Ostelbische Güter und ihre Tradition
Zahlreiche Herrenhäuser und Gutsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern wurden nach dem Mauerfall den ehemaligen Besitzern nicht zurückgegeben. Dennoch sind etliche Nachkommen der enteigneten Familien zurückgekehrt, um den Besitz wieder zu übernehmen.
„Mein Name ist Marc von Polier und wir sind hier in Samow im Kreise Güstrow in Mecklenburg auf einem ehemaligen Gut.“
Der Ort Samow in Mecklenburg-Vorpommern besteht aus einer Straße, rechts und links Häuser für gerade einmal 70 Einwohner. Die Dorfstraße ist kaum mehr als die lange Zufahrt zum Herrenhaus, vor dessen Portal sie in einem Rondell endet.
„Das Gutshaus ist gebaut worden nach dem Dreißigjährigen Krieg und ist dann umgebaut worden, vor ungefähr 200 Jahren hat es seine heutige, rein klassizistische Form bekommen.“
Die Familie von Polier kann ihre Geschichte, zumindest in ihrem französischen Zweig, bis ins Jahr 1210 zurückverfolgen. In der deutschen Verwandtschaft taucht irgendwo sogar Heinrich der Löwe auf. Ihren Sitz in Samow musste die Familie verlassen, als sich Anfang 1945 die Rote Armee näherte. Marc von Polier war zehn Jahre alt, als sein Vater die mobilen Güter zusammenraffte und sich auf den Treck Richtung Westen machte. Der Treck blieb bei Wismar liegen, der Traktor, ein Lanz Bulldog, spielte eine wichtige Rolle.
„Er wollte nach uns sehen und sehen, ob wir schon weg waren, hat sich davon überzeugt und hat dann seine Maschine nicht wieder angekriegt, er fuhr mit einem Bulldog mit vielen Anhängern und da war der Diesel aus Sabotagegründen mit Wasser vermischt und dann blieb der ganze Salat da liegen und sie sind zu Fuß weitergelaufen.“
Marc von Polier ist groß und schlank, trägt Hornbrille und welliges Haar, das er mit beiden Händen am Scheitel auseinander streicht. Zwei Labrador-Hunde sind immer an seiner Seite und so macht er ziemlich klischeegetreu den Eindruck eines Landedelmanns auf seinen Gütern.
„Hier haben die Enteignungen stattgefunden im September 1945 im Rahmen der Ausrottung der besitzenden Bürgerklasse. Herr Ulbricht hatte dekretiert – das Zitat kriege ich vielleicht nicht ganz genau hin, aber dem Sinne nach – das besitzende Bürgertum muss ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel wie Unkraut im Garten, um das Saatbeet freizumachen für die Saat des sozialistischen Paradieses. Das war’s.“
Marc von Polier ging ins Ausland, zwei Jahre Brasilien und 30 Jahre Frankreich, wo er Geschäftsführer einer Firma für Feuerlöschsysteme war, in besten Zeiten mit 700 Mitarbeitern. Er weiß, wie man ein Unternehmen führt und Projekte durchzieht.
„Ich bin hier zurückgekehrt, weil ich hier zuhause bin. Das hat mich einige Monate Überlegen gekostet, und dann habe ich mich entschlossen, wieder nach Hause zu ziehen, im festen Vertrauen auf Herrn Kohl. Mit meinem Optimismus habe ich mir gedacht, der dicke Kohl wird schon richten, dass wir unseren Besitz wiederkriegen, und nichts hat er gemacht.“
Helmut Kohl hatte angeblich mit den Sowjets vereinbart, dass in der Zeit der DDR-Bodenreform enteignete Güter nicht rückerstattet werden. Diese Behauptung ist umstritten, der sowjetische Verhandlungspartner Michael Gorbatschow bestreitet, dass es eine solche Vereinbarung gegeben habe. Die Rechtslage als solche ist aber unverrückbar.
„Und übrig geblieben ist eine große Verbitterung, darüber, dass jahrzehntelang gepredigt wurde, das kommunistische Unrecht wird eines Tages wieder gutgemacht werden und nichts ist wieder gutgemacht worden, wir dürfen hier jeden Quadratmeter zurückkaufen, wenn wir ihn haben wollen.“
Im ehemaligen Gutshaus waren in den Zeiten der DDR verschiedene kommunale Einrichtungen des kleinen Ortes Samow untergebracht: der Konsum, der Kindergarten, die Bücherstube, ein Versammlungsraum, das Büro der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft LPG, die LPG-Küche und ein Ruheraum für die LPG-Köchin. Marc von Polier entschloss sich, zurückzukehren. Er wickelte seine Arbeit in Frankreich ab und kehrte heim.
„Die Leute waren neugierig, sie waren froh über die Wiedervereinigung, oder über die anstehende Wiedervereinigung, denn wie ich das erste Mal kam, da hatte sie noch gar nicht stattgefunden, das war noch in Verhandlungen. Hier sah es grässlich aus, kann ich nur sagen, sah aus wie ein Mülleimer, das Ganze.“
Das Gebäude selbst war auf Verschleiß gefahren worden, das Dach war undicht, Investitionen seit Jahrzehnten ausgeblieben. Marc von Polier hat sein Haus zurückgekauft, Müll aufgeschichtet und entsorgt und das Haus nach und nach renoviert.
