Opernsängerin Bartoli sieht sich "immer zwischen Kontrolle und Hingabe"
Die Opernsängerin Cecilia Bartoli hat nach eigenem Bekunden einen Teil ihres Lebens für die Musik geopfert. Musik sei eben ihre "große Leidenschaft", sagte Bartoli im Deutschlandradio Kultur. Die Italienerin gastiert am Donnerstag und am Freitag mit einem <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="199648" text="Mozart" alternative_text="Mozart" />-Konzert in Berlin.
König: Cecilia Bartoli, buona sera!
Bartoli: Buona sera!
König: Sie treten heute Abend und Freitag Abend in der Berliner Philharmonie auf: Ein Mozart-Konzert mit Daniel Barenboim und den Berliner Philharmonikern. Sie kommen eben von der Probe, war es eine gute Probe?
Bartoli: Ja, ja, eine wunderbare Probe. Ein wunderbares Orchester, das weiß man ja. Und natürlich, mit Barenboim zu arbeiten ist für mich eine große Freude, immer! Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. Ich habe meine Karriere zusammen mit ihm begonnen. Und dieses Konzert jetzt mit ihm zu machen, zu dieser Gelegenheit in dem Mozartjahr, natürlich, das ist ein großes Ereignis für mich.
König: Sie haben mit Rossini und Mozart begonnen. Sie haben dann Vivaldi, Gluck, Haydn, Paisiello, Salieri, Scarlatti, Händel, Caldara für uns als Opernkomponisten wiederentdeckt. Cecilia Bartoli, uns ahnungslose Menschen von unbekannten Barockkomponisten zu überzeugen, ist Ihre besondere Leidenschaft. Was interessiert Sie an diesen Figuren, deren Geschichten Sie singend erzählen?
Bartoli: Meine Karriere hat natürlich begonnen mit den Rollen und Partien von Rossini, und ich habe mit Harnoncourt als Regisseur gearbeitet. Und zusammen mit ihm habe ich auch einen großen Komponisten wie Haydn entdeckt. Ich kannte seine Instrumentalmusik, aber nicht seine Opern. Also ganz langsam habe ich mich also genähert, Haydn und Händel. Ich wollte immer mehr wissen darüber. Ich wollte wissen, wer Mozart beeinflusst hat, wer Rossini beeinflusst hat. Es war eine sehr interessante Reise hin zur Quelle, sozusagen, der Musik. Und ich habe dabei wirklich sehr interessante Dinge entdeckt.
König: Woran arbeiten Sie, woran forschen Sie im Moment?
Bartoli: Dieses Jahr ist das Mozartjahr gewesen. Aber ich möchte auch auf ein wichtiges Ereignis hinweisen: Es sind 300 Jahre gewesen - 1706 ist Händel nach Rom gekommen. Und auch das, dieser 300. Jahrestag, ist wichtig. Ich arbeite im Moment an einer Platte, die habe ich schon eingespielt. Aber ich arbeite noch auf dem gesamten Gebiet des Repertoires, des so genannten verbotenen Roms. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der Vatikan beschlossen, die Opern zu schließen, die Opernhäuser und eine Oper war als unmoralisch angesehen. Und das hat mich sehr beeindruckt. Auch besonders die Komponisten, die in dieser Zeit nach Rom gekommen sind: Händel, Scarlatti, Caldara, Borelli, sind nach Rom gekommen. Das hat mich wirklich sehr interessiert. Das gesamte Repertoire aus Rom sozusagen. Und in diesem Moment habe ich schon einige große Tourneen auch in England dazu geführt, auch in Deutschland mit Konzerten werde ich hier weiterführen. Das sind so die Projekte dieser Zeit.
König: Ihr Mezzosopran umfasst beeindruckende zweieinhalb Oktaven. Er ist von sehr eigenem Timbre, sehr ausdrucksstark. Sie können, wenn ich so sagen darf, sehr schön hässlich singen. Wo haben Sie das gelernt? Oder wo lernen Sie das immer neu, diese Fähigkeit Gefühle, Affekte so drastisch zu vermitteln? Ist das Temperament, angeboren, oder Technik? Wie machen Sie das?
