Orient-Mode trifft West-Mode

Von Dirk Fuhrig · 11.08.2005
Moderne Mode für Frauen in arabischen Länden - das scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein. Schließlich nehmen wir Frauen aus dieser Region häufig vor allem als Tschador-Trägerinnen wahr. Dennoch gibt es selbst in der Golfregion, vor allem aber in Marokko, Tunesien oder auch dem Libanon, eine fortschrittliche Designszene. Einige dieser hierzulande bislang kaum bekannten Modeschöpfer stellt das "<papaya:link href="http://www.ifa.de/" text="Institut für Auslandbeziehungen" title="Institut für Auslandbeziehungen" target="_blank" />" jetzt in der Ausstellung "Arabische Welten – Modewelten" in Berlin vor.
" In meiner Heimat ja, da bin ich die einzige, wenn ich ins Ausland gehe nicht. Meine Kleidung ist zwar eng verbunden mit einer orientalischen Form von Weiblichkeit, sie ist so leicht und luftig, ich glaube kaum, dass ein Europäer das so machen würde. Aber dennoch ist meine Mode eher universell, international orientiert, vor allem was die Käufer anbetrifft. Im Libanon ist es die einzige Kollektion dieser Art. "

Milia M. macht Mode für moderne Frauen auf der ganzen Welt. Die Kleider der Libanesin lassen sich kaum unterscheiden von Kollektionen in Frankreich beispielsweise: Sommerliche Blusen, rückenfreie Tops oder zarte Trägerhemdchen. Tragbare Alltagsmode. Beirut ist eine vergleichsweise weltoffene Stadt. In dem einstigen "Paris des Ostens", das seit dem Ende des Bürgerkriegs wieder Anschluss an die Welt sucht, sind Frauen einer weniger strengen Disziplin unterworfen als etwa in den orthodoxen Golfstaaten. Das wirkt sich auch auf die Mode aus.

Milia M. hat zwar in Paris studiert, verkauft jedoch vorwiegend in ihrem Laden in Beirut – wenn nicht in New York oder Tokio, wo die Schnitte der 1971 geborenen Libanesin als Geheimtipp gelten. Es ist wirklich nur ein Hauch von Orient, der ihren puristischen Modellen anhaftet:

"Absolut. Das ist so zu sagen die Anti-These zu dem was ein Araber für eine arabische Frau entwerfen würde. Die orientalische Designerin schwingt bei mir höchstens etwas mit, nicht bewusst, eher gefühlsmäßig. "

Aber nicht alle Designern, die in der ifa-Galerie porträtiert werden, haben sich derart weit von der traditionellen Formensprache gelöst.

Barbara Barsch: "Ich darf die anfassen, sonst darf man die nicht anfassen. "

Barbara Barsch lässt ihre Finger vorsichtig über den Saum des Perlen-besetzten Stoffes gleiten. Die Leiterin der ifa-Galerie ist selbst ganz geblendet vom verführerischen Glanz dieses federleichten Sommerkleids, das die Kuwaiterin Adiba Al Mahboub entworfen hat.

Barsch: "Hauchzarte, wundervolle Stickereien hier und Stoffe auf diesen … also, es ist wunderwunderschön und grenzt fast sogar an Kitsch. "

Weil es so prächtig ist. Überbordende Muster, dünnes Gewebe, Bauch und Schultern weitgehend frei – kaum zu glauben, dass so etwas in einem traditionell arabischen Land getragen wird.

Barsch: "Dazu muss man wissen, dass die Frauen, wenn die ihre Feste feiern, die Feste der Familie feiern, Frauen und Männer natürlich getrennt feiern. Und die Frauen durchaus in der Frauenwelt auch in der Lage sind, diese Kleider zu tragen. Natürlich, sobald sie in die Öffentlichkeit gehen, wird der Tschador übergelegt, das ist ganz selbstverständlich. Dieses Wechselspiel zwischen darunter und drüber, also der öffentlichen Welt und der sehr intimen, privaten Welt kann man eigentlich an diesen Kleidern wunderbar sehen. Weil es eigentlich unvorstellbar ist, dass eine islamische arabische Frau ein solches schönes Kleid trägt – nicht weil es schön ist, sondern weil es sehr freizügig ist. "

Für uns im Westen eine schizophrene Situation: Die arabische Frau kleidet sich nicht schick und verführerisch, um auszugehen, sondern um zu Hause zu bleiben.

Barsch: "Wir wollten ja in der Ausstellung zeigen, wie sich die traditionelle Mode aus dem Orient mit dem Okzident verbindet. Die Designer haben alle in Paris und in Europa studiert und bringen dieses europäische Wissen in ihre eigene Welt mit und verarbeiten das in den eigenen Schnittmustern und was auch immer. "

Orient-Mode trifft West-Mode. Wie man sich kleidet, so lebt man auch. Es macht den Anspruch der Berliner Ausstellung aus, dass sie nicht nur einfach sechs interessante Designer-Kollektionen zeigt, sondern auch versucht, einen gesellschaftspolitischen Hintergrund zu skizzieren. So wird auch das Verhältnis der Kleidung zum Frauenbild in der arabischen Welt beleuchtet. Neben den Kollektionen werden auch die Werke der Foto-Künstlerin Majida Khattari gezeigt. Die Marokkanerin hat sich explizit dem Thema der Verhüllung und Enthüllung gewidmet. Die Burka wird in ihren Fotos zum vergitterten Gefängnis, die verschleierte Frau zur Skulptur. "Tschador, j’adore" – Tschador, ich finde Dich toll, steht neben einem der Bilder. So unbeschwert und ironisch kann sicherlich nur eine Frau mit der Schleier-Frage umgehen, die nicht in einer traditionellen Gesellschaft lebt, sondern – wie Majida Khattari - in Paris.

Für Milia M. aus Beirut ist die Verhüllung kein Thema. Sie beklagt eher die allzu große Marken-Versessenheit der arabischen Frauen – da haben es moderne, eigensinnige Kollektionen wie die ihre noch schwer:

"Die arabische Kundin folgt immer noch sehr den Traditionen. Oder sie orientiert sich an dem was in den USA und in Europa passiert. Die Frauen hier sind noch nicht sehr individualistisch. In unseren Ländern gibt es keine "Street Fashion". Man sieht die Leute in Gucci, Galliano oder Prada. Es muss teuer sein. Auf diesem Niveau sind wir noch. Keiner traut sich, ein einfaches T-Shirt ohne großen Markennamen drauf mit einem Rock zu tragen. "