„Ich hab mir gesagt, nun hast du das Haus, und was machst du nun damit, und dann hab ich mir gesagt, ich mache Wohnungen für Touristen und das hab ich gemacht. Ich hab heute acht Wohnungen mit 30 Betten, die ich vermiete, und davon kann das Haus leben.“
Ein wenig Landwirtschaft gibt es auch, ein Jagdrevier, fast so wie es früher war. Das Gutshaus im klassizistischen Stil braucht ein Geschäft, von dem es leben kann. Das ist der Tourismus. Jeder Kaufmann rechnet damit, dass sich die Investitionen, die er eingetragen hat, irgendwann einmal rechnen und in Gewinne umschlagen. Auf die Frage, wie lange es seiner Meinung nach dauern wird, bis dieser wirtschaftliche Durchbruch erreicht sein wird, zuckt von Polier mit den Schultern:
„Das kann man gar nicht sagen. Das interessiert mich auch gar nicht im Einzelnen, es ist mein Haus, und ich bin hier zuhause, und ich halte mich nicht damit auf, genaue Berechnungen anzustellen, in welcher Zeit sich das rentiert. Es genügt mir, dass es funktioniert.“
„Als nachfolgende Generation für mich gab es Quitzin per Foto und über Erzählungen. Und der Gedanke herzukommen wuchs dadurch, dass wir neugierig waren, als nachfolgende Generation, wie gesagt.“
Mecklenburg-Vorpommern ist ein flaches Land, durchzogen von schnellen Autobahnen und vielen wunderbar romantischen Alleen, wo die Bäume sich in der Höhe zusammenschließen und zu Galerien wölben. Der Flecken Quitzin ist so klein, dass das Navigationsgerät nur Ortsnamen und Hausnummer braucht, nach Straßen fragt es gar nicht erst.
„Und der eigentliche Anlass war, dass der örtliche Bürgermeister uns als Alteigentümerfamilie das Haus angeboten hat. Er hatte Sorge, das abreißen zu müssen. Er hatte sich Kostenvoranschläge machen lassen, die irrsinnig teuer waren und suchte jemanden, der – wie soll ich sagen – verrückt genug ist, so was anzufassen. Wir waren nicht gleich so verrückt, aber das war überhaupt der Anlass, dass man das Haus der Familie, das war das einzige, was überhaupt noch stand, wieder anfassen könnte und vielleicht ein Zuhause neu aufbauen für die Familie.“
Burghard Rübke von Veltheim ist ein beleibter Mann, die vollen Künstlerhaare grau, Falten um die Augen. Von Veltheim hatte einen ordentlichen Beruf, den eines evangelischen Pastors in Schleswig-Holstein, als ihn der Ruf des Gemeinderates erreichte. Da der Alteigentümer billiger kam als die Abrissbirne, stand das barocke Jagdschloss Quitzin mit siebem ha Park plötzlich wieder der Familie zur Verfügung. von Veltheim und seine Frau hatten – ein Glück für das alte Haus – beides: den nötigen Tatendrang und die nötige Ahnungslosigkeit, um sich auf das Abenteuer einzulassen.
„Wir hatten damals einen Kredit als junges Pastorenehepaar über 10.000 Mark für unseren ersten Passat Kombi, den ich brauchte als Pastor, das war das nicht vorhandene Eigenkapital, wir haben weder Geld von einer älteren Generation bekommen, noch hatten wir ein Haus oder irgendwelche Rücklagen, wir hatten gar nichts, …“
Und es wurde auch nicht mehr: von Veltheims Arbeitgeber, die evangelische Kirche, wollte ihn nicht beurlauben, weil er Angst hatte, am Ende eines gescheiterten Experiments womöglich einen verschuldeten Pastor zurückzubekommen. Von Veltheim musste seinen Dienst quittieren. Und einen neuen Beruf erlernen: Landwirt. In öffentlichen Versammlungen hatten die Dorfbewohner den Wunsch geäußert, die Alteigentümer möchten zurückkommen, von Veltheims konnten sich also der Unterstützung der kleinen Gemeinde sicher sein.
„Es war so, dass keiner in dieses Haus reinziehen wollte, das von der Zivilverteidigung genutzt wurde und wir hörten dann solche Aussagen wie: Kinder, da könnte ihr doch nicht reingehen, da sind ja mehr Ratten wie alles andere und das würden wir auf keinen Fall machen, ihr könnt nicht heizen, also wir kriegten Care-Pakete. Wir kriegten Decken tatsächlich aus dem Dorf geschenkt, damit’s warm genug ist, also man hatte Mitleid mit der Situation.“
Die Eigentumsverhältnisse bildeten auch hier das große Problem. Auf eine eigene Weise. Vermutlich hatte hier nicht erst der sozialistische Staat enteignet, sondern vorher schon der NS-Staat. Es gibt die anerkannten Opfergruppen wie die der Juden oder Sinti und Roma. Es gibt aber auch die individuelle Verfolgung der politisch Verhassten.
