Oskar Schindler-Museum in Krakau

Zu viel Inszenierung?

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Verwaltungsgebäude der ehemaligen Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler, heute Historisches Museums von Krakau
Ausstellung im Verwaltungsgebäude der ehemaligen Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler. Dort befindet sich heute eine Abteilung des Historischen Museums von Krakau. © imago/ZUMA Press
Von Martin Sander · 27.02.2019
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Der Unternehmer Oskar Schindler rettete während des Zweiten Weltkrieges in seiner Fabrik rund 1200 Menschen. In der ehemaligen Emaillefabrik ist heute ein viel besuchtes Museum. Nicht alle sind mit dem Ausstellungskonzept zufrieden.
"Die Leute, die kommen, die interessieren sich immer für die Schindler-Fabrik. Ich kriege Fragen von Menschen auf der Straße, wenn ich da bin: Wie kommen wir zur Schindler-Fabrik. Selbst meinen Freundinnen, Freunden, Nachbarn, die nicht so gut Englisch können, muss ich Sätze vorbereiten, damit sie Menschen den Weg zeigen können zur Fabrik. Das ist schon ein wichtiger Teil dieses Bezirks. Das ist der Bezirk, wo das Ghetto war."
Die Schriftstellerin Ruth Fruchtman, Autorin des Krakau-Romans "Krakowiak", lebt in Berlin und seit langem auch im Krakauer Stadtteil Podgórze – nahe der Schindler-Fabrik. Sie ist Nachfahrin jüdischer Polen und erinnert sich an die 90er-Jahre, als Spielbergs Film Furore machte und der Name Oskar Schindler weltberühmt wurde:
"Die Schindler-Fabrik war damals so ziemlich, wie sie noch war wahrscheinlich nach dem Krieg. Ich sah dann dieses Zimmer, wo er gearbeitet hat, wo er sich aufgehalten hat. Man geht diese lange Treppe nach oben. Also im Film sieht man, wie er da oben steht. Ich habe mit dem damaligen Leiter gesprochen. Er hat mir dann erzählt, es gebe Pläne, etwas zu machen, diesen ganzen Bezirk, die werden den so ein bisschen aufpäppeln, weil das nachts sehr bedrohlich war, sehr dunkel, sehr einsam, mit einem kleinen einsamen Bahnhof, der jetzt ein größerer Bahnhof geworden ist."
Heute ist in diesem Viertel alles anders: Hell beleuchtet, aufgeräumt, voller neuer Läden und Restaurants. Auch der schlichte dreistöckige Bau aus der Zwischenkriegszeit in der Lipowa-Straße wurde gründlich renoviert. Dort saß einst die Verwaltung der Emaillefabrik, die Otto Schindler, NSDAP-Mitglied und Abwehragent, 1939 ihren den polnischen Vorbesitzern abnahm.
Schindler war zunächst einmal Kriegsgewinnler aus dem Reich auf der Suche nach dem schnellen Geld im besetzten Polen. Doch in seiner Fabrik in Krakau, die Geschirr und Waffen für die Front produzierte, bewahrte er rund 1200 Zwangsarbeiter vor dem Tod in einem der deutschen Vernichtungslager. Nach Kriegsende produzierte der kommunistische Staat auf dem Gelände Telefonanlagen. Irgendwann nach der Wende brach diese Produktion zusammen.

Die Idee, einen Erinnerungsort zu schaffen

"Nach vielem Hin und Her entstand in der Stadt, beim Stadtpräsidenten von Krakau, die Idee, einen Erinnerungsort zu schaffen, der von der Kriegsgeschichte erzählt, über die Vergangenheit, die man mit Schindlers Liste verbindet. Denn auch als es das Museum noch nicht gab, interessierten sich ja Touristen aus dem Ausland für den Ort.
Nach dem Eintritt Polens in die Europäische Union 2004 kamen sie in Massen. Damals entschieden wir uns aber ganz bewusst dafür, nicht noch einmal die Geschichte von Schindlers Liste zu zeigen, sondern diese Geschichte in einen größeren Zusammenhang einzuordnen: Das Ghetto, das Leben auf der ´arischen` Seite, das Konzentrationslager Płaszów usw."


Monika Bednarek leitet die Schindler-Fabrik als 2010 eröffnete Zweigstelle des Stadtmuseums. Die Dauerausstellung zeigt nicht nur Schindler, sondern vor allem Krakau während der deutschen Besatzung von 1939 bis 1945. Ein langer, zuweilen labyrinthischer Pfad führt durch das Museum. Im Fokus steht das Alltagsleben der Zivilbevölkerung im deutsch besetzten Krakau.
Der ehemalige Werkseingang der Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler, heute eine Gedenkstätte und Museum.
Der ehemalige Werkseingang der Emaillewarenfabrik von Oskar Schindler, heute eine Gedenkstätte und Museum.© imago/Pacific Press Agency/Dominic Dudley
Ruth Fruchtman: "Ich finde die Ausstellung sehr gut. Sie zeigt wirklich, wie das Leben in Kraków damals war. Es gibt Zeugnisse von vorwiegend jüdischen Polen, polnischen Juden. Aber die nichtjüdischen Polen, die sind auch präsent. Und das finde ich sehr wichtig, dass die Juden nicht immer von den nichtjüdischen Polen getrennt werden. Man ist wirklich mit dieser Vergangenheit konfrontiert, sieht man ganz genau, was gelaufen ist, hat man wirklich die Atmosphäre."

