Oscar-Verleihung

"Das Kino hat verloren"

06:59 Minuten
Schauspielerin Emilia Jones sitzt in einer Szene des oscarprämierten Films "Coda" in Arbeitskleidung einem Fischerboot und schaut in die Kamera.
Emilia Jones spielt in dem nun oscarprämierten Film "Coda" ein hörendes Mädchen, das in einer gehörlosen Fischerfamilie aufwächst. © picture alliance / Associated Press
Patrick Wellinski im Gespräch mit Dieter Kassel · 28.03.2022
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Der Streamingfilm „Coda“ über eine Gehörlosenfamilie wurde bei der Oscarverleihung als bester Film ausgezeichnet. Kritiker Patrick Wellinski sieht den gesamten Abend als bedenkliches Signal. Da wundere es ihn auch nicht, dass Will Smith Ohrfeigen verteilte.
Mit der Tragikomödie „Coda“ hat erstmals der Film eines Streamingdienstes den Oscar für den besten Film gewonnen. Insgesamt holte der Film, der beim Anbieter AppleTV+ läuft, drei Auszeichnungen. Regisseurin Siân Heder erzählt von einem Mädchen, das in einer gehörlosen Fischerfamilie aufwächst.

Im Interview spricht die Regisseurin von "Coda", Siân Heder, darüber, warum sie sich für das Thema Gehörlosigkeit entschieden hat und welche Herausforderungen das mit sich brachte.

Die meisten Preise gingen an das Sciene-Fiction-Epos „Dune“, unter anderem für die beste Filmmusik und die besten visuellen Effekte. Komponist Hans Zimmer und der Effektexperten Gerd Nefzer, die beide aus Deutschland kommen, bekamen somit jeweils ihren zweiten Oscar.

Favorit enttäuscht

Die Erwartungen nicht einlösen konnte der Western „The Power of the Dog“ von Jane Campion: Der mit zwölf Nominierungen als Favorit ins Rennen gestartete Film gewann letztlich nur eine Auszeichnung für die beste Regie.
Als beste Hauptdarstellerin wurde Jessica Chastain für „The Eyes Of Tammy Faye“ ausgezeichnet. Die Auszeichnung für die beste männliche Hauptrolle ging an Will Smith für „King Richard“.

Bemerkung über Haarausfall

Smith war es auch, der während der Preisgala einen irritierenden Moment verursachte: Er lief auf die Bühne und gab Moderator Chris Rock eine Ohrfeige. Dem vorausgegangen war eine offenbar als Witz gemeinte Bemerkung Rocks über den Haarausfall von Smith‘ Frau Jada Pinkett.

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Kritik an Juryentscheidung

Unser Filmkritiker Patrick Wellinski sieht den Gewinnerfilm "Coda" als unterhaltsame, berührende Geschichte. Mit der Entscheidung der Jury der Oscars ist er jedoch nicht einverstanden. Hier sei eher ein Fernsehfilm ausgezeichnet worden. "Das große Kino hat man woanders gesehen."
Das Filmteam steht in festlicher Garderobe eng zusammen und freut sich über die Auszeichnung.
Das Filmteam von "Coda" freut sich über seine Auszeichnung. Unser Kritiker hätte diesen Erfolg eher "The Power of the Dog" gewünscht.© picture alliance / Invision /AP / Jordan Strauss
Zudem werde der Film – eben weil er zu großen Teilen außerhalb der USA nicht in den Kinos lief – über die amerikanische Gehörlosen-Community hinaus wohl kaum wahgenommen werden. Hollywoods Angst vor Netflix habe zu einem Oscar für einen Film geführt, der in keinem Kino der Welt gezeigt wurde, kommentierte er auf Twitter.

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Anders sei das etwa bei dem von Netflix gezeigten Spätwestern "The Power of the Dog". Der Film war für zwölf Oscars nominiert, hat jedoch nur einen einzigen bekommen. Wenn es nach Wellinski ginge, wäre das anders.
"Es geht um überkommene toxische Männlichkeitsbilder, Cowboys mit Aggressionsbewältigungsproblemen – ein Film, von dem wir sagen können, dass Will Smith ihn definitiv nicht gesehen hat", so Wellinski. "Das ist wirklich ein großer Film, der auch für die große Leinwand gedacht ist."

"Gipfel der Würdelosigkeit"

Insgesamt sei die Verleihungsshow für ihn ein "Gipfel der Würdelosigkeit" gewesen, auch des Zynismus dem Kino gegenüber, seiner Geschichte und den Menschen, die dafür arbeiten. Denn der Abend habe schon mit verletzenden Witzen darüber begonnen, "wie dumm und schlecht und unguckbar" viele Filme seien. Zum Beispiel sei Ridley Scott's "The Last Duel", der nicht nominiert war, permanent als Witzvorlage benutzt worden.

Eine Übersicht über alle Oscar-Kategorien finden Sie hier.

"Es wundert mich daher auch nicht, dass in so einem Umfeld voller Missachtung und Verachtung ein Will Smith meint, durchdrehen zu können und auf die Bühne zu gehen und Chris Rock zu ohrfeigen." Der Abend müsse für alle Beteiligten eine Zäsur sein, "weil hier das Ansehen und die Arbeit einer ganzen Industrie infantilisiert wurde".

Verunsichertes Hollywood

Die Branche sei noch immer sehr verunsichert, sagt Kritiker Patrick Wellinski. Sie wisse nicht, was das Kino für das 21. Jahrhundert sei. "Kann es 'Coda' sein? Ist es dann vielleicht doch ein Netflix-Film wie 'The Power of the Dog'? Ist Netflix der Feind oder vielleicht Apple+?" Weitere Fragen, die sich ihm stellen: Welche Filme laufen noch in Kinos? Welche Bilder werden noch geschaffen?
Dass ein Film wie "Coda" ausgezeichnet wurde, zeuge von Resignation. "Eigentlich muss man sagen: Traurig ist die ganze Veranstaltung auch deswegen gewesen, weil hier das Kino verloren hat. Es hat fernsehgerechtes Erzählen gewonnen."
(abr)

Der deutsche Komponist Hans Zimmer hat einen Oscar für die Filmmusik zu "Dune" gewonnen. Aber wieviel von dem Score stammt wirklich von ihm? Die Journalistin Jenni Zylka berichtet über den Sound der Oscars .

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