„Ein solcher Fall existiert bei meinen Großeltern. Sie wurden von Berlin aufgrund einer Verhaftung meines Großvaters und der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche, damals der quasi Widerstandsbewegung der evangelischen Kirche, wenn man das so nennen will .... er wurde 36 verhaftet und aufgrund dieser Verhaftung wurde er zum Staatsfeind erklärt ... Es ist dann schließlich Quitzin, wo wir heute leben, ist im März 1944 vom Landrat beschlagnahmt worden und genutzt worden letztlich zur Wehrertüchtigung von einer SS-Einheit.“
Die Rechtslage ist noch umstritten, Prozesse sind anhängig. Der Staat pocht auf sein Eigentum, egal, wie obskur die Umstände sind, unter denen er in den Besitz der Güter kam. Dass er damit das Signal gibt, die Verfolgten des NS-Regime hätten ihre Verluste eben selbst zu tragen, macht von Veltheim bitter. Der Pastor lernte die Landwirtschaft, lernte mit wenig Geld zu jonglieren und lernte die Skulpturen im Park selbst zu gießen – und dazu noch diverse andere Berufe, von denen er früher nicht einmal geträumt hatte. Nebenbei war er noch als Seelsorger in einer verwaisten Gemeinde tätig und als Bürgermeister des Ortes. In einer Nebenbemerkung sagt er einmal, die Jahre hier würden eins zu vier zählen: Ein Jahr im Osten gleich vier Jahre im Westen. Die Erklärung dazu:
„Es ist eine erhebliche Kraftanstrengung. Die Anstrengung ist erstens deswegen so groß, weil man ja selber in ein komplett neues Umfeld kommt. Es ist ein ganz anderer gesellschaftlicher Hintergrund, der letztlich ja verankert ist bei den Menschen, ich bin nicht in einem Kollektiv aufgewachsen oder dem Kollektiv verpflichtet, wie das hier der Fall ist, wir sind doch sehr als Individualisten aufgewachsen im Westen, das ist ein wesentlicher Punkt, wir haben einfach andere Sprachen gesprochen.“
Alles war hart, nicht alles ist glatt gegangen. Die Familie mit vier Kindern hat sich etabliert, das Jagdschloss verdient sich sein Geld durch Landwirtschaft und Tourismus, für den Park müssen die historischen Pläne erst noch wiederentdeckt und umgesetzt werden. Erfahrungen nach 20 Jahren:
„Das ist sehr anstrengend gewesen, und es gab dann sicherlich zunehmend auch Menschen in Behörden, die sich dann schwer taten, mit dem Anrollen der Welle von –ich sage mal – Gewinnlern, die hier auftauchten, die sich dann schwer taten, neutral zu bleiben, und dann wurde man in einen Topf hineingeworfen eventuell mit solchen Menschen, die nichts anderes im Sinn hatten als ihr Portemonnaie zu füllen auf Kosten Dritter und das war ein großes Problem, mit dem wir zu kämpfen hatten, lange.“
Mit 70 Prozent der Stimmen ist Burghard Rübke von Veltheim bei der letzten Bürgermeisterwahl wiedergewählt worden – ein fast sozialistisches Wahlergebnis, diesmal ungefälscht.
Der Ort Stolpe fällt auf keiner Straßenkarte auf, urbane Zentren haben andere Maße. Also wird das Navigationsgerät neu programmiert, es geht nach Osten, nach Vorpommern. Der Ort findet geschichtliche Erwähnung, weil hier im Jahr 1136 der Herzog Wartislaw I., der zum Christentum übergetreten war, von einem heidnischen Standesgenossen erschlagen wurde. In der Folge wurde dem Toten eine Kirche errichtet, dann entstand hier, am Übergang der Peene, das erste Benediktinerkloster in Vorpommern.
„Meine Eltern waren hier die Gutsbesitzer und haben das Gut bis 45 bewirtschaftet, bis die Russen kamen, wir sind dann, ... am 9. April hier aufgebrochen in Richtung Hamburg, weil dort die Familie meines Vater war und herkommt.“
Kurt Stürken ist in den 70ern. Mit seinen hochgebürsteten Haaren und den grauen Anzug könnte er in amerikanischen Fernsehserien auftreten als der Mann, der mit viel Geld umgeht.
„Und damit war dann Stolpe erst mal 45 Jahre erledigt.“
Die unsentimentale Bilanz eines Biographiebruchs – Flucht und Vertreibung. Kurt Stürken blieb in Hamburg, das heute etwa eine Stunde Fahrzeit von Stolpe entfernt liegt. Dort führt er den Leuchtturm Albenverlag, der weltweit mit Briefmarkenalben und Münzsammlerzubehör handelt. Nach der Wende suchte Stürken auf langen Touren durch den Osten eine Möglichkeit, Geld zu investieren. Das heimatliche Gut hatte er noch bis in die Gebäudedetails in Erinnerung, aber die Erinnerung ist eine Sache und das kaufmännische Investment eine andere.
