Ornament des sozialistischen Staatsdenkens

Von Carsten Probst |
Er schuf eines der berühmtesten Gemälde der DDR, "Am Strand", und das monumentale Mosaik am Haus des Lehrers am Berliner Alexanderplatz. Der im Alter von 84 Jahren verstorbene Maler und Grafiker Walter Womacka war einer der bekanntesten Vertreter des Sozialistischen Realismus.
Ein blonder, blauäugiger, sonnengebräunter Mann liegt am Strand, neben ihm sitzt eine junge Frau halb abgewandt, ein Bein an den Oberkörper gezogen, ihr Blick geht versonnen in die Ferne und scheint nicht auf seine bewundernden Blicke zu reagieren. Es ist die "Natürlichkeit" dieser Szene, die von vielen Besuchern der 5. Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1962/63 so gerühmt wurde. Bei den obligatorischen Besucherbefragungen sprachen sich 63 Prozent für dieses Gemälde als dem beliebtesten der ganzen Ausstellung aus. In der Folge wurde es für Kalenderdrucke in der DDR, aber auch im Ausland über drei Millionen Mal reproduziert. Ein Briefmarkendruck in 12 Millionen Exemplaren kam 1968 hinzu.

Während seit der Wende die meisten mit dem Namen von Walter Womacka wohl vor allem seine monumentalen Gemäldefriese an offiziellen DDR-Bauten wie dem Haus des Lehrers am Berliner Alexanderplatz verbinden, war für die DDR-Bürger eher jenes kleine, millionenfach reproduzierte Gemälde "Am Strand" das bekannteste Werk dieses Künstlers. An ihm lässt sich, zumindest indirekt eine ganze Kunstgeschichte der DDR festmachen, insbesondere ihr Elend vor und nach Schließung der Grenze 1961.

Der Bitterfelder Weg, der sich um eine Erweiterung des bis dahin engen Kunstkanons der DDR bemühte, fand nämlich beim breiten Kunstpublikum zunächst wenig Gegenliebe. Kunstproduktion und Kunstrezeption liefen schon seit geraumer Zeit zuvor in der DDR auseinander. Figürlich malende Künstler aus dem Westen, allen voran Karl Hofer, hatten sich noch Anfang der 50er-Jahre gemeinsam mit Kollegen aus der DDR für eine Rehabilitation der Moderne eingesetzt, die in der Nazizeit als "entartet" gebrandmarkt worden war.

Schon da wurde deutlich, dass das nicht geringe Teile des Kunstpublikums der DDR in seinen Urteilen über moderne Kunst mit denen aus der Zeit des Nationalsozialismus durchaus übereinstimmte. Ein Phänomen, das der Westen allerdings in dieser Zeit durchaus auch kannte. Der Unterschied bestand darin, dass die DDR-Führung sich einer expliziten Sehnsucht nach einem deutschen Kunstideal der vergangenen Jahrzehnte bediente und eine in diesem Sinn "volksnahe Kunst" propagierte.

Die rückwärtsgewandte Kunst wurde als "Dokumentation der neuen Sinngebung unseres Lebens" verstanden - und Walter Womackas Bilder verkörperten in ihrer Gänze und ungebrochen dieses Ideal. Das Paar der Strandszene galt in der Publikumsbefragung als "sauber und natürlich", "nichts ist übertrieben", die Liebesbeziehung zwischen beiden wirke "rein", die Farben "haben Frische und Kräftigkeit".

Das sind die Kriterien, nach denen sich Womackas gesamte Kunst bemaß. Ihr klarer, für alle lesbarer Bildaufbau machte sie geeignet für Großflächen, als künstlerisch angehauchtes Ornament des sozialistischen Staatsdenkens. Womacka war handwerklich souverän genug, um diese Linie stilbildend durchzuhalten. Es sind oft gerade seine Werke, die das Klischee des Sozialistischen Realismus im Westen geformt haben, zum Schaden all jener Künstler, die sich in der DDR stets um viel umfassendere Kunstbegriffe bemüht haben. Womacka hatte Einfluss, sowohl als Professor, dann auch als Rektor der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der er von 1968 bis 1988 war und an der Georg Baselitz einst, wenn auch nur für kurze Zeit, sein heute bekanntester Schüler war. Er war Vizepräsident des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR, und in diesem Sinn ist und war er eine historische Persönlichkeit, die auch nach 1989 an der Berechtigung der Berliner Mauer und der Niederschlagung der Prager Frühlings festhielt.

Die Bewahrung einiger seiner großen Wandgemälde vor allem im einstigen Ost-Berlin, seine Präsenz in zahlreichen öffentlichen Sammlungen sind für eine differenzierte Kunstgeschichtsschreibung der Zeit zwischen 1945 und 1990 unausweichlich und leider unerlässlich.