Orchester-Szene in Griechenland

Eine rein gewinnorientierte Zone

Das Rundfunkorchester der Sendeanstalt ERT 2013 bei einem Konzert im Hauptsitz des Senders, als sie diesen aufgrund der überraschenden Schließung von ERT besetzt hielten.
Das Rundfunkorchester der Sendeanstalt ERT 2013 bei einem Konzert im Hauptsitz des Senders, als sie diesen aufgrund der überraschenden Schließung von ERT besetzt hielten. © Sakis Mitrolidis / AFP
Von Theodora Mavropoulos · 27.12.2014
Die Sparmaßnahmen in Griechenland treffen die Kultur und auch die Orchester-Szene hart. Privatisierungen scheinen immer notwendiger, doch einige Musiker sorgen sich, dass der Charakter ihres Orchesters so verloren geht. Andere wenden sich gänzlich vom Staat ab und gründen selbst private Orchester.
Probe im neu gegründeten Metropolitan Symphonie Orchestra of Athens. Dirigent Vassilis Tsabropoulos steht auf seinem Podest, gibt letzte Anweisungen. Viele seiner Musiker haben in staatlichen Orchestern gespielt. Doch vom Staat wenden sie sich heute enttäuscht ab. Noch bekommen die Musiker hier kein Geld. Sie suchen nach einem Sponsor und halten sich mit Jobs über Wasser. Doch ist ihnen das lieber, als weiter auf Staatliches zu bauen. Vassilis Tsabropoulos :
"Privatisierung scheint heutzutage die Lösung zu sein. Denn wenn man als Organisation von einer Regierung, von Regimen, bestimmten Kreisen und Lobbyismus abhängig ist, geht man unter."
Diese Erfahrung hat auch Cellist Konstantinos Sfetzas im Juni 2013 gemacht. Der 36-Jährige spielte im Rundfunkorchesters der Sendeanstalt ERT. Dann wurden diese durch Ministerpräsident Antonis Samaras über Nacht geschlossen.
"Man kann nicht einfach einen Rundfunk schließen, das ist keine Demokratie. Zweieinhalbtausend Menschen verloren ihren Job – von einer Stunde auf die andere."
Nach der Schließung wurde eine neue Rundfunkanstalt gegründet und Sfetzas gefragt, ob er dort im Orchester spielen will. Er lehnte ab.
"Der Staat ist in seiner eigentlichen Form doch gar nicht mehr vorhanden, denn er übergibt die Kontrolle immer mehr an Privatiers. Und das Letzte womit die sich befassen, sind die Rechte der Arbeiter."
Geschäftsleute können Kulturgüter an sich reißen
Das sieht auch Maria Kannelopoulou so. Sie ist Ministerin der Oppositionspartei SYRIZA und Zuständige für den Bereich Kultur.
"Die Entwicklung im Kulturbereich ist Ausdruck unseres heutigen politischen Systems. Das Land soll in eine rein gewinnorientierte Zone umgewandelt werden. Mit wenig Geld können Geschäftsleute viele Kulturgüter an sich reißen und für ihre Zwecke nutzen. Die Arbeitsrechte der Angestellten bleiben in der freien Marktwirtschaft auf der Strecke."
Doch eine Besserung der finanziellen Lage von Seiten des Staates ist nicht in Sicht. Private Sponsoren sind notwendig, um den Kulturbetrieb überhaupt am Leben halten zu können, meint Angela Gerekou, stellvertretende Kulturministerin der konservativen Regierungspartei Nea Demokratia:
"Weil wir durch die Wirtschaftskrise keine Gelder für den Kulturbereich haben, wollen wir Geschäftsleute, Stiftungen und Privatiers aus In- und Ausland dafür gewinnen, den Kulturbereich des Landes zu unterstützen, so dass kulturelle Veranstaltungen auch weiterhin gewährleistet sind."
Die Kürzungen bekommt auch das Staatsorchester Athen – eines der drei staatlichen Orchester des Landes – zu spüren. Noch vor vier Jahren gab es gut eine Million Euro an staatlicher Unterstützung pro Jahr. Bis heute wurde der Betrag fast um die Hälfte gekürzt. Momentan bekommt das Orchester durch die deutsche Botschaft und die gemeinnützige Stavros Niarchos Stiftung finanziellen Zuschuss. Posaunist Kostas Avgerinos spielt seit über 20 Jahren im Staatsorchester Athen.
"Unsere Löhne wurden stark gekürzt"
"Jahr für Jahr wird hier immer weiter gekürzt, mit dem Ergebnis, dass wir Probleme haben gute Solisten zu engagieren oder Vorstellungen zu Bildungszwecken zu geben. Auch haben wir unbesetzte Stellen im Orchester, die eigentlich sofort neu besetzt werden müssten, wenn ein Musiker geht – das ist eigentlich gesetzlich vorgeschrieben. Unsere Löhne wurden stark gekürzt, trotzdem müssen wir unsere Instrumente selbst kaufen und für ihre Instandhaltung sorgen."
Auch Violinistin Nelly Ikonomidou ist seit über 20 Jahren dabei. Sie ist Präsidentin des gewerkschaftlichen Verbunds der Musiker des Orchesters. Privatisierungsvorhaben der Regierung sieht sie kritisch, vor allem weil dann der eigentliche Bildungsauftrag eines staatlichen Orchesters nicht mehr gesichert ist.
"Anstatt einer künstlerischen Leitung, die das Orchester aufbaut, haben wir dann einen Technokraten – vielleicht einen Fußballclubbesitzer, der das Programm allein nach dem wirtschaftlichen Gewinn ausrichtet. Wir sind aber für die Gesellschaft da, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen, sie mit klassischer Musik in Berührung zu bringen und so den Hörerkreis zu erweitern."
Das staatliche System scheint nicht mehr zu tragen. Ob der Bildungsauftrag des Staates im Kulturbereich durch gewinnorientierte Privatiers nicht zu kurz kommt, ist abzuwarten.
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