„Ursprünglich wollte ich auch nicht so weit weg von Hamburg sein, aber man kommt da immer hin zurück, wo man eigentlich herkommt. Und da ich, wie gesagt, hier Erinnerungen hatte, mit zehn Jahren hat man das, und ich eben auch alles wieder kannte und nach der Wende auch mit den hier Verbliebenen ehemaligen Mitarbeitern dann wieder sofort Kontakt aufgenommen habe und insofern waren da auch richtige Bindungen da.“
Nicht nur das Investment, auch die Emotionen spielen eine Rolle bei der Entscheidungsfindung – und auch der Wunsch, diesen Familienbesitz aus dem Jahre 1803 wieder zum – vielleicht auch nur ideellen Mittelpunkt einer Familie zu machen.
„Ich hatte von Anfang an sehr enge Kontakte mit der Bürgermeisterin des Ortes und bin sehr, sehr bestärkt worden, dass wir hier etwas machen. und ich wurde sehr, man kann fast sagen gedrängt, dass ich das nun mache, ...“
Auf einem ausgedehnten Areal, am Ende einer langen Auffahrt, liegt das Fünf-Sterne-Hotel. Gelb gestrichen die Fassade, weiß lackiert das klassizistische Giebelportal. 33 Zimmer und Suiten hat das Haus, mit Antiquitäten möbliert, keines wie das andere. Die weite Fläche, das edle Ambiente, die inszenierte Ruhe – das Haus bietet Unterkommen im Luxussegment.
„Gute Küche, das ist ganz wichtig. Wir haben von Anfang an haben wir immer Köche gehabt in Stolpe, die den begehrten Michelin-Stern bekommen haben, und jeder der hier gekocht hat, hat dann auch nach einem Jahr diesen Michelin-Stern bekommen.“
Manche der rückgekehrten Alteigentümer berichten von kleinen Nickeligkeiten, von behördlichen Querschlägen, die zeigen, dass der Osten seine Ressentiments gegen den Klassenfeind nicht kampflos aufgegeben hat. Das gilt es im Kopf zu behalten, während der Blick auf dem Navigationsgerät ruht. Die Grafik zeigt eine grüne Fläche und darauf ein endlos langes braunes Band, die Straße. Keine Abzweigungen, keine Orte, rundherum nur Nichts. Nach der Grafik könnte hier die Wüste Gobi sein oder eben Vorpommern, der Weg zum Rittergut Bömitz.
„Der Nachname Flierl: Mein Mann kommt aus dem Fränkischen, aus dem Würzburger Raum, und das ist er etwas verbreiteter.“
Eine nicht zu lange, baumbestandene Auffahrt, ein kleines zweigeschossiges Gutshaus, Gemütlichkeit als Architekturprinzip. Bömitz liegt kurz vor der Insel Usedom, von Berlin und Hamburg jeweils zwei bis zweieinhalb Stunden entfernt. Nicola Flierl hat ihren Würzburger Mann Lorenz im Saarland kennengelernt. Dort hat sie lange Zeit ein Hotel geleitet.
„Und als wir überlegt haben, ein eigenes, war uns die Gegend in Deutschland eigentlich egal und wir haben eine Anzeige aufgegeben und sind deutschlandweit abgefahren von Bayern nach Hamburg und standen am 1. Oktober 2005 in der Einfahrt im Rittergut Bömitz und es war Liebe auf den ersten Blick.“
Das Rittergut wurde 1751 errichtet, 1994 wurde es zu einem Hotel umgebaut, später musste es aus privaten Gründen aufgegeben werden. Die Flierls bekamen ihre Chance.
„Unser Anspruch war – das Rittergut Bömitz war immer ein Gutshaus, und es war immer ein Gutsbetrieb, und das ist eigentlich unser Bestreben, wir möchten diesen Gutscharakter wieder herbringen. Und wir haben mit Frau Büttner eine wunderbare Küchenchefin, die auch ihre Sporen verdient hat, beim Kolja Kleeberg gelernt, gewinnen können, auch den Spaß zu haben, die Kräuter aus dem eigenen Garten zu holen, Holunderblüten zu sammeln, Sirups selber anzusetzen, sie macht ihr Eis selber, wir haben einen Walnussbaum, wir machen unser Walnussbrot selber.“
Das Kerngeschäft des Hotels sind Kurzurlauber aus den Metropolen und von Mai bis Oktober Hochzeitsfeiern. Das Gutshaus hat eine eigene Außenstelle des Standesamtes, ein großen Saal zum Feiern und schwere Glocken im Park, um das Fest angemessen geräuschvoll einzuläuten. Bömitz ist ein Flecken mit 96 Einwohnern, was immer auf dem Gutshof passiert, ist Ortsgespräch.
„Wir sind so herzlich hier aufgenommen worden. Man sagt immer, die Pommern sind so stur, mögen sie in vielen Bereichen auch sein, aber die Bömitzer haben uns wirklich herzlich aufgenommen und ganz im Gegenteil, sie waren, froh es geht weiter. Hier passiert was, es wird jetzt nicht geschlossen, sondern wir bilden mittlerweile auch aus, also wir geben jungen Leuten eine Chance, und da nehmen die Nachbarn doch schon sehr Anteil dran.“
Bömitz, am Ende unserer Tour, ist der ganz normale Kauf, die ganz normale Marktwirtschaft. Hier sind die Emotionen sind nicht rück-, sondern vorwärts gerichtet auf die berufliche und persönliche Zukunft. Und nur auf die Zukunft. Und, Frau Flierl, würden Sie das Wagnis noch einmal eingehen?
