"Paradise Papers"

Jakob Augstein warnt vor moralischer Aushöhlung

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In den "Paradise Papers" werden neue Enthüllungen über Steuerschlupflöcher publik, die für heftige Debatten über die Rolle internationaler Konzerne sorgen. © imago stock&people
Moderation: Anke Schaefer  · 07.11.2017
Eine Revolution des Rechts fordert der Verleger und Publizist Jakob Augstein nach der Veröffentlichung der Paradise Papers. Er hätte gerne eine Bundesregierung, die dafür sorge, dass in Deutschland tätige Konzerne hier Steuern zahlten.
Die Politik dürfe vor dem internationalen Kapitalismus nicht kapitulieren, sagte der Verleger und Publizist Jakob Augstein im Deutschlandfunk Kultur in Reaktion auf die Veröffentlichung der "Paradise Papers".
"Wenn man sagt, die Politik kann das nicht leisten, dann sagt man, das Kapital hat immer die Nase vorn."
Es sei mobil, digital und die Politik komme nicht hinterher, weil sie zu träge sei und demokratischen Regeln folgen müsse. Wenn man es aufgebe, internationale Konzerne staatlich kontrollieren zu wollen, wisse er nicht, wie lange "dieses System" noch halte.
"Dann könnte es sein, dass wir noch eine ganz andere Revolution bekommen, weil irgendwann werden sich das die Leute unter Umständen nicht mehr gefallen lassen."
Der Publizist Jakob Augstein
Der Publizist Jakob Augstein© imago

Endzeitstimmung

Augstein sagte, dass ihn die heutige Lage an die Endzeit des real existierenden Sozialismus erinnere. "Die Verfassung der DDR las sich ganz toll", sagte er. "Die Realität sah bloß ein bisschen anders aus." Der Publizist warnte:
"Wenn unser System auch so wird, dass es eigentlich ein System der Lüge ist, eines, wo man zwar sagt, es ist zwar Freiheit, Gleichheit und Recht für Alle, aber die Reichen sind immer ein bisschen reicher, die haben immer ein bisschen mehr Rechte."
Er frage sich, ob ein System das auf Dauer aushalte. Es handele sich um eine "moralische Aushöhlung", die wir gerade erlebten. "Wir sind der Staat", sagte Augstein. Er wünsche sich eine Bundesregierung und eine Bundeskanzlerin, die dafür sorgten, dass in Deutschland tätige Konzerne in Deutschland Steuern zahlten.

Kolumnen gegen die Wut

In seinen Kolumnen helfe er sich oft selber, weil er irgendwo hin müsse mit seiner Wut, sagte Augstein.
"Ich finde es zum Himmel schreiend, dass wir hier eine Partei haben, mit der AfD im Bundestag, die politisch sehr, sehr erfolgreich ist, damit auf die Schwächsten in der Gesellschaft einzuschlagen, auf Migranten oder auf sogenannte biodeutsche Sozialschwache, während wir diese Eskapaden der Superreichen erleben."
Er wundere sich, dass es da keine Aufregung gebe.
"Ich finde, die Leute richten ihre Wut aufs falsche Ziel."

Jakob Augstein (geboren am 28. Juli 1967 in Hamburg) ist ein deutscher Journalist und Verleger. Er studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Theaterwissenschaften in Berlin und Paris und arbeitete als Journalist für verschiedene Medien. Als rechtlicher Sohn des verstorbenen Spiegel-Gründers Rudolf Augstein ist er Anteilseigner beim "Spiegel"-Verlag. 2008 kaufte Augstein die Wochenzeitung "der Freitag" und ist seit 2013 auch deren Chefredakteur. Seit Januar 2011 schreibt er für Spiegel Online die Kolumne S.P.O.N. – Im Zweifel links.

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