#Oscarssowhite

Gegen den Zirkus der weißen Heteros

Eine übergroße Oscar-Statue steht in Los Angeles
In Los Angeles sind die Vorbereitungen für die Oscar-Verleihung abgeschlossen. © imago / UPI-Foto
Von Kerstin Zilm · 26.01.2016
Filmemacher haben zum Boykott der "White Oscars" aufgerufen. Ava DuVernay, afroamerikanische Regisseurin des Films "Selma", hält sich bei der Debatte heraus und verändert das System lieber mit einer eigenen Produktions- und Vertriebsfirma.
Es ist nicht so, dass Ava DuVernay kein Problem hat mit den Oscar-Nominierungen. Im Gegenteil!
"Es ist unausgewogen. Wir sehen zu viele Filme mit derselben Stimme, aus derselben Perspektive: der von weißen, heterosexuellen Männern."
Aber sie lamentiert nicht gerne über die Situation und warnt davor, das Hollywood-Studio-System und Oscar-Verleihungen zu wichtig zu nehmen.
"Wir wissen, dass das alles lächerlich ist. Es ist ein Zirkus! Es gibt keinen wirklichen Fortschritt, keine relevanten Veränderungen, keine Chancengleichheit. Das alles existiert nicht."
DuVernay ist entschlossen, eine einflussreiche Alternative zu schaffen und ist auf dem besten Weg dahin.
Sie kam als PR-Expertin zum Filmgeschäft, gründete 1999 ihre eigene Agentur und vertrat Projekte mit Leinwandgrößen wie Steven Spielberg und Clint Eastwood. 2008 drehte sie einen Dokumentarfilm, 2010 den ersten Spielfilm: "I Will Follow".
Filmausschnitt "To today and what is next and may we all be well! ..."
Die Regisseurin wusste: kein Hollywood-Studio wird sich für die Geschichte einer Schwarzen, die nach einer Tragödie am Scheideweg im Leben steht interessieren. Zu weiblich. Zu Indie. Zu afro-amerikanisch. Also gründete sie ihre eigene Firma: AAFFRM für Afro American Film Festival Releasing Movement.
"Es war sehr egoistisch. Ich mach diesen Film, weiß dass ihn niemand haben will und damit er ein Publikum findet, muss ich ihn irgendwie in Kinos bringen. Als ich die Firma geschaffen hatte, dachte ich: jetzt kann ich anderen schwarzen Filmemachern helfen, die dieselben Probleme haben wie ich. In den letzten fünf Jahren haben wir zehn Filme herausgebracht."
Dann kam Selma, der Film über die Bürgerrechtsmärsche in Alabama mit Martin Luther King. Der Film brachte Ava DuVernay keinen Oscar. Sie sagt, er brachte ihr etwas Wichtigeres: internationale Aufmerksamkeit, die Möglichkeit weltweit zu Festivals zu reisen und überall mit Filmemachern zu sprechen. Ihr wurde klar: zwar haben afroamerikanische Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren in Hollywood einen schweren Stand, doch sie sind bei weitem nicht die einzigen.
Eine Plattform für Minderheiten
Sie gab ihrer Firma einen neuen Namen: ARRAY, und ein neues Ziel. Das ist nun, unabhängig produzierte Filme von Minderheiten und Frauen weltweit zu stärken sowie unterrepräsentierten Stimmen und Bildern eine Plattform zu schaffen.
"Zusammen sind wir stark. Das ist die Idee dahinter. Warum nehmen wir nicht alle die auf, die vom etablierten System ausgeschlossen sind, in dem alle gleich aussehen und das gleiche produzieren. Jeder soll Zugang zu dieser Alternative haben."
Die ersten zwei Filme, die ARRAY in die Kinos und zu Netflix brachte sind "Ayanda", ein humorvolles Drama der südafrikanischen Regisseurin Sara Blecher um eine junge Frau, die versucht die Autowerkstatt ihres toten Vaters zu retten und "Out Of My Hand", das Spielfilm-Debut von Takeshi Fukunaga um einen US-Einwanderer aus Liberia:
"Es ist unglaublich, ein Traum wurde wahr! Ich dachte, niemand wird diesen Film sehen. Und jetzt schreiben Kritiker darüber und es passiert so viel. Es ist unglaublich!"
Alternativen zum zigsten Actionfilm
Ava DuVernay hat unterdessen eine Fernsehserie geschrieben und die Regie dafür geführt. Im Frühjahr dreht sie ihren nächsten Film: einen Krimi mit Liebesgeschichte in der Zeit von Wirbelsturm Kathrina. ARRAY bleibt ihre Herzensangelegenheit, ihr Weg, Filmemachern eine Chance zu geben. Jeder kann dazu beitragen, sagt sie. Vor allem das Publikum.
"Wir müssen uns alle selbst fragen: was ist unsere Rolle? Studios konzentrieren sich darauf, den Zuschauern das zu geben, was sie wollen. Das Publikum muss Veränderungen einfordern, sagen: wir wollen mehr Stimmen hören, etwas anderes als den zigsten Actionfilm sehen. Wenn ihr das nächste Mal ins Kino geht, schaut was es sonst noch gibt!"
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