„Absolut, absolut, sofort wieder.“
Der Ort Samow in Mecklenburg-Vorpommern besteht aus einer Straße, rechts und links Häuser für gerade einmal 70 Einwohner. Die Dorfstraße ist kaum mehr als die lange Zufahrt zum Herrenhaus, vor dessen Portal sie in einem Rondell endet.
„Das Gutshaus ist gebaut worden nach dem Dreißigjährigen Krieg und ist dann umgebaut worden, vor ungefähr 200 Jahren hat es seine heutige, rein klassizistische Form bekommen.“
Die Familie von Polier kann ihre Geschichte, zumindest in ihrem französischen Zweig, bis ins Jahr 1210 zurückverfolgen. In der deutschen Verwandtschaft taucht irgendwo sogar Heinrich der Löwe auf. Ihren Sitz in Samow musste die Familie verlassen, als sich Anfang 1945 die Rote Armee näherte. Marc von Polier war zehn Jahre alt, als sein Vater die mobilen Güter zusammenraffte und sich auf den Treck Richtung Westen machte. Der Treck blieb bei Wismar liegen, der Traktor, ein Lanz Bulldog, spielte eine wichtige Rolle.
„Er wollte nach uns sehen und sehen, ob wir schon weg waren, hat sich davon überzeugt und hat dann seine Maschine nicht wieder angekriegt, er fuhr mit einem Bulldog mit vielen Anhängern und da war der Diesel aus Sabotagegründen mit Wasser vermischt und dann blieb der ganze Salat da liegen und sie sind zu Fuß weitergelaufen.“
Marc von Polier ist groß und schlank, trägt Hornbrille und welliges Haar, das er mit beiden Händen am Scheitel auseinander streicht. Zwei Labrador-Hunde sind immer an seiner Seite und so macht er ziemlich klischeegetreu den Eindruck eines Landedelmanns auf seinen Gütern.
„Hier haben die Enteignungen stattgefunden im September 1945 im Rahmen der Ausrottung der besitzenden Bürgerklasse. Herr Ulbricht hatte dekretiert – das Zitat kriege ich vielleicht nicht ganz genau hin, aber dem Sinne nach – das besitzende Bürgertum muss ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel wie Unkraut im Garten, um das Saatbeet freizumachen für die Saat des sozialistischen Paradieses. Das war’s.“
Marc von Polier ging ins Ausland, zwei Jahre Brasilien und 30 Jahre Frankreich, wo er Geschäftsführer einer Firma für Feuerlöschsysteme war, in besten Zeiten mit 700 Mitarbeitern. Er weiß, wie man ein Unternehmen führt und Projekte durchzieht.
„Ich bin hier zurückgekehrt, weil ich hier zuhause bin. Das hat mich einige Monate Überlegen gekostet, und dann habe ich mich entschlossen, wieder nach Hause zu ziehen, im festen Vertrauen auf Herrn Kohl. Mit meinem Optimismus habe ich mir gedacht, der dicke Kohl wird schon richten, dass wir unseren Besitz wiederkriegen, und nichts hat er gemacht.“
Helmut Kohl hatte angeblich mit den Sowjets vereinbart, dass in der Zeit der DDR-Bodenreform enteignete Güter nicht rückerstattet werden. Diese Behauptung ist umstritten, der sowjetische Verhandlungspartner Michael Gorbatschow bestreitet, dass es eine solche Vereinbarung gegeben habe. Die Rechtslage als solche ist aber unverrückbar.
„Und übrig geblieben ist eine große Verbitterung, darüber, dass jahrzehntelang gepredigt wurde, das kommunistische Unrecht wird eines Tages wieder gutgemacht werden und nichts ist wieder gutgemacht worden, wir dürfen hier jeden Quadratmeter zurückkaufen, wenn wir ihn haben wollen.“
Im ehemaligen Gutshaus waren in den Zeiten der DDR verschiedene kommunale Einrichtungen des kleinen Ortes Samow untergebracht: der Konsum, der Kindergarten, die Bücherstube, ein Versammlungsraum, das Büro der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft LPG, die LPG-Küche und ein Ruheraum für die LPG-Köchin. Marc von Polier entschloss sich, zurückzukehren. Er wickelte seine Arbeit in Frankreich ab und kehrte heim.
„Die Leute waren neugierig, sie waren froh über die Wiedervereinigung, oder über die anstehende Wiedervereinigung, denn wie ich das erste Mal kam, da hatte sie noch gar nicht stattgefunden, das war noch in Verhandlungen. Hier sah es grässlich aus, kann ich nur sagen, sah aus wie ein Mülleimer, das Ganze.“
Das Gebäude selbst war auf Verschleiß gefahren worden, das Dach war undicht, Investitionen seit Jahrzehnten ausgeblieben. Marc von Polier hat sein Haus zurückgekauft, Müll aufgeschichtet und entsorgt und das Haus nach und nach renoviert.
