Organische Elektronik zum Wegwerfen

Von Michael Engel · 11.04.2013
Bei der Produktion von Handys und Laptops werden giftige Metalle verwendet. Das könnte sich bald ändern: Die sogenannte "Wegwerf-Elektonik" besteht ausschließlich aus Kunststoffen. Auf der Hannover Messe werden aktuelle Entwicklungen vorgestellt.
"OLED meets luxury" – so umschreibt der Hersteller aus Dresden seine futuristisch anmutende Schreibtischlampe aus pechschwarzer Carbonfaser. Der Clou dabei sind aber die leuchtenden Kacheln: Kostenpunkt für das luxuriöse Produkt: 5000 Euro. Das Kürzel OLED steht für "organische LED" - ein völlig neuartiges Leuchtmittel. O-LEDs leuchten erstmals in der Geschichte der Lampen flächig, erklärt Dr. Dominik Gronarz von Organic Elektronic Saxony:

"Das ist keine Punktlichtquelle mehr und auch – wie die Neonröhre – keine Stablichtquelle, sondern es ist ein flächiges Licht. Das sind ultradünne Schichten, wenige hundert Nanometer dick und bringen ein sehr angenehmes, homogenes, warmes Licht zum Vorschein."

Die ultradünnen Schichten, von denen der Manager spricht, bestehen aus speziellen durchsichtigen Folien, die durch Strom zum Leuchten gebracht werden. Damit, so Jitka Barm von Organic Electronic Saxony aus Dresden, lassen sich völlig neue Beleuchtungskonzepte verwirklichen:

"Man kann sich vorstellen, dass eine ganze Fläche nicht beleuchtet wird, sondern aus sich heraus selber leuchtet. Und wenn man vorhandene Flächen nimmt, die einfach da sind, und die aus sich heraus leuchten, könnte man zum Beispiel ganze Raumkonzepte ganz anders gestalten, weil man flächig etwas beleuchten kann, von oben, von unten, auch vorhandene Fenster könnten leuchten. Weil diese organischen Leuchtdioden den Vorteil haben, dass sie transparent gestaltet werden können. Das heißt, am Tag ist es ein ganz normales Fenster, und am Abend kann genau dieses Fenster Licht abgeben."

Hauchdünne Displays und metallfreie Akkus
Ultraflach, biegsam, bei Bedarf auch transparent: Die Folien haben es in sich. Wenn andere Polymere verwendet werden, kann man daraus zum Beispiel einen Akku in Form einer hauchdünnen Folie machen. Organische Stromspeicher können in weniger als fünf Minuten aufgeladen werden – also wesentlich schneller als herkömmliche Akkus mit Lithium. Der Chemiker Tobias Janoschka von der Uni in Jena forscht an diesem neuartigen Batterietyp:

"Langfristig gesehen könnte man natürlich darüber nachdenken, auch in Handys und Ähnliches zu gehen. Diese Batterien zeichnen sich durch eine sehr schnelle Ladefähigkeit aus, was für mobile Anwendungen natürlich von Interesse ist. Es gibt aber auch, das muss man ehrlich sagen, auch einen kleinen Nachteil. Und zwar sind das die Speicherkapazitäten, die im Moment geringer sind als bei normalen Lithium-Akkus, wie man sie in Handys verwendet, der Fall ist. Man muss sich dann überlegen: Klemme ich mein iPhone oder mein Telefon einfach mal für fünf Minuten an die Steckdose, und dann ist es wieder voll. Oder habe ich einen Akku, der zwar sehr lange hält, dann aber auch mehrere Stunden aufgeladen werden muss."

Handys – noch flacher – fast so dünn wie eine Folie, auch das wird mit der organischen Elektronik mal möglich werden. Mit den Kunststoffen lassen auch nämlich auch Schaltkreise konstruieren, organische Dünnschichttransistoren, sogar Displays mit elektronischer Tinte, die hochaufgelöste Bilder zeigen. Auf dem Messestand von Organic Electronic Saxony wird ein Armband aus reißfester Plastikfolie gezeigt, das viele elektronische Elemente beinhaltet. Das Armband kann zum Beispiel die Uhrzeit einblenden oder als externe Anzeige für das Smartphone dienen. Noch einmal Dominik Gronarz:

"Also die Anwendungsbereiche sind bisher noch gar nicht überschaubar. Ich kann mir viele Anwendungen zum Beispiel im Flugzeugbereich vorstellen, wo jedes Gramm Gewicht eine große Rolle spielt und ich dort sehr viele Einsparmöglichkeiten habe. Ich habe im Verpackungswesen ungeahnte Möglichkeiten, wenn ich Haltbarkeit, wenn ich Produktinformationen integrieren möchte. Wenn das in Massenserie hergestellt wird, ist das auch aufgrund der dünnen wenigen Materialien eine Möglichkeit, die dann kostengünstig herzustellen und anschließend wegzuwerfen, weil keine giftigen Schwermetall drin sind."

Die "Organische Elektronik" wird auch "Polymer-Elektronik" genannt, weil hier Polymere, das heißt Kunststoffe, zum Einsatz kommen. Und weil Plastik – zumindest derzeit – noch ein preiswerter Werkstoff ist, wird schon von "Wegwerf-Elektronik" gesprochen.

Noch etwas Zukunftsmusik sind TV-Geräte auf der Basis von flexiblen Displays. Eine Hürde auf dem Weg ins Wohnzimmer ist zum Beispiel die geringe Bildwiederholungsfrequenz. Die Folien können nur zwölf Bilder pro Sekunde erzeugen. Für ruckelfreie Filme wären aber mindestens 20 bis 24 Bilder nötig. Am Horizont stehen dann Fernseher, die hauchdünn und großflächig auf die Wand tapeziert werden können. Die Zeit der schwarzen Plastikkästen voller Elektronik scheint sich wohl dem Ende zuzuneigen. Schöne, neue Welt – und voller Folien.


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