Konzept stößt auch auf Kritik

Die Vielzahl von Bildern, Raumausstattungen und Exponaten bis hin zu einem nachgebauten Straßenbahnwagen und zahllose Tonaufnahmen erzeugen diese Atmosphäre. Sie hüllen den Besucher multimedial geradezu ein. Das erzeugt Spannung. Bei manchen Experten stößt es auch auf Kritik:
"Das ist so eine theatralische Szenographie. Wir sind in einem Theater, und das erzählt uns gerade eine Geschichte."
Die Kunsthistorikerin Małgorzata Quinkenstein beschäftigt sich mit der Schindler-Fabrik im Rahmen eines zu aktuellen Darstellungsformen historischer Museen in Europa.
"Was mir wirklich fehlt dort: Das sind die richtigen historischen Exponate. Für mich wäre es besser, ein bisschen weniger Theater zu haben, aber mehr historische Exponate. Da gibt es Briefe von Kindern: Das ist alles falsch. Die Briefe sind ausgedacht. Und da bist du plötzlich in dieser Szenographie, das ist zu billig, zu einfach."

"Ich habe schon Leute getroffen, die haben auch geweint"

Ihre Kritik daran, wie szenische Darstellung fehlende authentische Objekte ersetzen soll, lässt Małgorzata Quinkenstein allerdings nicht für die ehemaligen Büros von Oskar Schindler gelten. Dort hat der Bildhauer und Bühnenbildner Michał Urban eine Arche der Geretteten installiert:
"Er hat das ausgedacht als ein Aquarium voll von Töpfen, einfach Blechtöpfe. Das ist so ein Quader, und da drin ist das eine Rotunde. Und da kann man die Namen der Juden sehen, die Schindler gerettet hat. Das ist für mich sehr interessant, denn wenn wir zum Beispiel in Yad Vashem sind: Da haben wir auch diese Rotunde mit Namen von Leuten, die die Shoah nicht überlebt haben.
In anderen Gedenkstätten, die mit der Shoah verbunden sind, kommen immer Namen von Leuten, die nicht überlebt haben. Und hier haben wir gerade eine andere Idee. Dazu die Blechtöpfe, die sind total alt, die sind zerstört, wie das zerstörte Leben einfach. Es ist wirklich schwer und die Besucher reagieren manchmal sehr emotional. Ich habe schon Leute getroffen, die haben auch geweint."


Auch wenn Oskar Schindler wenig Platz einnimmt, ist er doch ein Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung. Die macht neugierig – auch auf seine besondere Persönlichkeit.
"Schindler war Parteimitglied und Abwehragent. Er ist sicher nicht gekommen, um Juden zu retten. Aber er hat alles, was er tat, aus eigenem Antrieb getan. Er musste seinen jüdischen Arbeitern aus dem Ghetto kein zusätzliches Essen geben, er musste ihnen nicht zusätzliche Arbeit verschaffen, damit sie überleben konnten. Die Geretteten sagen Unterschiedliches, ob er sie für Geld gerettet hat oder nicht. Aber ist das heute ohne Bedeutung. Er hat einfach die Chance genutzt, die sich ihm bot."
Der deutsche Industrielle Oskar Schindler am 4.12.1967 in London nach der Verleihung des Friedenspreises der internationalen Martin Buber-Gesellschaft.
Der deutsche Industrielle Oskar Schindler am 4.12.1967 in London nach der Verleihung des Friedenspreises der internationalen Martin Buber-Gesellschaft.© picture alliance/dpa/Foto: UPI
Bei manchen Polen, vor allem solchen, die in nationalen Kategorien denken, sorgt die Schindler-Inszenierung in Krakau auch für Unbehagen, angesichts von vielen Tausend polnischen Judenrettern, die in der Welt weniger bekannt sind und die es dabei schwerer hatten als der etablierte Deutsche Schindler.
Zum Pflichtprogramm der nationalkonservativen PiS-Regierung gehört es, vor allem polnische Retter in der Welt bekannt zu machen. Die Schriftstellerin Ruth Fruchtman hat dafür Verständnis und begeistert sich zugleich für das Museum und die Person von Oskar Schindler.
"Ich würde natürlich dazu neigen, auf die polnischen Retter zu schauen. Aber ich finde, man soll auch auf Schindler schauen. Ich meine, da gab es nicht sehr viele Schindler unter den Deutschen."
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