Orte der Offenbarung
Für das Autorenteam Lutz Mauer und Markus Raich sind Berge herausgehobene Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren. Für ihr Buch "Hoch und heilig" untersuchten sie die Bedeutung von Himalaya, Kilimandscharo und anderen Höhenzügen als religiöse und mythische Stätten.
An hohen Bergen kommt man nicht vorbei: Den einen versperren sie den Blick, anderen bieten sie großartige Kulissen. Manche sehen in Bergen lediglich sportliche Herausforderungen. Nicht wenige aber suchen in ihrer Nähe spirituelle Erfahrungen. Kurzum: Für die einen sind Berge nur hoch, für andere gar heilig.
Für Lutz Maurer und Markus Raich sind Berge "hoch und heilig", so der pointierte Titel ihres Buches. Und das klingt wie ein Versprechen. Wenn wir nämlich ein Versprechen bekräftigen wollen, dann sagen wir auch: Ich verspreche es hoch und heilig. Nämlich für alle sichtbar und mit besondere Wichtigkeit. Also "hoch" und "heilig" sind religiöse Schlüsselbegriffe.
Berge sind wie Altäre. Sie sind herausgehobene Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren. Diese Sichtweise ist nicht neu. Das bestätigt der Untertitel des vorliegenden Bandes: "Berge in den Religionen und Mythen der Welt". Seit jeher und in allen Religionen sind Berge Orte der Offenbarung und der Entscheidung.
Die Autoren sind weder Theologen noch Religionswissenschaftler. Lutz Maurer ist Journalist und Publizist. Er hat die Texte verfasst. Sie bieten Erklärungen und berichten von dem, "was der Autor im Angesicht der Berge empfand". Markus Raich ist "Outdoor-Spezialist", war schon auf Skiern am Nordpol sowie bei zwei Achttausender-Expeditionen. Von ihm stammen die gut dreihundert Fotografien des Bildbandes.
Nicht das Bezwingen von Bergen war Triebfeder der Autoren, sondern mehr das Betrachten, Bedenken und Befragen - sei es der erhabenen Orte, sei es der Menschen, denen sie dort begegnet sind. Entstanden ist eine Art Reisebericht in Wort und Bild. Der dokumentiert auf gut zweihundert Seiten Begegnungen mit rund dreißig Bergen auf vier Kontinenten. Angereichert hat Maurer seine Schilderungen mit Legenden, Mythen und heiligen Texten. Sie verdeutlichen, warum diese Berge so bedeutsam sind.
Die "Bergfahrt anderer Art" beginnt auf halbwegs bekanntem Terrain. Maurer und Raich nehmen die Leser anfangs mit zu Bergen, die dank gewisser Bibelkenntnisse zumindest vom Namen her bekannt sein dürften. So ist zunächst vom Djebel Musa die Rede, vom Mosesberg. Dort empfing Moses die Zehn Gebote. Im Alten Testament heißt der Berg "Sinai" oder "Horeb".
Wie so manche Pilger und Trekkinggruppen haben auch die Autoren in stiller und sternenklarer Nacht den Aufstieg zum Gipfelplateau unternommen. Sie werden mit einem wunderbaren, "nur schwer" beschreibbarem Sonnenaufgang und einer fantastischen Aussicht belohnt.
Es folgen Berge im Heiligen Land, die dem Neuen Testament zufolge wichtige Stationen des Lebens Jesu markieren: etwa der Berg der Versuchung, der Bergpredigt und der Verklärung. Letzterer wird meist als "Berg Tabor" identifiziert.
Dann erweitern die Autoren die Perspektive. Afrika, Asien und Amerika sind weitere Stationen auf ihrer Reiseroute. Mit dort bedeutsamen Bergen kommen andere Kulturen und Religionen in den Blick.
Der Kilimandscharo etwa war um 1900 höchster Punkt "deutscher und afrikanischer Erde". Einer der drei Gipfel heißt im Volk der Massai "das Haus Gottes". Weniger bekannt und touristisch kaum belagert hingegen ist der Ol Doinyo Lengai mit seinem "aus Wellen erkalteter Lava" geformten Gipfelplateau. Noch heute bringen die Massai am Fuße dieses Gottesberges Tieropfer dar, um Ngai zu besänftigen, ihren Ein-Gott.
