Opern statt Autobahnen
Der Bundestag ist voller Juristen und Lehrer. Künstler? Fehlanzeige. Außer der Ingolstädterin Agnes Krumwiede. Die Abgeordnete der Grünen ist ausgebildete Konzertpianistin und damit die einzige Musikerin im Parlament.
Agnes Krumwiede ist neu im harten Politik-Geschäft. Die gerade mal 34-jährige, fast etwas zerbrechlich wirkende Abgeordnete des Deutschen Bundestages steht etwas nervös in den endlos wirkenden unterirdischen Gängen des Reichstags. Unter dem Arm trägt sie neben den üblichen Papieren auch diverse Noten:
"Also ich bin die einzige Diplommusikerin, die es wirklich an einer Musikhochschule studiert hat. Mit Konzertexamen. Ansonsten ist mir niemand bekannt im Deutschen Bundestag."
Es ist ein Debüt. Denn noch nie – also seit 1949 – saß eine Profi-Musikerin im höchsten deutschen Parlament:
"Also der Bundestag soll ja schon einen Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln. Und ich finde es sehr schön, dass dort auch Berufsfelder anzutreffen sind, die sich ein bisschen abgrenzen. Von Juristen zum Beispiel. Nichts gegen Juristen, aber die Vielfalt macht’s. Auch in der Politik. Weil, wir sollen ja Volksvertreter sein für alle Menschen."
2009 verschlug es die ausgebildete Ingolstädter Konzertpianistin durch den Wahlerfolg der Grünen in den Bundestag. Sie wolle helfen, unterstreicht sie, ein neues Politikerbild in die Öffentlichkeit zu bringen, der Kultur eine Stimme geben:
"Künstler und Kreative in die Parlamente. Das ist die einzige Lösung. Das war dann auch meine Ambition, irgendwann dann doch, mich zu entscheiden, ein politisches Mandat zu übernehmen. Obwohl ich wusste, ich komme da nicht mehr so oft zum Klavier spielen."
Sie ist eine Exotin, auch rein äußerlich. Denn Agnes Krumwiede kommt mit hohen Stiefeln daher, nicht im biederen Businesskostüm. Trägt verführerisch dekolletierte Kleider, ihr Lachen steckt an.
Wer ihr in den Fluren des Reichstags begegnet, beginnt zu strahlen, zu kichern. Küsschen hier, Küsschen da. Insbesondere die männlichen Kollegen sind von Agnes Krumwiede geradezu elektrisiert. Parteiübergreifend. Rein zufällig kommt Jürgen Trittin vorbei, schnurstracks steuert er mit leuchtenden Augen sofort auf sie zu. Wenn es um Agnes Krumwiede geht, wirkt er fast wie ein verstrahlter Groupie:
"Sie denkt quer, aber sie spielt super-diszipliniert Klavier. Das ist harte kreative Arbeit."
Die klassische Musik von Brahms bis Schubert hat Agnes Krumwiede von klein auf begeistert. Ein Wunderkind war sie jedoch nie. Es begann alles andere als perfekt. Schon mit zwei Jahren wurde sie von ihrer Mutter in eine Suzuki-Gruppe gesteckt: eine nach dem japanischen Pädagogen Suzuki benannte Form frühkindlicher Musikausbildung. Und sollte Geige lernen. War ein Horrorerlebnis, sagt sie aus heutiger Sicht:
"Weil ich immer gedacht habe, was für ein grauenhaftes Instrument. Ich kann das nicht spielen, da kommt nichts raus. Kein schöner Ton. Die Lehrerin war schrecklich."
Mit fünf stößt sie aufs Klavier, das verwaist in der elterlichen Wohnung steht. Übt, merkt, dass sie Talent hat. Nach dem Abitur studiert Agnes Krumwiede in Würzburg Musik. 2005 legt sie das Konzertexamen ab, eröffnet eine Musikschule. Doch neben der Kunst nimmt immer die Politik einen großen Platz ein:
"Also mein Elternhaus war jetzt nicht besonders musikalisch, aber es war besonders politisch. Seitdem ich denken kann, wurde bei uns über Politik diskutiert."
