Ordensschwester Lea Ackermann

"Unrecht hat mich schon immer auf die Palme gebracht"

67:06 Minuten
Lea Ackermann blickt lächelnd mit aufgestütztem Arm in die Kamera.
Lea Ackermann ist eine deutsche Ordensschwester und Frauenrechtlerin, die sich gegen Prostitution engagiert. © picture alliance / Erwin Elsner
Moderation: Susanne Führer · 25.12.2021
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Mut, Wut und Gottvertrauen treiben Lea Ackermann in ihrem Kampf gegen Prostitution seit Jahrzehnten an. Ob in Kenia oder in Deutschland: Die katholische Ordensfrau findet deutliche Worte – auch gegen ihre eigene Kirche.
Sie ist eine der bekanntesten Ordensschwestern in Deutschland: Lea Ackermann oder Schwester Lea, wie sie lieber genannt werden möchte. Bekannt auch, weil sie kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten zu benennen. „Unrecht hat mich schon immer auf die Palme gebracht“, sagt die 84-Jährige.

Die Hilfsorganisation SOLWODI

Seit über 30 Jahren setzt sich Lea Ackermann gegen die Prostitution von Frauen ein. Dafür gründete sie 1985 in Kenia die Hilfsorganisation SOLWODI (Solidarity with Women in Distress – Solidarität mit Frauen in Not). Seinerzeit war sie von ihrem Orden der „Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika“ in Mombasa eingesetzt und erlebte die Ausbeutung der Frauen hautnah mit. „Diese Touristen, die eigentlich genug Geld hatten für eine Weltreise, dann die Not der Frauen sahen und sie für ihre billige Vergnügung ausnutzten. Das hat mich geärgert.“
Lea Ackermann beließ es nicht beim Ärgern, sie handelte. Sie ging in die Kontaktcafés, sprach Frauen an. „Und da hat mir eine Frau gesagt: Meinen Sie, es macht Spaß, mit jedem Deppen abzuziehen, sich Krankheiten zu holen, mal Geld zu haben, mal nicht?“
Also musste Lea Ackermann eine Alternative für die Frauen auftun. Da sie zunächst selbst keinen Pfenning hatte, entwickelte sie mit den Frauen gemeinsam kreative Ideen: Sie gestalteten Schmuck, backten Körnerbrot. Die umtriebige Ordensfrau sammelte auch Spenden aus Deutschland ein. Heute zählt SOLWODI in Kenia 34 Beratungsstellen und ein Ausbildungszentrum.

Kampf für Frauen auch in Deutschland

SOLWODI unterhält auch Beratungsstellen und Schutzhäuser in Deutschland. Denn auch hier leben Frauen, die – oft unter falschen Versprechen – beispielweise aus Thailand, den Philippinen und Rumänien hergelockt und ausgenutzt werden. Oft lebten sie in der Illegalität und von Abschiebung bedroht, so Lea Ackermann. „Dann habe ich mich für viele Frauen eingesetzt, dass sie legal hierbleiben konnten.“
Wichtig für die SOLWODI-Gründerin ist, den Frauen eine Perspektive zu geben, Sprachkurse, Ausbildung und Arbeit, damit sie auf eigenen Beinen stehen können.  

Von der Bankerin zur Ordensschwester

Lea Ackermann wurde 1937 in Völklingen im Saarland geboren, wuchs streng katholisch auf. Auf Wunsch des Vaters machte sie eine Banklehre, arbeitete ein Jahr in Paris. Eine Banker-Karriere lag vor ihr, doch sie war unzufrieden. In ihr reifte der Wunsch, ins Kloster zu gehen: „Ich war schon eine fromme Frau.“
Durch einen Zufall ging es ganz schnell: Die Bank machte einen Betriebsausflug nach Trier, mit gutem Essen, einer durchtanzten Nacht. Am nächsten Tag stellte sich Lea Ackermann in dem Trierer Ordenskloster vor, „mit hochhackigen Schuhen und meinem Modellkleid aus Paris“.
Wenige Tage später eröffnete sie ihren Eltern: „Ich habe gekündigt und gehe ins Kloster. Mein Vater hat getobt, meine Mutter geheult.“ 23 war sie damals. Sie legte nach der Novizinnen-Ausbildung das Ordensgelübde ab: zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Mit dem Gehorsam habe sie die meisten Schwierigkeiten gehabt, bekennt sie heute lächelnd.

Mehr Rechte für Frauen in der Katholischen Kirche

Kein Wunder, denn Lea Ackermann wettert nicht nur gegen die Prostitution. „Es ist ein Unrecht zu denken, Frauen kann man kaufen – es gehört verboten.“
Sie kämpft auch für die Gleichstellung der Frauen in der Katholischen Kirche. „Ich finde, wir können da mutiger sein. Frauen können auch weihen und segnen.“
Vor einem Jahr hat Lea Ackermann aus Altersgründen die Leitung von SOLWODI abgegeben. Aber Ruhestand? Das liegt ihr nicht. Sie baut gerade eine neue Organisation auf: Die „Lea Ackermann Stiftung“ für Kinder in Not.
(sus)
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