Oper "Traum eines Frühlingsmorgens"

Totale Hingabe an das Gefühl

Außenansicht auf das Landestheater in der nordrhein-westfälischen Stadt Detmold.
Das Landestheater in der nordrhein-westfälischen Stadt Detmold. © dpa / Willi Gutberlet
Von Stefan Keim · 08.04.2016
Das Landestheater Detmold zeigt die Uraufführung von Alexander Munos Oper "Sogno d'un mattino di primavera" ("Traum eines Frühlingsmorgens"). Trotz einiger Defizite insgesamt eine überzeugende Inszenierung.
Isabella hat ihren Geliebten geschlachtet. Die Gründe für die Tat bleiben unklar. Aber sie bestimmt nicht nur das Leben Isabellas, sondern auch aller anderen um sie herum. "Traum eines Frühlingsmorgens" ist ein poetisches Theaterstück, das der Italiener Gabriele d´Annunzio für die legendäre Schauspielerin Eleonore Duse geschrieben hat. Der Komponist Alexander Muno hat daraus nun die Oper "Sogno d'un mattino di primavera" gemacht.
Obwohl Muno 1979 geboren wurde, wirkt sein Stück kaum wie zeitgenössisches Musiktheater. Die Handlung ist weit weg von allen gerade verhandelten gesellschaftlichen Fragen, Muno versucht nirgendwo einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Und auch die Musik klingt nach der Entstehungszeit der Vorlage. Die erste Stunde der 130 Minuten langen, pausenlosen Oper ist fast pures Kolorit. Langsam baut sich Spannung, aber kaum etwas Dramatisches geschieht. Im Orchester flirren die Farben wie in Claude Debussys "Pelléas et Mélisande". Wenn der Bruder des Getöteten auftaucht, wird es dramatischer, greller, gruseliger. Muno arbeitet nun mit schrillen Effekten wie sie Richard Strauss in seiner "Elektra" eingesetzt hat, verlässt aber die Basis der Tonalität nie allzu lange.

Es könnte leicht in den Kitsch rutschen

Die Sänger haben dankbare, wenngleich schwierige und viel Konzentration fordernde Aufgaben. Vor allem Eva Bernard als Isabella hat eine Menge Zwischentöne und dramatische Ausbrüche zu singen, die Rolle kommt einer großen Wagner-Partie nahe. Dabei ist sie schauspielerisch ausgezeichnet, spielt eine im Wahn versinkende Frau mit vielen Facetten und Momenten utopischer Sehnsucht. Isabella will Erlösung finden und strebt danach, mit der Natur eins zu werden. Das könnte – wie die gesamte Geschichte – leicht in den Kitsch rutschen.
Doch Kay Metzger, der Intendant des Landestheaters Detmold, bedient nicht einfach nur die Handlung. Ausstatter Michael Heinrich hat keinen Garten entworfen, sondern den Innenraum eines Palazzo, mit Marmorwänden, an denen große Naturbilder im Stil der Zeit um 1900 hängen. Isabella hantiert mit Topfblumen, es geht also nie um die Natur selbst, sondern um eine Vorstellung von ihr. Isabella ist fast immer präsent, manchmal liegt sie in einem riesigen Bett. Vielleicht spielt alles in ihrem Kopf. Einige Male erscheint der blutige Leichnam ihres Geliebten, stumm, ohne sie anzuklagen, seine Gegenwart reicht, um sie an die Tat zu erinnern.
Alexander Muno hat den Giselher-Klebe-Wettbewerb gewonnen, der nach dem 2009 in Detmold verstorbenen Komponisten benannt ist. Der Fonds Neues Musiktheater finanziert nicht nur das Preisgeld in Höhe von insgesamt 20.000 Euro, sondern unterstützt auch die Produktion. So ist am Landestheater eine große Uraufführung überhaupt möglich, der nächste Wettbewerb ist schon ausgeschrieben. Manfred Trojahn und Aribert Reimann, zwei der angesehensten zeitgenössischen Komponisten, sind in der Jury und waren auch in der Premiere.

Bewundernswerte Leistung des Ensembles

Das Landestheater hat eine eher trocken, spröde Akustik. Mit der fein instrumentierten, farbenreichen Partitur hat es Generalmusikdirektor Lutz Rademacher nicht leicht. Er muss sein Orchester extrem genau spielen lassen, weil man die kleinste Abweichung sofort hört. Die Musik könnte noch etwas mehr Spontaneität atmen, dennoch ist die Leistung des gesamten Ensembles bewundernswert.
Gabriele d'Annunzio ist aus heutiger Sicht ein zwiespältiger Charakter. Er lebte als Dandy, inszenierte sich selbst bis zur Absurdität, unterstützte schließlich die italienischen Faschisten. Er lebte in der und für die Kunst, völlig abgehoben vom normalen Leben. Eben das tut auch diese Oper, der Wahnsinn ist die radikalste Form der Weltabgehobenheit und Egomanie, man könnte ihn auch als Perfektionierung des Dandytums verstehen. Weil nichts gilt außer dem eigenen Gefühl. Sich mit so einer Position auseinanderzusetzen, ist im Musiktheater selten geworden. Alexander Muno und Regisseur Kay Metzger ist das überzeugend gelungen.

Mehr Informationen zur Inszenierungvon Alexander Munos Oper "Sogno d'un mattino di primavera" auf der Seite des Landestheaters Detmold

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