Widerspruchslösung für Organspenden

Verantwortung über den Tod hinaus

07:03 Minuten
Illustration: Hände übergeben eine gesunde Niere in eine andere Hand.
In der Bereitschaft zur Organspende kann Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zum Ausdruck kommen, meint Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters. © Getty Images / CreativeDesignArt
Ulrich Khuon im Gespräch mit Jana Münkel · 17.01.2023
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Gesundheitsminister Lauterbach plädiert für eine Widerspruchslösung bei Organspenden. Der Theaterleiter Ulrich Khuon hält das für richtig: Dem zunehmenden Individualismus zum Trotz sollten wir füreinander einstehen, so Kuon.
Die Bereitschaft zur Organspende ist in Deutschland zurückgegangen. 869 Menschen haben hierzulande im Jahr 2022 nach ihrem Tod Organe gespendet, 64 weniger als im Vorjahreszeitraum. Demgegenüber stehen laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung rund 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.

Wer nicht widerspricht, stimmt zu

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor diesem Hintergrund die sogenannte "Widerspruchslösung" ins Gespräch gebracht: Nach dieser Regelung wären all jene automatisch zur Organspende bereit, die nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprechen.
Der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin Ulrich Khuon pflichtet Lauterbach bei: "Ich finde, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Er ist Teil von einem Kosmos, er hat eine Verantwortung in einem Kosmos, und er nimmt diese Verantwortung viel zu wenig wahr." Das hat nach Khuons Eindruck auch mit einem zunehmenden Individualismus zu tun.

Ich bin vehement dafür, dass wir als Menschen aus unserer Identitätsloshaftigkeit, unserer Selbstumkreisung herauskommen, mehr Verantwortung übernehmen für andere - und sei es eben mit unserem Körper, mit unseren Organen, wenn wir tot sind.

Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters

Der Rückgang der Spendenbereitschaft überrasche ihn nicht, gerade während der Coronapandemie seien wir nicht sozialer geworden, "sondern noch empfindlicher, noch mehr auf uns selber bedacht, egomaner", sagt Khuon. "Dauernd haben wir den Eindruck, unser Ich-Kreis wird berührt und beschädigt, und natürlich sagt man: Auch nach dem Tod muss meine Individualität geschützt sein."

Gemeinschaft verpflichtet

Khuon macht demgegenüber eine soziale Verpflichtung stark, die über den Tod hinausreiche: "Nicht nur Eigentum verpflichtet, sondern auch dass man Teil einer Gesellschaft ist, verpflichtet." Dazu gehöre nach seinem Verständnis auch, "dass man anderen hilft mit seinen Organen", und von Menschen, die das aus persönlichen Gründen ablehnen, könne man mit Recht verlangen, dass ihren Widerspruch aktiv äußern, so Khuon.

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"Diese winzige Mühe: Du musst Nein sagen zur Behelligung deiner körperlichen Integrität, das finde ich keine zu hohe Forderung, weil ich das Gut der Gemeinschaft sehr, sehr hoch einschätze", unterstreicht Ulrich Khuon. "Da wird keine Freiheit eingegrenzt, sondern man sagt: Du musst dich halt dazu verhalten. Man muss sich zu vielem verhalten im Leben. Insofern finde ich das richtig, und ich glaube, dass viele dann nochmal anders darüber nachdenken."
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