Bartoli: Die Ausdrucksstärke liegt natürlich in einem Inneren der Person auch. Aber natürlich muss man auch die Technik gelernt haben. Die Technik erlaubt einem dann, mit der Stimme zu fliegen und sich der Emotion der Musik hinzugeben. Also die Expressivität kommt sozusagen aus der Musik, natürlich, als große Quelle der Inspiration, und auch ganz wichtig, der Text meiner Meinung nach. Wenn es große Poeten, wie Metastasio oder Goldoni, Petrarca, sind, dann ist natürlich klar, dass der Text der Musik dient und die Musik dem Text dient. Also diese Fusion ist sehr, sehr wichtig dabei. Also die Ausdruckskraft und die Expressivität, die ist etwas - ich denke auch die Malerei der Zeit ist eine große Inspiration, wenn man die Skulpturen oder die Bilder - Bernini zum Beispiel - sieht, das ist auch Teil der Sprache aus dem Barock. Ich denke das ist auch alles etwas, was da einfließt, in diese Ausdruckskraft, in diese Musik.
König: In den Stücken, die Sie singen, geht es um Liebe, um Verrat, Sieg, Niederlage, Wahnsinn, Entsetzen. Das sind alles Gefühle von großer Intensität. Färbt das irgendwann auf einen selber ab? Ich will sagen: Wie schafft man es, seinen eigenen Gefühlshaushalt, wenn man immer mit solchen Dingen zu tun hat, ruhig zu halten?
Bartoli: Also die Ruhe zu bewahren ist natürlich sehr schwierig muss ich sagen. Vielleicht die Szene von Haydn oder Metastasio als Beispiel. Also die Ruhe, die Kontrolle über sich selbst, muss man haben, aber man muss sich auch der Emotion hingeben. Und das ist ganz schwierig, wirklich, zu erklären, eigentlich: Wenn man zu sehr kontrolliert ist, dann ist es natürlich nicht richtig, nicht gut, weil dann kann man nicht die Botschaft überbringen. Man kann es nicht vermitteln. Also es ist ein relativ großer Konflikt, der da besteht, ehrlich gesagt, zwischen mir und meiner Figur, also, die Figur, die ich interpretieren soll. Und manchmal gebe ich mich der Emotion der Musik hin und manchmal auch nicht. Aber gerade aus diesem Grund ist auch die Musik so schön. Diese Sprache ist so direkt, sie kommt direkt ins Herz. Sie trifft direkt ins Herz, ohne dass man über andere Umwege gehen muss. Und das ist auch wirklich die große Kraft und Stärke der Musik, dass man es manchmal gar nicht schafft, sich selbst zu beherrschen oder zu kontrollieren. Das ist auch das Positive daran!
König: Wie lange brauchen Sie nach einer Vorstellung, um wieder zur Ruhe zu kommen?
Bartoli: Ehrlich gesagt, für einen Italiener gibt es nicht so etwas wie das Wort Ruhe, die Ruhe zu bewahren. Um die Ruhe wiederzufinden muss ich sagen, dass ein gutes Glas Rotwein sehr hilft.
König: Cecilia Bartoli, Sie stehen jetzt schon so lange auf der Bühne, Sie sind ein Weltstar geworden. Wie hat das Sängerleben Sie verändert?
Bartoli: Mein Leben hat sich verändert, aber ich habe natürlich auch früh damit angefangen. Mit 19, 20 Jahren habe ich angefangen zu singen. Aber das Leben einer 19-Jährigen war natürlich das Studentenleben. Damals wusste ich noch gar nicht, was ich im Leben wirklich machen würde. Die Opfer wurden natürlich gebracht, und die gibt es auch heute noch. Und das größte Opfer, was man bringt, liegt immer im Bereich der persönlichen Beziehungen und der persönlichen Affekte. Denn man muss immer viel reisen und die Lieben sind immer fern von einem. Und man sucht natürlich immer einen Ausgleich, eine Balance. Das ist wirklich ein Schlüsselwort für viele Künstler auch, und Musiker insbesondere. Aber sie ist so ansteckend, diese Musik, dass sie wirklich eine große Passion, eine große Leidenschaft von mir ist, so dass ich für die Musik einen Teil meines Lebens, sozusagen, geopfert habe. Aber ich erkenne das auch an, dass ich das nicht anders machen konnte. Ich kann nicht ohne Musik sein.
König: Ich habe heute viel über Sie gelesen. Über Ihr Privatleben erfährt man gar nichts. Wie machen Sie das, die Presse so zurückzuhalten? Wahrscheinlich, indem Sie jetzt auch diese Frage nicht beantworten.