In Asien dient der Himalaya als Thron vieler kleiner und großer Gottheiten. Dort findet man den höchsten Berg der Welt, den "Mount Everest". Der Name geht zurück auf einen englischen Landvermesser. Passender sind für Lutz Maurer jedoch die ursprünglichen Namen der Tibeter und Nepali.
"Es sind zu allermeist religiöse Namen, die Bewunderung und tiefe Ehrfurcht vor den Bergen und ihren Gottheiten ausdrücken. Der tibetische Name Chomolungma bedeutet 'Muttergöttin des Landes', das nepalesische Sagarmatha (...) bedeutet 'Gipfel in den Wogen des Meeres'. Eine ferne Erinnerung wohl an das kosmische Urmeer, das vor der Schöpfung das Universum bedeckte."
In Amerika zählen die vier Präsidentenköpfe des Mount Rushmore zu den großen touristischen Attraktionen. Man findet sie in den Black Hills, den heiligen Bergen der Sioux und Cheyenne. Dort konzentrieren sich Maurer und Raich auf den sogenannten "Teufelsturm". Der überwältigende, mehrere hundert Meter hohe Basaltturm ist ein wichtiger spiritueller Ort der Sioux und in deren Augen eine Schöpfung des Großen Geistes.
Zuletzt wenden sich die Autoren dem "Alten Europa" zu. Neben dem Olymp kommen christliche, mitunter einst keltische Pilgerstätten in den Blick. Auf den irischen Croagh Patrick, den 764 Meter hohen Berg des Patricius, kann man nur zu Fuß gelangen. Zur Schwarzen Madonna auf dem Montserrat hingegen, auf den "zersägten" Bergstock im Herzen Kataloniens, führen eine gut asphaltierte Straße und eine Seilbahn. Angesichts heutiger Pilgermassen mag Goethe Recht behalten:
"Der Mensch wird nirgendwo Ruhe finden, außer im eigenen Montserrat."
Für Australien, so scheint es, hat das Geld nicht gereicht. Kein Wort zum Ayers Rock, dem heiligen Berg der Aborigines. Dennoch ist den Autoren ein gut lesbares, reichlich bebildertes Buch gelungen. Es erweitert den Blick, führt hin zu einer oft übersehenen Dimension. Es macht Lust, der vorgeführten Reiseroute etappenweise zu folgen.
Rezensiert von Thomas Kroll
Lutz Maurer / Markus Raich: Hoch und heilig. Berge in den Religionen und Mythen der Welt
Styria Verlag, Wien, Graz, Klagenfurt 2008
208 Seiten, 29,95 Euro
Für Lutz Maurer und Markus Raich sind Berge "hoch und heilig", so der pointierte Titel ihres Buches. Und das klingt wie ein Versprechen. Wenn wir nämlich ein Versprechen bekräftigen wollen, dann sagen wir auch: Ich verspreche es hoch und heilig. Nämlich für alle sichtbar und mit besondere Wichtigkeit. Also "hoch" und "heilig" sind religiöse Schlüsselbegriffe.
Berge sind wie Altäre. Sie sind herausgehobene Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren. Diese Sichtweise ist nicht neu. Das bestätigt der Untertitel des vorliegenden Bandes: "Berge in den Religionen und Mythen der Welt". Seit jeher und in allen Religionen sind Berge Orte der Offenbarung und der Entscheidung.
Die Autoren sind weder Theologen noch Religionswissenschaftler. Lutz Maurer ist Journalist und Publizist. Er hat die Texte verfasst. Sie bieten Erklärungen und berichten von dem, "was der Autor im Angesicht der Berge empfand". Markus Raich ist "Outdoor-Spezialist", war schon auf Skiern am Nordpol sowie bei zwei Achttausender-Expeditionen. Von ihm stammen die gut dreihundert Fotografien des Bildbandes.
Nicht das Bezwingen von Bergen war Triebfeder der Autoren, sondern mehr das Betrachten, Bedenken und Befragen - sei es der erhabenen Orte, sei es der Menschen, denen sie dort begegnet sind. Entstanden ist eine Art Reisebericht in Wort und Bild. Der dokumentiert auf gut zweihundert Seiten Begegnungen mit rund dreißig Bergen auf vier Kontinenten. Angereichert hat Maurer seine Schilderungen mit Legenden, Mythen und heiligen Texten. Sie verdeutlichen, warum diese Berge so bedeutsam sind.