„Ich hab mir gesagt, nun hast du das Haus, und was machst du nun damit, und dann hab ich mir gesagt, ich mache Wohnungen für Touristen und das hab ich gemacht. Ich hab heute acht Wohnungen mit 30 Betten, die ich vermiete, und davon kann das Haus leben.“
Ein wenig Landwirtschaft gibt es auch, ein Jagdrevier, fast so wie es früher war. Das Gutshaus im klassizistischen Stil braucht ein Geschäft, von dem es leben kann. Das ist der Tourismus. Jeder Kaufmann rechnet damit, dass sich die Investitionen, die er eingetragen hat, irgendwann einmal rechnen und in Gewinne umschlagen. Auf die Frage, wie lange es seiner Meinung nach dauern wird, bis dieser wirtschaftliche Durchbruch erreicht sein wird, zuckt von Polier mit den Schultern:
„Das kann man gar nicht sagen. Das interessiert mich auch gar nicht im Einzelnen, es ist mein Haus, und ich bin hier zuhause, und ich halte mich nicht damit auf, genaue Berechnungen anzustellen, in welcher Zeit sich das rentiert. Es genügt mir, dass es funktioniert.“
„Als nachfolgende Generation für mich gab es Quitzin per Foto und über Erzählungen. Und der Gedanke herzukommen wuchs dadurch, dass wir neugierig waren, als nachfolgende Generation, wie gesagt.“
Mecklenburg-Vorpommern ist ein flaches Land, durchzogen von schnellen Autobahnen und vielen wunderbar romantischen Alleen, wo die Bäume sich in der Höhe zusammenschließen und zu Galerien wölben. Der Flecken Quitzin ist so klein, dass das Navigationsgerät nur Ortsnamen und Hausnummer braucht, nach Straßen fragt es gar nicht erst.
„Und der eigentliche Anlass war, dass der örtliche Bürgermeister uns als Alteigentümerfamilie das Haus angeboten hat. Er hatte Sorge, das abreißen zu müssen. Er hatte sich Kostenvoranschläge machen lassen, die irrsinnig teuer waren und suchte jemanden, der – wie soll ich sagen – verrückt genug ist, so was anzufassen. Wir waren nicht gleich so verrückt, aber das war überhaupt der Anlass, dass man das Haus der Familie, das war das einzige, was überhaupt noch stand, wieder anfassen könnte und vielleicht ein Zuhause neu aufbauen für die Familie.“
Burghard Rübke von Veltheim ist ein beleibter Mann, die vollen Künstlerhaare grau, Falten um die Augen. Von Veltheim hatte einen ordentlichen Beruf, den eines evangelischen Pastors in Schleswig-Holstein, als ihn der Ruf des Gemeinderates erreichte. Da der Alteigentümer billiger kam als die Abrissbirne, stand das barocke Jagdschloss Quitzin mit siebem ha Park plötzlich wieder der Familie zur Verfügung. von Veltheim und seine Frau hatten – ein Glück für das alte Haus – beides: den nötigen Tatendrang und die nötige Ahnungslosigkeit, um sich auf das Abenteuer einzulassen.
„Wir hatten damals einen Kredit als junges Pastorenehepaar über 10.000 Mark für unseren ersten Passat Kombi, den ich brauchte als Pastor, das war das nicht vorhandene Eigenkapital, wir haben weder Geld von einer älteren Generation bekommen, noch hatten wir ein Haus oder irgendwelche Rücklagen, wir hatten gar nichts, …“
Und es wurde auch nicht mehr: von Veltheims Arbeitgeber, die evangelische Kirche, wollte ihn nicht beurlauben, weil er Angst hatte, am Ende eines gescheiterten Experiments womöglich einen verschuldeten Pastor zurückzubekommen. Von Veltheim musste seinen Dienst quittieren. Und einen neuen Beruf erlernen: Landwirt. In öffentlichen Versammlungen hatten die Dorfbewohner den Wunsch geäußert, die Alteigentümer möchten zurückkommen, von Veltheims konnten sich also der Unterstützung der kleinen Gemeinde sicher sein.
„Es war so, dass keiner in dieses Haus reinziehen wollte, das von der Zivilverteidigung genutzt wurde und wir hörten dann solche Aussagen wie: Kinder, da könnte ihr doch nicht reingehen, da sind ja mehr Ratten wie alles andere und das würden wir auf keinen Fall machen, ihr könnt nicht heizen, also wir kriegten Care-Pakete. Wir kriegten Decken tatsächlich aus dem Dorf geschenkt, damit’s warm genug ist, also man hatte Mitleid mit der Situation.“
Die Eigentumsverhältnisse bildeten auch hier das große Problem. Auf eine eigene Weise. Vermutlich hatte hier nicht erst der sozialistische Staat enteignet, sondern vorher schon der NS-Staat. Es gibt die anerkannten Opfergruppen wie die der Juden oder Sinti und Roma. Es gibt aber auch die individuelle Verfolgung der politisch Verhassten.