Bartoli: Ich bin überhaupt nicht reserviert in dieser Hinsicht, oder zurückhaltend, aber Privatleben heißt eben privat. Ich habe einfach nur diesem Begriff sozusagen Rechenschaft abgelegt. Das was privat ist, ist alles das, was auch privat, natürlich, bleiben soll. Denn nur so kann ich meine Batterien wieder aufladen, so kann ich meine Familie genießen. Und ich habe einfach versucht, mein Privatleben zu schützen. Und vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich heute noch so viel Spaß daran habe, zu singen und mit meiner Familie zusammenzusein. Weil es eben zwei komplett verschiedene Welten sind für mich.
König: Sie haben so viel erreicht. Welche großen Ziele gibt es für Cecilia Bartoli?
Bartoli: Meine Ziele sind natürlich, weiterzuarbeiten, mit Musikern neue Dimensionen zu eröffnen, neue Partien zu lernen und zu singen. Und Kollegen können mich immer wieder neu anstecken und immer wieder mich dazu bringen, weiterzusuchen und auch diese Momente mit meinem Publikum zu teilen. Zum Beispiel diese Opera Proibita, dieses ganze Werk aus dem Rom des 18. Jahrhunderts. Zum Beispiel Caldara, ein Komponist, den man sehr wenig kennt. Das ist ja eigentlich sehr schade, denn er ist ein großer Komponist. Und ich würde also gerne weiter danach forschen, um diese Juwelen wieder auszugraben, wiederzuentdecken in den Bibliotheken. Man muss sie wieder ans Licht bringen, diese grandiose Musik. Und ich werde einfach genau diese Reise weiter fortsetzen, als Detektiv sozusagen, und das wird meine Zukunft ausmachen.
König: Welche Ratschläge würden Sie jungen Sängern geben, die noch ihren Weg finden müssen?
Bartoli: Also zuallererst, als Ratschlag würde ich geben, dass man sein eigenes Instrument gut anhören sollte, dass man sich selbst gut anhören sollte. Ich zum Beispiel habe den Gesang gelernt. Und man muss einfach sein eigenes Instrument kennen lernen und damit zusammenleben. Denn das ist dein Leben. Und man muss sozusagen seinem eigenen Licht, seinem eigenen Instrument, folgen. Und wenn man daran denkt, dass dieses Instrument, die Stimme, wirklich etwas Wertvolles ist, dass man sie schützen muss, dass man die Stimme bewahren muss und pflegen muss, und dass man natürlich daran arbeiten muss. Man muss einen großen Willen haben, immer wieder wichtige und schwierige Situationen anzugehen und zu singen. Auch dass man die Musik singt, die man fühlt, auch wenn sie etwas außerhalb der Modeeinflüsse ist.
König: Cecilia Bartoli, vielen Dank für das Gespräch, grazie!
Bartoli: Bene grazie, arrivederci.
Bartoli: Buona sera!
König: Sie treten heute Abend und Freitag Abend in der Berliner Philharmonie auf: Ein Mozart-Konzert mit Daniel Barenboim und den Berliner Philharmonikern. Sie kommen eben von der Probe, war es eine gute Probe?
Bartoli: Ja, ja, eine wunderbare Probe. Ein wunderbares Orchester, das weiß man ja. Und natürlich, mit Barenboim zu arbeiten ist für mich eine große Freude, immer! Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. Ich habe meine Karriere zusammen mit ihm begonnen. Und dieses Konzert jetzt mit ihm zu machen, zu dieser Gelegenheit in dem Mozartjahr, natürlich, das ist ein großes Ereignis für mich.
König: Sie haben mit Rossini und Mozart begonnen. Sie haben dann Vivaldi, Gluck, Haydn, Paisiello, Salieri, Scarlatti, Händel, Caldara für uns als Opernkomponisten wiederentdeckt. Cecilia Bartoli, uns ahnungslose Menschen von unbekannten Barockkomponisten zu überzeugen, ist Ihre besondere Leidenschaft. Was interessiert Sie an diesen Figuren, deren Geschichten Sie singend erzählen?
Bartoli: Meine Karriere hat natürlich begonnen mit den Rollen und Partien von Rossini, und ich habe mit Harnoncourt als Regisseur gearbeitet. Und zusammen mit ihm habe ich auch einen großen Komponisten wie Haydn entdeckt. Ich kannte seine Instrumentalmusik, aber nicht seine Opern. Also ganz langsam habe ich mich also genähert, Haydn und Händel. Ich wollte immer mehr wissen darüber. Ich wollte wissen, wer Mozart beeinflusst hat, wer Rossini beeinflusst hat. Es war eine sehr interessante Reise hin zur Quelle, sozusagen, der Musik. Und ich habe dabei wirklich sehr interessante Dinge entdeckt.
König: Woran arbeiten Sie, woran forschen Sie im Moment?
