Orchesterprojekt von Aziz Sahmaoui

Die Klänge Marokkos

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Aziz Sahmaoui and University of Gnawa mit dem MDR Sinfonieorchester beim Konzert im Werk 2 in Leipzig. © Stephan Witschas
Von Holger Beythien · 18.01.2016
Der Musiker Aziz Sahmaoui mischt die Klänge der Gnawa, einer ethnischen Minderheit in Marokko, mit westlicher Orchestermusik. Mit dem MDR-Sinfonieorchester hat er unter dem Titel das "Night in Morocco - Der Geist des Maghreb" aufgenommen.
Die Gimbri (gimm'bri) ist sein Instrument. Die dreisaitige Laute des Maghreb spielt er virtuos wie kaum ein zweiter: Als Konzertinstrument oder zu seinen Liedern.
Aziz Sahmaoui stammt aus Marrakesch und kam schon als 6-Jähriger mit der Musik seines Volkes, der 'Gnawa, in Berührung. Einer ethnischen Minderheit in Marokko, deren Musik stark rhythmisch und percussiv geprägt ist. So begann auch der kleine Aziz erst auf Trommeln zu spielen, um die hohe Kunst des percussiven Zusammenspiels zu erlernen. Später kam dann die Gimbri dazu. Jene dreisaitige, kastenförmige Laute, die der Junge recht schnell virtuos zu spielen lernte.
Doch nicht nur die Gesänge und Tänze seines Volkes und die des Senegals, Malis und Guineas interessierten ihn. Es waren auch Rock- und Folkmusik, die die jungen Leute begeisterten. Bing Crosby etwa, Graham Nash, die Beatles, Bob Dylan oder Joe 'Za-winul. In dessen Syndicate sollte Aziz Sahmaoui einige Jahre später mitwirken.
Aziz Sahmaoui hatte sich Ende er 80er Jahrehatte in Paris niedergelassen, um von dort aus im europäischen Jazz und in der internationalen Weltmusikszene Fuß zu fassen: als Sänger und Gimbri-Virtuose, als Percussionist und Komponist, als Arrangeur und: als Textdichter. Immerhin hatten seine Eltern von ihm verlangt, nach dem Abitur Literatur zu studieren und es waren denn auch die Texte der arabischen Poeten, die sich dem jungen Aziz als etwas Magisches erschlossen.
In Paris war er 1995 Mitbegründer des pan-maghrebinischen Orchestre National de Barbés. Nach dem nordafrikanischen Stadtviertel der Seine-Metropole benannt, dürften die bis heute in wechselnden Besetzungen aufspielenden Musiker aus Marokko, Algerien und Frankreich mit ihrem quirligen, nicht unkritisch reflektierten Mix traditioneller Musikstile des Maghreb längst alle großen Weltmusikfestivals bespielt haben.
Auftritte mit der WDR-Bigband
Daneben kommt es zu Aufnahmen und Auftritten mit der WDR-Bigband und vielen großen Musikern, wie etwa Rai-Star Khaled oder Ethno-Rockerin Souad Massi. 2010 schließlich gründet Aziz Sahmaoui in Marokko mit "University of Gnawa" seine eigene Band, um seine Vorstellungen von der traditionellen Musik der Gnawa, in betörend schöne Klänge umzusetzen. Er schreibt folkorientierte Lieder, inspiriert von den Gesängen der Gnawa, und erzählt darin u.a. vom Alltag der so genannten einfachen Menschen, von ihrer Armut oder den Kriegen, die jedwedes normales Leben unmöglich machen. Gesungen ausschließlich auf arabisch und das mit einer Stimme, die so gar nichts zu tun hat mit der Tradition nasaler Gnawa-Sänger. EIN Indiz für den ständigen Wandel der Gnawa-Musik. Und, so Aziz Sahmaoui:
"Aktuell ist die Gnawa-Musik eine Kunst, die sich der Welt öffnet. Man findet überall auf der Welt Musiker und Festivals in Marokko, Algerien oder Tunesien. Die Gnawas sind in New York, in Chicago, in Berlin, in Leipzig - sie sind wirklich fast überall. Es gibt eine Art von Gnawa-Musik, die fröhlich und feierlich ist und die zum Tanzen einlädt. Was einen angenehmen Moment bringt, aber auch eine Befreiung. Natürlich gibt es auch einen religiösen Aspekt, aber es gibt auch einen profanen und man kann sie beide miteinander verbinden. Damals war es sehr selten, eine Gimbri zu sehen, das Basisinstrument der Gnawas.
Das ist so eine Art Kontrabass, eine Laute mit drei Saiten, einer Tierhautbespannung und einem Instrumentenhals aus Holz. Darin liegt, wie ein Geheimnis, eine große Magie. Wenn man früher eine Gimbri gesehen oder gehört hat, dann war das so, als sei ein Geist in der Nähe. Es war eine gewisse Furcht da, ein Respekt, etwas Mysteriöses. Heute sieht man die Gimbri überall, es gibt sogar elektrische Gimbris. Das ist die Entwicklung."
Zwei Alben hat Aziz Sahmaoui mit "University of Gnawa" inzwischen aufgenommen. Produziert in Paris von Martin Meissonier. Einem Kenner afrikanischer Musik, der schon seit den 80er Jahren Musik des schwarzen Kontinents aufnimmt. Mit seiner Band ist Aziz Sahmaoui inzwischen durch die halbe Welt getourt.
Poetische Spiritualität
Dabei verschlug es ihn auf der Suche nach immer neuen Klängen und Brückenschlägen zwischen unterschiedlichen Musikkulturen im vergangenen Jahr nach Leipzig. Das MDR-Sinfonieorchester hatte zu einem Crossover-Festival geladen, dem "October-Festival". Initiiert wurde es von dem jungen, estnischen Chefdirigenten Kristjan Järvi. Klassik, Barock, Jazz oder Weltmusik, meint er, das seien alles künstliche Kategorien, die für ihn nicht existierten. Und wörtlich: "Wir spielen einfach nur gute Musik". Ein Ansatz, mit dem der Dirigent in Wien mit dem ewigen Klangforscher Joe Zawinul eins war. Ihr gemeinsames Album "Absolute Zawinul" sollte nicht nur das letzte Album des großen österreichischen Jazzmusikers überhaupt sein – er starb wenige Tage nach der Produktion - sondern es führte auch Kristjan Järvi, der die Aufnahmen dirigierte und Aziz Sahmaoui der im Absolute Ensemble mitwirkte, erstmals zusammen.
Eine folgenreiche Begegnung, die letztlich zu ihrem gemeinsamen Konzert in Leipzig führen sollte. Mit Kompositionen Aziz Sahmaouis, deren Arrangements für das MDR-Sinfonieorchester und die Band "University of Gnawa" neu geschrieben wurden, standen die beiden Musiker mit ihren Ensembles am Abend des 15. Oktober 2015 auf der Bühne der Werk-2-Kulturfabrik in Leipzig. Ein vorläufiger Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit und ein klangschönes wie virtuoses Konzert, das darüber hinaus auch poesievolle Spiritualität verströmt. Sinfonische Brückenschläge eben.
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