Organistin Iveta Apkalna

Am Spieltisch der Emotionen

36:12 Minuten
Die lettische Organistin Iveta Apkalna ist im Halbprofil zu sehen, sie hat blonde lange Haare und trägt ein orange-blaues langärmeliges Kleid.
Abtauchen in eine ganz andere Welt: Für Iveta Apkalna ist die Orgel das richtige Instrument, Gefühle und Erfahrungen auszudrücken. © Aiga Redmane
Moderation: Katrin Heise · 26.08.2021
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Sie erhielt als erste Organistin einen Klassik-Echo und eröffnete 2017 die Elbphilharmonie – Iveta Apkalna. Die in Hamburg lebende Musikerin begeistert mit elegantem und leidenschaftlichem Orgelspiel.
In ihrem Arbeitsalltag muss Iveta Apkalna die eine oder andere Nachtschicht einlegen. Doch die 44-Jährige ist weder Krankenpflegerin noch Notärztin: Sie ist die Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie. Begehrt wie der berühmte Konzertsaal ist, habe sie ihre "Übestunden in der Elbphilharmonie tatsächlich nur nachts". Wobei dieser Umstand im Leben professioneller Konzertorganistinnen keine Seltenheit sei. Und zuhause komme sie auch mit einer Digitalorgel bestens zurecht.

Orgelspiel als Ausdauersport

Mit beiden Händen und beiden Füßen zu spielen, erfordert nicht nur Können und Disziplin, sondern auch Ausdauer. "Unser Instrument strengt den ganzen Körper an", sagt Iveta Apkalna, "aber während wir spielen, sollen wir das alles auf die Seite legen und uns nur auf die Musik und unsere Emotionen konzentrieren". Üben bedeute dabei nicht nur spielen, sondern auch "ganz viel denken, ganz viel lesen, sich Inspiration holen in anderen Facetten des Lebens".
Sie selbst fühle sich "immer sehr befreit, wenn ich Orgel spiele" und lerne dabei jedes Mal wieder etwas Neues über sich, "nicht nur in dem Sinn, was ich technisch kann". Sie tauche "ab in eine ganz andere Welt". Wer die wirkliche Iveta Apkalna kennenlernen möchte, der solle zu ihren Konzerten kommen: "Da zeige ich alle meine Erfahrungen und Emotionen."

Mit Liedern gegen die Panzer

1976 im damals noch sowjetischen Lettland geboren, beginnt Iveta Apkalna als Fünfjährige mit dem Klavierunterricht. Schon als Neunjährige genießt sie die Auftritte und den Applaus auf der Bühne. Auch wenn sie die Theoriestunden in Harmonielehre hin und wieder für ihr Hobby des Eislaufens verpasst und mit Lampenfieber kämpft, sei sie in diesen Momenten "beschenkt und reich mit diesen Emotionen" gewesen.
Als Teenager steht sie "auf der Straße mit Barrikaden aus Dingen, die wir im Haus hatten" und singt gemeinsam mit ihren Landsleuten "gegen die Panzer". Erst nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion, in der das Orgelspiel mitunter als kirchliches Instrument verpönt war, bekommt sie Zugang zu einer Orgel und studiert später in Riga, London und Stuttgart.
Sie habe von großartigen Professorinnen und Professoren gelernt und trotzdem auch Tiefpunkte und Momente des Zweifelns erlebt. Teilweise sei es ihr vorgekommen, als müsse sie "eine größere Mission erfüllen, nicht nur gut spielen können." Die Idee, die Orgelmusik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, begleitet sie schon als Studentin. Seitdem hat die Musikerin zahlreiche CDs eingespielt, sie tritt auf der ganzen Welt auf und erhielt als erste Organistin einen Klassik-Echo.

Klarheit und Nachhall

Als Titularorganistin der Elbphilharmonie darf sie seit 2017 "mehrere Male pro Saison dort am Spieltisch Platz nehmen". Sie bringt dort auch Werke zur Uraufführung, die genau für dieses Instrument komponiert wurden.
"Jede Orgel ist ganz anders", sagt die Musikerin. "Wir passen jedes Programm an die jeweilige Orgel an." Neben der Orgel in der Elbphilharmonie und der Orgel, auf der sie in ihrer Heimat Riga spielt, hat es ihr vor allem ein Instrument angetan: die Orgel in der Konzertkirche in Neubrandenburg. Bei diesem "Konzertsaal in Kirchenmauern" kommt die Lettin ins Schwärmen. Die besondere Mischung des Gebäudes führe musikästhetisch betrachtet zu einer "Kombination aus Klarheit und Nachhallzeit" – das sei "ein leckeres, ein appetitliches Detail" des Raums und des Instruments.
Umso glücklicher ist Iveta Apkalna, dass ihr die Ehre zuteil wurde, die Orgel in Neubrandenburg mit einzurichten. Der Rahmen sei vorgegeben – Größe der Orgel, die Maße des Raums – aber sie habe die Möglichkeit bekommen, den Rahmen mit Farbe zu füllen. "Es ist eine große Verantwortung, aber auch eine fantastische Möglichkeit."
(era)
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