Die Eltern hätten sie dazu erzogen, sich nicht anzupassen, sich einzumischen. Um aufrecht durchs Leben zu gehen. Gerade in Bayern sei das nicht immer einfach gewesen, erzählt Agnes Krumwiede:
"Ich war an einer halbprivaten Schule in Ingolstadt und hab' da traumatische Schulerlebnisse gehabt. Damals hat ein derart erzkonservativer Geist geherrscht. Also wir hatten einen rassistischen Biologielehrer, der meine Freundin, die Halb-Koreanerin ist, gemobbt hat. Bis zum Geht-nicht-mehr. Und da haben wir revoltiert."
Bis sie – zusammen mit ihrer Freundin – von der Schule fliegt.
Eine zerbrechliche, ätherische Musikerin ist Agnes Krumwiede ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil: Vertraute berichten, dass sie energisch, zäh, bisweilen anstrengend sei. Dem sie nicht widersprechen würde. Sieht sich doch selbst als Nervensäge, die Dinge durchsetzen will, sich nicht einschüchtern lasse:
"Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um meine Klappe zu halten. Das habe ich da schon so bewiesen, dass es da einige Kollegen gibt, die ganz sicher nicht über mich sagen werden, das ist unsere kleine süße Pianistin. Davon können Sie ausgehen."
Agnes Krumwiede ist eine kämpfende Löwin. Und legt sich auch gerne mal mit den Granden an, wie den Bayreuther Wagner-Festspielen, denen sie Missmanagement und Verschleuderung von Steuergeldern vorwirft. Ihre Anliegen sind kulturpolitische Themen. Sie fordert Opern statt Autobahnen. Klingt naiv. Aber nur im ersten Moment.
"August Everding hat mal gesagt, wo Kultur weg bricht, wird Platz frei für Gewalt. Davon bin ich absolut überzeugt."
Fürs Klavier bleibt der jungen Bundestagsabgeordneten Agnes Krumwiede, die derzeit ihr erstes Kind erwartet, allerdings kaum noch Zeit. Nur manchmal. Dann flutet die ausgebildete Konzertpianistin die Flure der Politikerbüros am Berliner Prachtboulevard Unter den Linden mit Klaviermusik:
"Also im Polizeiverwaltungstrakt gibt es einen Flügel. Damit nerv' ich alle, die da arbeiten. Aber die hören ja irgendwann auf. Und dann gehe ich dahin…"
…und greift so energisch wie gefühlvoll in die Tasten.
Letztlich ist für Agnes Krumwiede die Musik der Kraftspender, Nahrung und ihr Lebenselixier: Um in der Politik zu bestehen. Und "… es ist eine Sucht."
"Also ich bin die einzige Diplommusikerin, die es wirklich an einer Musikhochschule studiert hat. Mit Konzertexamen. Ansonsten ist mir niemand bekannt im Deutschen Bundestag."
Es ist ein Debüt. Denn noch nie – also seit 1949 – saß eine Profi-Musikerin im höchsten deutschen Parlament:
"Also der Bundestag soll ja schon einen Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln. Und ich finde es sehr schön, dass dort auch Berufsfelder anzutreffen sind, die sich ein bisschen abgrenzen. Von Juristen zum Beispiel. Nichts gegen Juristen, aber die Vielfalt macht’s. Auch in der Politik. Weil, wir sollen ja Volksvertreter sein für alle Menschen."
2009 verschlug es die ausgebildete Ingolstädter Konzertpianistin durch den Wahlerfolg der Grünen in den Bundestag. Sie wolle helfen, unterstreicht sie, ein neues Politikerbild in die Öffentlichkeit zu bringen, der Kultur eine Stimme geben:
"Künstler und Kreative in die Parlamente. Das ist die einzige Lösung. Das war dann auch meine Ambition, irgendwann dann doch, mich zu entscheiden, ein politisches Mandat zu übernehmen. Obwohl ich wusste, ich komme da nicht mehr so oft zum Klavier spielen."
Sie ist eine Exotin, auch rein äußerlich. Denn Agnes Krumwiede kommt mit hohen Stiefeln daher, nicht im biederen Businesskostüm. Trägt verführerisch dekolletierte Kleider, ihr Lachen steckt an.
