, wenn man Osteoporose hat, welche Einschränkungen das mit sich bringt und welche Schwierigkeiten … Krankheitsbild zu verhindern. "

Die Rechnung geht auf. Die Zuschauer sind berührt, einigen sind die nackten Tatsachen peinlich, nicht allen gefällt der Blick auf die Aktaufnahmen.

" Schrecklich - diese Änderung der Körperhaltung - furchtbar, ich find´s furchtbar wirklich, ich weiß auch nicht. "

Oliviero Toscani, der die Portraits gemacht hat, genießt die Reaktionen. Für den Fotografen, der durch umstrittene Aufnahmen von Aidspatienten in der Werbung bekannt wurde, zählt die Echtheit.

" Das sind keine Kunstaufnahmen, sagt er, das ist eine praktische Arbeit, die dem Betrachter etwas über die Krankheit Osteoporose erzählen soll. Ich bin nicht da, um schöne Bilder zu machen, das interessiert mich nicht. Das Leben ist stärker als der Mensch, also schaut her, so sieht das aus, guck euch die Körper an. Denn auch in der Tragödie ist Schönheit zu finden. "

So wie bei Isabelle: Sie blickt über die linke Schulter und lächelt dem Betrachter aus drei Meter Höhe an. Sie war gerade 25 Jahre alt, als sie erkrankte. Die Geburt ihres Kindes war der Auslöser. Drei Wirbel brachen, weil die Knochenmasse in der Schwangerschaft rapide zurückgegangen war. Heute ist sie wieder gesund. Und froh, dass sie sich vor die Kamera gestellt hat.

" Man hatte selber nicht das Gefühl, das der Blickpunkt auf dieser Nacktheit liegt, sondern auf der Krankheit und das fand ich gut. "

Zu den Bilder haben die Portraitierten ihre ganz persönliche Geschichte aufgeschrieben. Sie erzählen wie die Krankheit ihr Leben verändert hat, beschreiben das Glücksgefühl, nachdem sich ihr Zustand wieder gebessert hat. Eindrucksvolle und schockierende Berichte, die die Ausstellung ergänzen. Und deren Wahrheit, mit einem einzigen Blick auf die Fotos zu erkennen ist.


Service:

Die Ausstellung ist vom 19. Mai bis 12. Juni in Berlin täglich von 11 bis 21 Uhr im "Umspannwerk Humboldt", Kopenhagener Straße 57, Prenzlauer Berg zu sehen.