Ordensschwestern in Jordanien

Eine helfende Hand für ausgebeutete Frauen

Schwester Ursula und Schwester Concy segnen eine Migrantin. Bild von Ursula Schulten.
Schwester Ursula und Schwester Concy segnen eine Migrantin © Ursula Schulten
Von Cornelia Wegerhoff · 25.06.2017
Die Salvatorianerinnen sind über 1100 Ordensschwestern, die derzeit in 27 Ländern Dienst am Nächsten leisten. In Jordanien helfen Schwester Ursula Hopfensitz und ihre Mitschwestern ausgebeuteten asiatischen Hausangestellten aus Ländern wie Sri Lanka.
Geschirr klappert. Ein 13-Jähriger huscht mit verlegenem Gesicht durch den Flur. Aus der Küche ist die leise Stimme seiner Mutter zu hören. Ein appetitlicher Duft zieht durch die Wohnung der Salvatorianerinnen in der jordanischen Hauptstadt Amman. Hier leben vier Ordensfrauen. Doch die Tür steht immer auf für Gäste.
"Wer kommt, der kriegt dann auch einen Teller Essen. Das ist ja ganz klar."
... meint Schwester Ursula. Sie sitzt bei einem Glas Tee im Wohnzimmer. Auf dem Tisch liegt eine der Aufklärungsbroschüren, die sie zusammen mit Schwester Concy, die aus Sri Lanka stammt, verfasst hat. Darin warnen die beiden Ordensschwestern Frauen aus Ländern Südostasiens davor, sich von Agenturen völlig unbedacht als Dienstmädchen in Jordanien anwerben zu lassen. Denn hier angekommen, geraten viele in Not. Lina, die mit ihrem Sohn nebenan am Küchentisch sitzt, ist nur ein Beispiel von vielen, sagt Schwester Ursula.

"Sie behandeln die Frauen wie Sklaven"

"Es ist reine Geldmacherei, diese Migranten-Situation. Wir wissen von der srilankischen Botschaft zum Beispiel, die geben die Zahl 35.000 an. Vielleicht doppelt so viele aus den Philippinen, viele, viele aus Bangladesh. Und seit Neuestem aus Ost-Afrika, Kenia und Äthiopien."
Diesen meist jungen Frauen wird in Jordanien eine geregelte Anstellung als Haushaltshilfe versprochen, ein für ihre Verhältnisse sehr gutes Gehalt, mit dem sie sich nach ihrer Rückkehr eine bessere Zukunft aufbauen könnten. Dafür lassen die Frauen sogar Mann und Kind zurück und nehmen oft blauäugig die Reise ins Unbekannte auf, erzählt Schwester Ursula.
"Der Hauptgrund ist schon die Armut und dieser Wunsch, auch meinen Kindern eine gute Ausbildung zu vermitteln oder ein kleines Häuschen zu bauen. Und wenn ich jetzt so viel Geld verdiene, dann kann ich das alles machen. Leider ist eben so, dass es dazu nicht kommt."
Die jordanischen Arbeitgeber nähmen den Frauen nämlich in der Regel als erstes den Pass weg und nutzten dann oft ihre hilflose Lage in der Fremde aus, berichtet Schwester Concy:
"Sie bezahlen den Lohn nicht. Manchmal behandeln sie die Frauen nicht wie Menschen, sondern wie Sklaven. Sie haben keinen freien Tag und auch sonst keine Freiheiten, nicht mal die zu sprechen."

Wenn die Frauen fliehen, droht Gefängnis

Da ist es nicht immer einfach, mit den betroffenen Frauen überhaupt ins Gespräch zu kommen. Manche treffen die Schwestern nur beim Einkaufen auf dem Markt. Neben Freiheitsentzug ist dabei auch sexuelle Gewalt ein Thema. Noch einmal Schwester Ursula:
"Irgendwann rennt sie dann vom Arbeitsplatz weg und mit diesem Schritt ist sie ja eben illegal. Und das wirklich die größte Katastrophe. Sie sind jetzt ja ohne Papiere, ohne Rechte. Sobald sie von der Polizei aufgegriffen werden, sind sie im Gefängnis."
Die katholischen Nonnen scheuen sich auch nicht vor dem Besuch hinter Gittern. Die jordanischen Behörden kennen die Salvatorianerinnen in ihrer schlichten blau-weißen Tracht und gewähren ihnen Zugang zu den Inhaftierten.
"Im Gefängnis wird der Fall bearbeitet und nach vier, fünf Monaten sagt die Polizei: Wenn du ein Rückflug-Ticket hast, kannst du gehen. Wo soll eine Frau, die im Gefängnis ist, ein Rückflug-Ticket herbekommen?"
Also recherchieren die Schwestern die fehlenden Passinformationen, bitten um Spendengeld, kaufen ein Flugticket. Sie unterhalten enge Kontakte zu den Botschaften, zu Menschenrechtsorganisationen und zu einer Gruppe jordanischer Rechtsanwälte, die sich kostenlos für die ausländischen Dienstmädchen stark macht. Manche Arbeitgeber versuchten die Opfer nämlich nachträglich sogar als Täterinnen abzustempeln.
"Ohne Rechtsanwalt geht es dann auch nicht. Wenn die Madam sagt, die hat meine Goldkette gestohlen. Da muss die Frau sich ja irgendwie ein bisschen wehren können. Und das ist möglich durch diese Rechtsanwälte. Freier Rechtsbeistand, das ist was ganz Tolles."