Bartoli: Dieses Jahr ist das Mozartjahr gewesen. Aber ich möchte auch auf ein wichtiges Ereignis hinweisen: Es sind 300 Jahre gewesen - 1706 ist Händel nach Rom gekommen. Und auch das, dieser 300. Jahrestag, ist wichtig. Ich arbeite im Moment an einer Platte, die habe ich schon eingespielt. Aber ich arbeite noch auf dem gesamten Gebiet des Repertoires, des so genannten verbotenen Roms. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der Vatikan beschlossen, die Opern zu schließen, die Opernhäuser und eine Oper war als unmoralisch angesehen. Und das hat mich sehr beeindruckt. Auch besonders die Komponisten, die in dieser Zeit nach Rom gekommen sind: Händel, Scarlatti, Caldara, Borelli, sind nach Rom gekommen. Das hat mich wirklich sehr interessiert. Das gesamte Repertoire aus Rom sozusagen. Und in diesem Moment habe ich schon einige große Tourneen auch in England dazu geführt, auch in Deutschland mit Konzerten werde ich hier weiterführen. Das sind so die Projekte dieser Zeit.
König: Ihr Mezzosopran umfasst beeindruckende zweieinhalb Oktaven. Er ist von sehr eigenem Timbre, sehr ausdrucksstark. Sie können, wenn ich so sagen darf, sehr schön hässlich singen. Wo haben Sie das gelernt? Oder wo lernen Sie das immer neu, diese Fähigkeit Gefühle, Affekte so drastisch zu vermitteln? Ist das Temperament, angeboren, oder Technik? Wie machen Sie das?
Bartoli: Die Ausdrucksstärke liegt natürlich in einem Inneren der Person auch. Aber natürlich muss man auch die Technik gelernt haben. Die Technik erlaubt einem dann, mit der Stimme zu fliegen und sich der Emotion der Musik hinzugeben. Also die Expressivität kommt sozusagen aus der Musik, natürlich, als große Quelle der Inspiration, und auch ganz wichtig, der Text meiner Meinung nach. Wenn es große Poeten, wie Metastasio oder Goldoni, Petrarca, sind, dann ist natürlich klar, dass der Text der Musik dient und die Musik dem Text dient. Also diese Fusion ist sehr, sehr wichtig dabei. Also die Ausdruckskraft und die Expressivität, die ist etwas - ich denke auch die Malerei der Zeit ist eine große Inspiration, wenn man die Skulpturen oder die Bilder - Bernini zum Beispiel - sieht, das ist auch Teil der Sprache aus dem Barock. Ich denke das ist auch alles etwas, was da einfließt, in diese Ausdruckskraft, in diese Musik.
König: In den Stücken, die Sie singen, geht es um Liebe, um Verrat, Sieg, Niederlage, Wahnsinn, Entsetzen. Das sind alles Gefühle von großer Intensität. Färbt das irgendwann auf einen selber ab? Ich will sagen: Wie schafft man es, seinen eigenen Gefühlshaushalt, wenn man immer mit solchen Dingen zu tun hat, ruhig zu halten?
Bartoli: Also die Ruhe zu bewahren ist natürlich sehr schwierig muss ich sagen. Vielleicht die Szene von Haydn oder Metastasio als Beispiel. Also die Ruhe, die Kontrolle über sich selbst, muss man haben, aber man muss sich auch der Emotion hingeben. Und das ist ganz schwierig, wirklich, zu erklären, eigentlich: Wenn man zu sehr kontrolliert ist, dann ist es natürlich nicht richtig, nicht gut, weil dann kann man nicht die Botschaft überbringen. Man kann es nicht vermitteln. Also es ist ein relativ großer Konflikt, der da besteht, ehrlich gesagt, zwischen mir und meiner Figur, also, die Figur, die ich interpretieren soll. Und manchmal gebe ich mich der Emotion der Musik hin und manchmal auch nicht. Aber gerade aus diesem Grund ist auch die Musik so schön. Diese Sprache ist so direkt, sie kommt direkt ins Herz. Sie trifft direkt ins Herz, ohne dass man über andere Umwege gehen muss. Und das ist auch wirklich die große Kraft und Stärke der Musik, dass man es manchmal gar nicht schafft, sich selbst zu beherrschen oder zu kontrollieren. Das ist auch das Positive daran!
König: Wie lange brauchen Sie nach einer Vorstellung, um wieder zur Ruhe zu kommen?