Wer ihr in den Fluren des Reichstags begegnet, beginnt zu strahlen, zu kichern. Küsschen hier, Küsschen da. Insbesondere die männlichen Kollegen sind von Agnes Krumwiede geradezu elektrisiert. Parteiübergreifend. Rein zufällig kommt Jürgen Trittin vorbei, schnurstracks steuert er mit leuchtenden Augen sofort auf sie zu. Wenn es um Agnes Krumwiede geht, wirkt er fast wie ein verstrahlter Groupie:
"Sie denkt quer, aber sie spielt super-diszipliniert Klavier. Das ist harte kreative Arbeit."
Die klassische Musik von Brahms bis Schubert hat Agnes Krumwiede von klein auf begeistert. Ein Wunderkind war sie jedoch nie. Es begann alles andere als perfekt. Schon mit zwei Jahren wurde sie von ihrer Mutter in eine Suzuki-Gruppe gesteckt: eine nach dem japanischen Pädagogen Suzuki benannte Form frühkindlicher Musikausbildung. Und sollte Geige lernen. War ein Horrorerlebnis, sagt sie aus heutiger Sicht:
"Weil ich immer gedacht habe, was für ein grauenhaftes Instrument. Ich kann das nicht spielen, da kommt nichts raus. Kein schöner Ton. Die Lehrerin war schrecklich."
Mit fünf stößt sie aufs Klavier, das verwaist in der elterlichen Wohnung steht. Übt, merkt, dass sie Talent hat. Nach dem Abitur studiert Agnes Krumwiede in Würzburg Musik. 2005 legt sie das Konzertexamen ab, eröffnet eine Musikschule. Doch neben der Kunst nimmt immer die Politik einen großen Platz ein:
"Also mein Elternhaus war jetzt nicht besonders musikalisch, aber es war besonders politisch. Seitdem ich denken kann, wurde bei uns über Politik diskutiert."
Die Eltern hätten sie dazu erzogen, sich nicht anzupassen, sich einzumischen. Um aufrecht durchs Leben zu gehen. Gerade in Bayern sei das nicht immer einfach gewesen, erzählt Agnes Krumwiede:
"Ich war an einer halbprivaten Schule in Ingolstadt und hab' da traumatische Schulerlebnisse gehabt. Damals hat ein derart erzkonservativer Geist geherrscht. Also wir hatten einen rassistischen Biologielehrer, der meine Freundin, die Halb-Koreanerin ist, gemobbt hat. Bis zum Geht-nicht-mehr. Und da haben wir revoltiert."
Bis sie – zusammen mit ihrer Freundin – von der Schule fliegt.
Eine zerbrechliche, ätherische Musikerin ist Agnes Krumwiede ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil: Vertraute berichten, dass sie energisch, zäh, bisweilen anstrengend sei. Dem sie nicht widersprechen würde. Sieht sich doch selbst als Nervensäge, die Dinge durchsetzen will, sich nicht einschüchtern lasse:
"Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um meine Klappe zu halten. Das habe ich da schon so bewiesen, dass es da einige Kollegen gibt, die ganz sicher nicht über mich sagen werden, das ist unsere kleine süße Pianistin. Davon können Sie ausgehen."
Agnes Krumwiede ist eine kämpfende Löwin. Und legt sich auch gerne mal mit den Granden an, wie den Bayreuther Wagner-Festspielen, denen sie Missmanagement und Verschleuderung von Steuergeldern vorwirft. Ihre Anliegen sind kulturpolitische Themen. Sie fordert Opern statt Autobahnen. Klingt naiv. Aber nur im ersten Moment.
"August Everding hat mal gesagt, wo Kultur weg bricht, wird Platz frei für Gewalt. Davon bin ich absolut überzeugt."
Fürs Klavier bleibt der jungen Bundestagsabgeordneten Agnes Krumwiede, die derzeit ihr erstes Kind erwartet, allerdings kaum noch Zeit. Nur manchmal. Dann flutet die ausgebildete Konzertpianistin die Flure der Politikerbüros am Berliner Prachtboulevard Unter den Linden mit Klaviermusik:
"Also im Polizeiverwaltungstrakt gibt es einen Flügel. Damit nerv' ich alle, die da arbeiten. Aber die hören ja irgendwann auf. Und dann gehe ich dahin…"
…und greift so energisch wie gefühlvoll in die Tasten.
Letztlich ist für Agnes Krumwiede die Musik der Kraftspender, Nahrung und ihr Lebenselixier: Um in der Politik zu bestehen. Und "… es ist eine Sucht."