Orientierungshilfe im Medikamentendschungel

"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" - oder Sie greifen zum Klassiker in Sachen Patientenaufklärung: Zum 25-jährigen Jubiläum hat der Verlag nun die aktuelle Ausgabe des Mammutwerkes als preiswerte Jubiläumsausgabe herausgebracht.
Auf stolzen 1120 Seiten listet der Klassiker "Bittere Pillen" über 10.000 rezeptpflichtige und frei verkäufliche Medikamente auf. Nicht nur konventionelle Produkte werden unter die Lupe genommen, sondern auch Naturheilmittel und Homöopathika. Für die Qualität des Buches stehen die mit Publizistik-Preisen ausgezeichneten Autoren Hans Weiss und Hans-Peter Martin, denen eine wissenschaftlich-medizinische Gutachterriege zur Seite steht.

In der aktuellen Sonderausgabe von "Bittere Pillen" erhalten nicht unerhebliche 25 Prozent aller Medikamente eine negative Einschätzung. Dennoch verstehen die Autoren "Bittere Pillen" nicht als Buch gegen Medikamente. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, eigenständig auf Basis einer seriösen gutachterlichen Grundlage über den sinnvollen Gebrauch von Arzneimitteln zu entscheiden.

Weil sich das Buch in erster Linie an Laien richtet, setzen die Autoren auf Verständlichkeit: Kapitelüberschriften lauten simpel "Schmerzen", "Gelenke", "Allergien", "Infektionen" oder "Zuckerkrankheit", auch Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, Potenzmittel, Krebstherapeutika und Suchtmittel werden behandelt.

Am Anfang jedes Kapitels steht eine allgemeine Einleitung. Da wird zum Beispiel daran erinnert, dass Schmerzen ein wichtiges und natürliches Alarmsignal des Körpers sind - und die beste Schmerzbekämpfung darin besteht, etwas an den Ursachen des Schmerzes zu verändern.

Außerdem werden die Wirkstoffe der Arzneimittel - für Laien verständlich - erläutert. Es folgen lange Tabellen, die Medikamente, Nebenwirkungen und Kurzbewertungen auflisten.
Die Kategorien lauten kurz und prägnant "therapeutisch zweckmäßig", "möglicherweise zweckmäßig", "wenig zweckmäßig" oder "abzuraten". Hinter "abzuraten" kann sich eine Fülle von verschiedenen Qualifikationsmerkmalen verbergen: Das Medikament kann unzweckmäßig sein, es kann viele unerwünschte Wirkungen haben, es kann wirkungslos sein oder seltene, aber lebensbedrohliche Nebenwirkungen hervorrufen.

Wer schnell wissen möchte, wie ein bestimmtes Medikament bewertet wurde, schlägt hinten im Register nach und wird dann auf die Seite mit der Kurzbewertung verwiesen.
Wie nützlich ein Blick in "Bittere Pillen" sein kann, zeigt das Beispiel der Schmerzmittel, die in Apotheken oft bedenkenlos gekauft werden. "Thomapyrin" etwa gehört zu den Klassikern - und zu den Kombinationspräparaten: In einer Tablette stecken 250 Milligramm Acetylsalicylsäure, 200 Milligramm Paracetamol und 50 Milligramm Koffein. Mittel gleichen Typs sind zum Beispiel "Neuranidal", "Titralgan" und "Neuralgin".

Die Beliebtheit dieser Medikamente liegt nicht zuletzt am "Doping" mit Koffein, wie es die Autoren nennen: Der Stoff macht fit und leistungsfähig. Das Problem ist nur: Setzt man das Medikament wieder ab, kommt es häufig zu "Entzugskopfschmerzen". Der nächste Griff zur Medikamentenschachtel ist vorprogrammiert.

Wer dies und anderes wissen möchte, bevor er eine Pille schluckt, wer Heilsubstanzen kritisch und sachgerecht einsetzen möchte und als Patient oder Arzt unabhängige Informationen wünscht, findet in "Bittere Pillen" eine kompetente und umfassende Orientierungshilfe.

Rezensiert von Susanne Billig

Kurt Langbein, Hans-Peter Martin, Hans Weiss: Bittere Pillen. Nutzen und Risiken der Arzneimittel
Kiepenheuer & Witsch Verlag 2007
1120 Seiten, Sonderausgabe, 12,90 Euro