„Ein solcher Fall existiert bei meinen Großeltern. Sie wurden von Berlin aufgrund einer Verhaftung meines Großvaters und der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche, damals der quasi Widerstandsbewegung der evangelischen Kirche, wenn man das so nennen will .... er wurde 36 verhaftet und aufgrund dieser Verhaftung wurde er zum Staatsfeind erklärt ... Es ist dann schließlich Quitzin, wo wir heute leben, ist im März 1944 vom Landrat beschlagnahmt worden und genutzt worden letztlich zur Wehrertüchtigung von einer SS-Einheit.“
Die Rechtslage ist noch umstritten, Prozesse sind anhängig. Der Staat pocht auf sein Eigentum, egal, wie obskur die Umstände sind, unter denen er in den Besitz der Güter kam. Dass er damit das Signal gibt, die Verfolgten des NS-Regime hätten ihre Verluste eben selbst zu tragen, macht von Veltheim bitter. Der Pastor lernte die Landwirtschaft, lernte mit wenig Geld zu jonglieren und lernte die Skulpturen im Park selbst zu gießen – und dazu noch diverse andere Berufe, von denen er früher nicht einmal geträumt hatte. Nebenbei war er noch als Seelsorger in einer verwaisten Gemeinde tätig und als Bürgermeister des Ortes. In einer Nebenbemerkung sagt er einmal, die Jahre hier würden eins zu vier zählen: Ein Jahr im Osten gleich vier Jahre im Westen. Die Erklärung dazu:
„Es ist eine erhebliche Kraftanstrengung. Die Anstrengung ist erstens deswegen so groß, weil man ja selber in ein komplett neues Umfeld kommt. Es ist ein ganz anderer gesellschaftlicher Hintergrund, der letztlich ja verankert ist bei den Menschen, ich bin nicht in einem Kollektiv aufgewachsen oder dem Kollektiv verpflichtet, wie das hier der Fall ist, wir sind doch sehr als Individualisten aufgewachsen im Westen, das ist ein wesentlicher Punkt, wir haben einfach andere Sprachen gesprochen.“
Alles war hart, nicht alles ist glatt gegangen. Die Familie mit vier Kindern hat sich etabliert, das Jagdschloss verdient sich sein Geld durch Landwirtschaft und Tourismus, für den Park müssen die historischen Pläne erst noch wiederentdeckt und umgesetzt werden. Erfahrungen nach 20 Jahren:
„Das ist sehr anstrengend gewesen, und es gab dann sicherlich zunehmend auch Menschen in Behörden, die sich dann schwer taten, mit dem Anrollen der Welle von –ich sage mal – Gewinnlern, die hier auftauchten, die sich dann schwer taten, neutral zu bleiben, und dann wurde man in einen Topf hineingeworfen eventuell mit solchen Menschen, die nichts anderes im Sinn hatten als ihr Portemonnaie zu füllen auf Kosten Dritter und das war ein großes Problem, mit dem wir zu kämpfen hatten, lange.“
Mit 70 Prozent der Stimmen ist Burghard Rübke von Veltheim bei der letzten Bürgermeisterwahl wiedergewählt worden – ein fast sozialistisches Wahlergebnis, diesmal ungefälscht.
Der Ort Stolpe fällt auf keiner Straßenkarte auf, urbane Zentren haben andere Maße. Also wird das Navigationsgerät neu programmiert, es geht nach Osten, nach Vorpommern. Der Ort findet geschichtliche Erwähnung, weil hier im Jahr 1136 der Herzog Wartislaw I., der zum Christentum übergetreten war, von einem heidnischen Standesgenossen erschlagen wurde. In der Folge wurde dem Toten eine Kirche errichtet, dann entstand hier, am Übergang der Peene, das erste Benediktinerkloster in Vorpommern.
„Meine Eltern waren hier die Gutsbesitzer und haben das Gut bis 45 bewirtschaftet, bis die Russen kamen, wir sind dann, ... am 9. April hier aufgebrochen in Richtung Hamburg, weil dort die Familie meines Vater war und herkommt.“
Kurt Stürken ist in den 70ern. Mit seinen hochgebürsteten Haaren und den grauen Anzug könnte er in amerikanischen Fernsehserien auftreten als der Mann, der mit viel Geld umgeht.
„Und damit war dann Stolpe erst mal 45 Jahre erledigt.“
Die unsentimentale Bilanz eines Biographiebruchs – Flucht und Vertreibung. Kurt Stürken blieb in Hamburg, das heute etwa eine Stunde Fahrzeit von Stolpe entfernt liegt. Dort führt er den Leuchtturm Albenverlag, der weltweit mit Briefmarkenalben und Münzsammlerzubehör handelt. Nach der Wende suchte Stürken auf langen Touren durch den Osten eine Möglichkeit, Geld zu investieren. Das heimatliche Gut hatte er noch bis in die Gebäudedetails in Erinnerung, aber die Erinnerung ist eine Sache und das kaufmännische Investment eine andere.
„Ursprünglich wollte ich auch nicht so weit weg von Hamburg sein, aber man kommt da immer hin zurück, wo man eigentlich herkommt. Und da ich, wie gesagt, hier Erinnerungen hatte, mit zehn Jahren hat man das, und ich eben auch alles wieder kannte und nach der Wende auch mit den hier Verbliebenen ehemaligen Mitarbeitern dann wieder sofort Kontakt aufgenommen habe und insofern waren da auch richtige Bindungen da.“
Nicht nur das Investment, auch die Emotionen spielen eine Rolle bei der Entscheidungsfindung – und auch der Wunsch, diesen Familienbesitz aus dem Jahre 1803 wieder zum – vielleicht auch nur ideellen Mittelpunkt einer Familie zu machen.
