Ostdeutscher Don Quichotte

04.10.2008
Während der "Flick von Lauchhammer" zu DDR-Zeiten genug zu tun hat, geht ihm nach der Wende die Arbeit aus. Er zieht wie Don Quichotte durch die Lande und hilft dort, wo er gebraucht wird. - Volker Braun hat mit "Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer" ein aktuelles Schelmenbuch vorgelegt.
Volker Braun hat es mit den "Machern". Nach der Erzählung "Die vier Werkzeugmacher" von 1996, legt er nun einen Roman mit dem Titel "Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer" vor. Die "vier Werkzeugmacher" waren bis zur "Wende" als "Macher" kleine Könige in ihrem Werk und wurden nach der historischen Zäsur aus dem ehemals volkseigenen Betrieb heraus komplementiert. Es gibt für sie nichts mehr zu machen. In kürzester Zeit schrumpfen die Helden der Arbeit zu Wichten. Wer war da wohl am Werk, fragen sie sich in ihrer Einfalt, denn für Politik interessierten sie sich nicht. Etwas musste schief gegangen sein. Nun kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn obwohl sie sich in der neuen Zeit kräftig ins Zeug legen wollen, erfahren sie, dass man auf sie verzichten kann.

Misslungenes wird umgangssprachlich als "Machwerk" bezeichnet. Die Frage, wer für das Scheitern verantwortlich ist, intendiert der Begriff durchaus. Volker Braun erzählt in seinem "Machwerk" die Geschichte eines "Machers" aus der Lausitz. Bei Havarien, an denen in der maroden DDR-Planwirtschaft kein Mangel herrschte, rief man nach dem Flick von Lauchhammer. So wurde er, was er aus sich und das Land aus ihm machte: ein Arbeitsmann – jemand, der sich keinen Kopf machen musste, weil er seine Hände zu benutzen verstand. Kopflos kann man zwar durch die Zeiten kommen, doch geht es selten gut. Flick wird nach 1989 der Kopf zurechtgerückt, als man ihn wie ein altes Eisen beiseite legt. Nicht als Helfer, sondern als Nummer ruft man ihn auf, wenn er sich im Arbeitsamt vorstellt. Was ihm die Agentur anbietet, nimmt Flick an, der sich für keine Arbeit zu schade ist. Er läuft im wahrsten Sinne des Wortes jeder Arbeit hinterher. Wo sie wie in der Lausitz Brach liegt, da greift Flick ein und zu. Er bringt voran, was nach seiner Meinung getan werden muss, ohne sich darum zu scheren, ob sein Tun gebraucht wird. Flick lässt seine Hände denken und sollte doch den Kopf gebrauchen.

Braun stellt uns diesen Arbeiter als einen Ritter von "trauriger Gestalt" vor. Als Don Quichotte zieht Flick mit seinem Enkel Luten durch die Lande und tritt als Helfer in der Not auf. Doch während dem berühmten Spanier durch die Lektüre von zu vielen Ritterromanen der Blick für die realen Verhältnisse verlorenging, büßte Flick seine Weitsicht ein, weil ihm zu viel Arbeit den Horizont verstellte. Nun kämpft er auf der Suche nach Arbeit wie der edle Ritter gegen Windmühlen. Die Welt hat sich gegen Flick verschworen, denn sie entzieht ihm, was er als Daseinsrecht begreift. Während die Zeit ernst Späße mit ihm treibt, versucht er der Zeit in sturem Ernst abzupressen, was sie ihm listig verweigert. Flick, der Unermüdliche, kann die Hände nicht in den Schoß legen. Wird gestreikt, sieht er nur, dass man nicht arbeitet und greift sich die zur Seite gelegte Schaufel. Dieser Engstirnige geht selbst dem Tod zur Hand, wenn der sein Werk an Flick nicht zu Ende bringen kann.

Volker Brauns Schelmenbuch ist in jener Nachdrücklichkeit geschrieben, die die Zeit dem Autor diktiert hat. Wie er es versteht, den Ernst in den Verhältnissen zu zeigen, die er gleichzeitig verlacht, zeichnet den Büchner-Preisträger des Jahres 2000 aus – der mit allen philosophischen Wassern gewaschen ist. Kritisch distanziert gegenüber den Verhältnissen und nah an den Schicksalen der Menschen hat Braun mit "Machwerk" ein überzeugendes Werk vorgelegt.

Rezensiert von Michael Opitz

Volker Braun: Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer
Suhrkamp Verlag 2008
221 Seiten, 19,80 Euro