Oscars aus Potsdam

Von Susanne Burg |
Selbstbewusst präsentieren sich die "Sehsüchte". "Unser Oscar sitzt in Reihe sieben und ist Filmemacher", lautet das Motto des 40. Studentenfilmfestivals, das die Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam ausrichtet.
Filmausschnitt: "So jetzt geht’s los" – Kuckucksuhren machen Musik"

Es ist ganz einfach: Mehr Details, mehr Geld. Weniger Details, weniger Geld. So erklärt ein Verkäufer einer amerikanischen Touristengruppe den Preisunterschied zwischen einzelnen Kuckucksuhren:

Filmausschnitt: "It’s all the same, only outside, more detail more money, less detail less money."

"What About Germany? Glad to Have you Here" heißt der 50-minütige Film von Madeleine Dallmeyer, der im Wettbewerb der Sehsüchte läuft, zu sehen mit zwei anderen Beiträgen in dem Block "Stranger than Paradise". Drei Filme, die auf humorvolle Weise jenes Paradies suchen, das sich Heimat nennt und das eben häufig kein Ort ist, sondern ein Gefühl.

Filmausschnitt: "When you have question, bitte ask me, ne?"

Das Festival zeigt 100 Filme aus 25 Ländern. Und so unterschiedlich die Filme auch sind, eines lässt sich über die deutsche Szene sagen: Die Zeit ist vorbei, in der die Studenten demonstrieren wollten, wie gut sie verschiedene Techniken beherrschen und dabei Inhalt und Erzählhaltung vernachlässigten.

"Jetzt entdecke ich, nicht nur bei uns, sondern an allen deutschen Hochschulen, dass Realität wieder stärker wird."
Dieter Wiedemann ist Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf:
"Man setzt sich auseinander mit vielen Dingen, mit Bildungsarmut, mit Gewalt in der Ehe, in Beziehungen, mit Patchwork-Familien. Die wollen’s wieder genauer wissen. Ist vielleicht 'ne Generationenfrage."

Die Sehsüchte sind ein Festival von Studenten für Studenten – was nicht selbstverständlich ist. Andernorts wählen häufig professionelle Agenturen die Filme aus – wie etwa beim Internationalen Festival der Filmhochschulen in München. Anders hier: Für die Sehsüchte haben sich acht Studenten, darunter auch Erik Rhyiner, wochenlang 1.200 Filme angesehen:

"Wir haben so’n bisschen einen anderen Blick, habe ich das Gefühl. Das ist uns aufgefallen in der Diskussion mit anderen Leuten, dass wir Filme haben, die unseren Geschmack treffen, die von anderen Generationen nicht gleich verstanden werden. Und dann merkt man, dass da eine große Differenz besteht und es deswegen auch ein Vorteil ist, dass man näher am studentischen Publikum ist, wenn man eine studentische Programmauswahlgruppe hat."

An den Hochschulen läuft der deutsche Film zur Hochform auf, so scheint es. Auch in diesem Jahr geht wieder ein deutscher Beitrag ins Rennen um den ausländischen Studenten-Oscar, der am 11. Juni in Los Angeles verliehen wird: Er stammt von Max Zähle von der Hamburg Media School. Der Nachwuchs kann international mithalten – die Ausbildung sei eben hervorragend, sagt HFF-Präsident Wiedemann, aber irgendwo auf dem Weg zu den "richtigen" Oscars versandet das Talent deutscher Regisseure im bundesrepublikanischen Filmfördersystem:

"Weil die Ausbildung so gut ist, sind unsere Studenten weniger daran gewöhnt, gegen Widerstände zu kämpfen. Sie sind einfach in einem kulturellen Netz drin, das funktioniert. Irgendwie kriegt man was und man hat Freunde und kennt Redakteure, aber das richtige Kämpfen können, glaube ich, die anderen besser und deswegen kriegen die die richtigen Oscars und wir die Studenten-Oscars."

Studenten-Oscars oder zumindest Nominierungen gingen auf jeden Fall schon einige nach Deutschland. Und viele der Filme waren vorher in Potsdam zu sehen, manche stammen sogar von hier – wie der Oscar-Gewinner von 1999, "Kleingeld" von Marc-Andreas Borchert. "Sehsüchte goes Hollywood" heißt die Sektion, die diese Filme noch einmal zeigt. Denn zum 40. Jubiläum schaut man auch zurück auf die eigene Geschichte – zurück bis ins Jahr 1972, als die damaligen "FDJ-Studentenfilmtage" noch wenig mit einem internationalen Festival zu tun hatten.

"Studententage gab es damals an mehreren Hochschulen im Ostblock und das war eine interne wissenschaftliche Leistungsschau. Das heißt, die Studenten haben ihren Kommilitonen Filme gezeigt, die sie in dem Jahr produziert haben."

… sagt Caroline Engstfeld, zuständig für die Jubiläumssektion. Dass die FDJ-Studententage in der DDR kein Hort des kritischen Filmes waren, überrascht nicht. Thomas Knauf, der von 1976 bis '80 Regie an der HFF studiert hat, erzählt, dass es zu seiner Zeit zwei Gruppen gab: Die einen wollten Karriere machen, die anderen versammelten sich in der – wie er es nennt – "Gruppe des Unmuts":

"So’n paar Leute, die wollten ganz andere Filme machen. Und das waren nicht vordergründig politische Themen. Das war eher ästhetisch aufmüpfig. Und die hatten ständig Ärger. Die Filme wurden dann auch nicht auf dem Studentenfilmfestival gezeigt und wurden dann verboten."

Thomas Heises "Wozu denn über diese Leute einen Film", in dem er eine Familie mit zwei kriminellen Jungen beschrieb, war einer der Filme, die im Giftschrank verschwanden. Jetzt ist er in der Reihe "40 in 4" zu sehen – 40 Jahre Film in vier Stunden.

Mittlerweile sind die Sehsüchte zum größten Studentenfilmfestival angewachsen. Längst hat man sich internationalen Trends angepasst und ist weit mehr als nur Abspielort für Filme. Hier wird diskutiert, hier werden Kontakte geknüpft. Und für die studentischen Organisatoren gilt: Hier kann man sich auf professionellem Niveau ausprobieren, sagt auch Hauke Jepsen:

"Das ist etwas, gerade als Student, wo man sagen kann, ich bin frei von Zwängen, ich kann das machen, dann versucht man es einfach. Und wenn es nicht klappt, dann kann man sagen, es war ja nur ein Studentenfilmfestival. (lacht)"

Homepage des Filmfestivals Sehsüchte
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