„Ich hatte von Anfang an sehr enge Kontakte mit der Bürgermeisterin des Ortes und bin sehr, sehr bestärkt worden, dass wir hier etwas machen. und ich wurde sehr, man kann fast sagen gedrängt, dass ich das nun mache, ...“
Auf einem ausgedehnten Areal, am Ende einer langen Auffahrt, liegt das Fünf-Sterne-Hotel. Gelb gestrichen die Fassade, weiß lackiert das klassizistische Giebelportal. 33 Zimmer und Suiten hat das Haus, mit Antiquitäten möbliert, keines wie das andere. Die weite Fläche, das edle Ambiente, die inszenierte Ruhe – das Haus bietet Unterkommen im Luxussegment.
„Gute Küche, das ist ganz wichtig. Wir haben von Anfang an haben wir immer Köche gehabt in Stolpe, die den begehrten Michelin-Stern bekommen haben, und jeder der hier gekocht hat, hat dann auch nach einem Jahr diesen Michelin-Stern bekommen.“
Manche der rückgekehrten Alteigentümer berichten von kleinen Nickeligkeiten, von behördlichen Querschlägen, die zeigen, dass der Osten seine Ressentiments gegen den Klassenfeind nicht kampflos aufgegeben hat. Das gilt es im Kopf zu behalten, während der Blick auf dem Navigationsgerät ruht. Die Grafik zeigt eine grüne Fläche und darauf ein endlos langes braunes Band, die Straße. Keine Abzweigungen, keine Orte, rundherum nur Nichts. Nach der Grafik könnte hier die Wüste Gobi sein oder eben Vorpommern, der Weg zum Rittergut Bömitz.
„Der Nachname Flierl: Mein Mann kommt aus dem Fränkischen, aus dem Würzburger Raum, und das ist er etwas verbreiteter.“
Eine nicht zu lange, baumbestandene Auffahrt, ein kleines zweigeschossiges Gutshaus, Gemütlichkeit als Architekturprinzip. Bömitz liegt kurz vor der Insel Usedom, von Berlin und Hamburg jeweils zwei bis zweieinhalb Stunden entfernt. Nicola Flierl hat ihren Würzburger Mann Lorenz im Saarland kennengelernt. Dort hat sie lange Zeit ein Hotel geleitet.
„Und als wir überlegt haben, ein eigenes, war uns die Gegend in Deutschland eigentlich egal und wir haben eine Anzeige aufgegeben und sind deutschlandweit abgefahren von Bayern nach Hamburg und standen am 1. Oktober 2005 in der Einfahrt im Rittergut Bömitz und es war Liebe auf den ersten Blick.“
Das Rittergut wurde 1751 errichtet, 1994 wurde es zu einem Hotel umgebaut, später musste es aus privaten Gründen aufgegeben werden. Die Flierls bekamen ihre Chance.
„Unser Anspruch war – das Rittergut Bömitz war immer ein Gutshaus, und es war immer ein Gutsbetrieb, und das ist eigentlich unser Bestreben, wir möchten diesen Gutscharakter wieder herbringen. Und wir haben mit Frau Büttner eine wunderbare Küchenchefin, die auch ihre Sporen verdient hat, beim Kolja Kleeberg gelernt, gewinnen können, auch den Spaß zu haben, die Kräuter aus dem eigenen Garten zu holen, Holunderblüten zu sammeln, Sirups selber anzusetzen, sie macht ihr Eis selber, wir haben einen Walnussbaum, wir machen unser Walnussbrot selber.“
Das Kerngeschäft des Hotels sind Kurzurlauber aus den Metropolen und von Mai bis Oktober Hochzeitsfeiern. Das Gutshaus hat eine eigene Außenstelle des Standesamtes, ein großen Saal zum Feiern und schwere Glocken im Park, um das Fest angemessen geräuschvoll einzuläuten. Bömitz ist ein Flecken mit 96 Einwohnern, was immer auf dem Gutshof passiert, ist Ortsgespräch.
„Wir sind so herzlich hier aufgenommen worden. Man sagt immer, die Pommern sind so stur, mögen sie in vielen Bereichen auch sein, aber die Bömitzer haben uns wirklich herzlich aufgenommen und ganz im Gegenteil, sie waren, froh es geht weiter. Hier passiert was, es wird jetzt nicht geschlossen, sondern wir bilden mittlerweile auch aus, also wir geben jungen Leuten eine Chance, und da nehmen die Nachbarn doch schon sehr Anteil dran.“
Bömitz, am Ende unserer Tour, ist der ganz normale Kauf, die ganz normale Marktwirtschaft. Hier sind die Emotionen sind nicht rück-, sondern vorwärts gerichtet auf die berufliche und persönliche Zukunft. Und nur auf die Zukunft. Und, Frau Flierl, würden Sie das Wagnis noch einmal eingehen?
„Absolut, absolut, sofort wieder.“