Bartoli: Ehrlich gesagt, für einen Italiener gibt es nicht so etwas wie das Wort Ruhe, die Ruhe zu bewahren. Um die Ruhe wiederzufinden muss ich sagen, dass ein gutes Glas Rotwein sehr hilft.
König: Cecilia Bartoli, Sie stehen jetzt schon so lange auf der Bühne, Sie sind ein Weltstar geworden. Wie hat das Sängerleben Sie verändert?
Bartoli: Mein Leben hat sich verändert, aber ich habe natürlich auch früh damit angefangen. Mit 19, 20 Jahren habe ich angefangen zu singen. Aber das Leben einer 19-Jährigen war natürlich das Studentenleben. Damals wusste ich noch gar nicht, was ich im Leben wirklich machen würde. Die Opfer wurden natürlich gebracht, und die gibt es auch heute noch. Und das größte Opfer, was man bringt, liegt immer im Bereich der persönlichen Beziehungen und der persönlichen Affekte. Denn man muss immer viel reisen und die Lieben sind immer fern von einem. Und man sucht natürlich immer einen Ausgleich, eine Balance. Das ist wirklich ein Schlüsselwort für viele Künstler auch, und Musiker insbesondere. Aber sie ist so ansteckend, diese Musik, dass sie wirklich eine große Passion, eine große Leidenschaft von mir ist, so dass ich für die Musik einen Teil meines Lebens, sozusagen, geopfert habe. Aber ich erkenne das auch an, dass ich das nicht anders machen konnte. Ich kann nicht ohne Musik sein.
König: Ich habe heute viel über Sie gelesen. Über Ihr Privatleben erfährt man gar nichts. Wie machen Sie das, die Presse so zurückzuhalten? Wahrscheinlich, indem Sie jetzt auch diese Frage nicht beantworten.
Bartoli: Ich bin überhaupt nicht reserviert in dieser Hinsicht, oder zurückhaltend, aber Privatleben heißt eben privat. Ich habe einfach nur diesem Begriff sozusagen Rechenschaft abgelegt. Das was privat ist, ist alles das, was auch privat, natürlich, bleiben soll. Denn nur so kann ich meine Batterien wieder aufladen, so kann ich meine Familie genießen. Und ich habe einfach versucht, mein Privatleben zu schützen. Und vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich heute noch so viel Spaß daran habe, zu singen und mit meiner Familie zusammenzusein. Weil es eben zwei komplett verschiedene Welten sind für mich.
König: Sie haben so viel erreicht. Welche großen Ziele gibt es für Cecilia Bartoli?
Bartoli: Meine Ziele sind natürlich, weiterzuarbeiten, mit Musikern neue Dimensionen zu eröffnen, neue Partien zu lernen und zu singen. Und Kollegen können mich immer wieder neu anstecken und immer wieder mich dazu bringen, weiterzusuchen und auch diese Momente mit meinem Publikum zu teilen. Zum Beispiel diese Opera Proibita, dieses ganze Werk aus dem Rom des 18. Jahrhunderts. Zum Beispiel Caldara, ein Komponist, den man sehr wenig kennt. Das ist ja eigentlich sehr schade, denn er ist ein großer Komponist. Und ich würde also gerne weiter danach forschen, um diese Juwelen wieder auszugraben, wiederzuentdecken in den Bibliotheken. Man muss sie wieder ans Licht bringen, diese grandiose Musik. Und ich werde einfach genau diese Reise weiter fortsetzen, als Detektiv sozusagen, und das wird meine Zukunft ausmachen.
König: Welche Ratschläge würden Sie jungen Sängern geben, die noch ihren Weg finden müssen?
Bartoli: Also zuallererst, als Ratschlag würde ich geben, dass man sein eigenes Instrument gut anhören sollte, dass man sich selbst gut anhören sollte. Ich zum Beispiel habe den Gesang gelernt. Und man muss einfach sein eigenes Instrument kennen lernen und damit zusammenleben. Denn das ist dein Leben. Und man muss sozusagen seinem eigenen Licht, seinem eigenen Instrument, folgen. Und wenn man daran denkt, dass dieses Instrument, die Stimme, wirklich etwas Wertvolles ist, dass man sie schützen muss, dass man die Stimme bewahren muss und pflegen muss, und dass man natürlich daran arbeiten muss. Man muss einen großen Willen haben, immer wieder wichtige und schwierige Situationen anzugehen und zu singen. Auch dass man die Musik singt, die man fühlt, auch wenn sie etwas außerhalb der Modeeinflüsse ist.
König: Cecilia Bartoli, vielen Dank für das Gespräch, grazie!
Bartoli: Bene grazie, arrivederci.