Die "Bergfahrt anderer Art" beginnt auf halbwegs bekanntem Terrain. Maurer und Raich nehmen die Leser anfangs mit zu Bergen, die dank gewisser Bibelkenntnisse zumindest vom Namen her bekannt sein dürften. So ist zunächst vom Djebel Musa die Rede, vom Mosesberg. Dort empfing Moses die Zehn Gebote. Im Alten Testament heißt der Berg "Sinai" oder "Horeb".
Wie so manche Pilger und Trekkinggruppen haben auch die Autoren in stiller und sternenklarer Nacht den Aufstieg zum Gipfelplateau unternommen. Sie werden mit einem wunderbaren, "nur schwer" beschreibbarem Sonnenaufgang und einer fantastischen Aussicht belohnt.
Es folgen Berge im Heiligen Land, die dem Neuen Testament zufolge wichtige Stationen des Lebens Jesu markieren: etwa der Berg der Versuchung, der Bergpredigt und der Verklärung. Letzterer wird meist als "Berg Tabor" identifiziert.
Dann erweitern die Autoren die Perspektive. Afrika, Asien und Amerika sind weitere Stationen auf ihrer Reiseroute. Mit dort bedeutsamen Bergen kommen andere Kulturen und Religionen in den Blick.
Der Kilimandscharo etwa war um 1900 höchster Punkt "deutscher und afrikanischer Erde". Einer der drei Gipfel heißt im Volk der Massai "das Haus Gottes". Weniger bekannt und touristisch kaum belagert hingegen ist der Ol Doinyo Lengai mit seinem "aus Wellen erkalteter Lava" geformten Gipfelplateau. Noch heute bringen die Massai am Fuße dieses Gottesberges Tieropfer dar, um Ngai zu besänftigen, ihren Ein-Gott.
In Asien dient der Himalaya als Thron vieler kleiner und großer Gottheiten. Dort findet man den höchsten Berg der Welt, den "Mount Everest". Der Name geht zurück auf einen englischen Landvermesser. Passender sind für Lutz Maurer jedoch die ursprünglichen Namen der Tibeter und Nepali.
"Es sind zu allermeist religiöse Namen, die Bewunderung und tiefe Ehrfurcht vor den Bergen und ihren Gottheiten ausdrücken. Der tibetische Name Chomolungma bedeutet 'Muttergöttin des Landes', das nepalesische Sagarmatha (...) bedeutet 'Gipfel in den Wogen des Meeres'. Eine ferne Erinnerung wohl an das kosmische Urmeer, das vor der Schöpfung das Universum bedeckte."
In Amerika zählen die vier Präsidentenköpfe des Mount Rushmore zu den großen touristischen Attraktionen. Man findet sie in den Black Hills, den heiligen Bergen der Sioux und Cheyenne. Dort konzentrieren sich Maurer und Raich auf den sogenannten "Teufelsturm". Der überwältigende, mehrere hundert Meter hohe Basaltturm ist ein wichtiger spiritueller Ort der Sioux und in deren Augen eine Schöpfung des Großen Geistes.
Zuletzt wenden sich die Autoren dem "Alten Europa" zu. Neben dem Olymp kommen christliche, mitunter einst keltische Pilgerstätten in den Blick. Auf den irischen Croagh Patrick, den 764 Meter hohen Berg des Patricius, kann man nur zu Fuß gelangen. Zur Schwarzen Madonna auf dem Montserrat hingegen, auf den "zersägten" Bergstock im Herzen Kataloniens, führen eine gut asphaltierte Straße und eine Seilbahn. Angesichts heutiger Pilgermassen mag Goethe Recht behalten:
"Der Mensch wird nirgendwo Ruhe finden, außer im eigenen Montserrat."
Für Australien, so scheint es, hat das Geld nicht gereicht. Kein Wort zum Ayers Rock, dem heiligen Berg der Aborigines. Dennoch ist den Autoren ein gut lesbares, reichlich bebildertes Buch gelungen. Es erweitert den Blick, führt hin zu einer oft übersehenen Dimension. Es macht Lust, der vorgeführten Reiseroute etappenweise zu folgen.
Rezensiert von Thomas Kroll
Lutz Maurer / Markus Raich: Hoch und heilig. Berge in den Religionen und Mythen der Welt
Styria Verlag, Wien, Graz, Klagenfurt 2008
208 Seiten, 29,95 Euro