Unterstützung durch die Caritas

Die tatkräftigen Ordensfrauen widmen sich nun seit knapp 15 Jahren dieser Arbeit. Seit langem unterstützt sie auch die Caritas. Die katholische Wohltätigkeitsorganisation hat in Amman ein Migranten-Zentrum eingerichtet, in dem sich die Frauen aus Sri Lanka und anderen Ländern treffen können und zum Beispiel auch medizinische Hilfe bekommen. So wie Lina. Sie leidet unter hohem Blutdruck, eine Folge der vielen Aufregung, sagt sie selbst, als sie aus der Küche kommt:
"Ich bin aus Sri Lanka. Als ich nach Jordanien kam, war ich 17. Jetzt bin ich schon 20 Jahre hier, aber ich kann nicht weg."
Lina ist mit einem Flugticket nicht geholfen.
"Ich kam für einen Job. Dann verliebte ich mich in einen jordanischen Mann und ich heiratete. Wir haben drei Jahre miteinander verbracht, dann habe ich mich getrennt. Aber ich kann nicht nach Hause. Ich habe einen Sohn. Und das Problem ist, dass ich meinen Sohn nicht einfach mitnehmen kann in mein Land. Er hat keinen Pass. Sein jordanischer Vater müsste mir seine Erlaubnis erteilen, damit ich einen Pass für meinen Sohn machen kann. Mein Leben hier ist sehr schwierig."
Auch wenn er kaum Kontakt zu seinem Sohn hat, will der geschiedene Ehemann Linas Jungen keinen Pass ausstellen lassen. Sie will wiederum ihr Kind nicht zurücklassen. Also sitzt sie in Jordanien fest. Immerhin hat Lina zur Zeit gute Arbeitgeber.
"Ich arbeite für eine pakistanische Familie. Sie sind Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Ich bekomme 300 Jordanische Dinar Gehalt. 150 zahle ich für meine Wohnung, 100 für die Schule meines Sohnes. Da ist nicht mehr viel übrig. Aber die Schwestern sind so hilfsbereit. Manchmal helfen sie mir sogar mit dem Essen."
Mit den 50 jordanischen Dinar, die Lina monatlich bleiben, umgerechnet 60 Euro, kann sie nicht alle Kosten für sich und den 13-Jährigen bezahlen. Die Salvatorianerinnen helfen ihr regelmäßig aus.
"Sie sind wirklich eine große Hilfe, für so viele Leute. Sie helfen mir auch mit den Medikamenten."
Lina lächelt die Ordensfrauen dankbar an. Die Schwestern sind ihr Anker.

Zu wenig Frauen wissen von den Schutzhäusern

Auch die Botschaften von Sri Lanka und den Philippinen haben in Jordanien inzwischen sogenannte Schutzhäuser für Frauen eingerichtet. Doch immer noch wüssten zu wenige von diesem Angebot. Und schließlich sei auch seelische Hilfe wichtig, sagt Schwester Ursula.
"Es geht ja nicht nur um materielle Hilfe. Es geht auch um spirituelle Hilfe, psychische Probleme, die die Frauen aussprechen wollen, wo sie wissen, das bleibt hier."
Um vor den falschen Versprechungen der Dienstmädchen-Agenturen zu warnen, fliegen Schwester Ursula und Schwester Concy seit Jahren regelmäßig nach Sri Lanka. Dort treffen sie auch buddhistische Mönche, um sie für ihre Aufklärungskampagne zu gewinnen. Und auch auf Facebook informieren die Salvatorianerinnen über ihre Fälle.
Dass Schwester Ursula schon 80 Jahre alt ist, merkt ihr dabei keiner an. Schon mit 21 ging die Katholikin vom Schwabenland nach Rom ins Kloster. Vor ihrer Zeit in Jordanien wirkte die Nonne 20 Jahre lang in Tansania. Neben Englisch, Italienisch und ein bisschen Küchen-Arabisch, wie sie sagt, spricht Schwester Ursula so auch fließend Kisuaheli.
"Also, das hat schon ein bisschen was von dem Weltenbummler in sich. Wo die Not drängt, da sollten wir eigentlich sein. Und da sind wir jetzt hier in Jordanien gelandet."
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