Oper in historischer Aufnahme

Verklärtes Frauentum

Der amerikanische Komponist und Pianist George Gershwin in einer undatierten Aufnahme.
Der amerikanische Komponist und Pianist George Gershwin in einer undatierten Aufnahme. © picture alliance / dpa
02.01.2016
Die Berliner staunten nicht schlecht, als ihnen ein amerikanisches All-Star-Ensemble 1952 George Gershwins Oper "Porgy and Bess" näherbrachte. Ebenso groß war das Erstaunen, als vor einigen Jahren ein bis dato unbekannter Mitschnitt dieses Ereignisses auftauchte.
Mehr als ein halbes Jahrhundert lagerten die Bänder unerkannt im Archiv des RIAS Berlin bzw. der Nachfolgeinstitution Deutschlandradio Kultur – einfach so, ohne Katalognachweis. Die Vorstellung vom 21. September 1952 war damals weder live noch, wie der Zustand der Bänder erkennen ließ, überhaupt je gesendet worden. 2007 war das historische Dokument erstmals im Deutschlandradio Kultur zu hören, im Folgejahr erschien die sorgfältig aufgearbeitete Produktion bei audite auf CD.
Diese historische RIAS-Aufnahme entführt uns in die musikhungrige West-Berliner Nachkriegszeit: Auch sieben Jahre nach dem Krieg sind die meisten Konzertsäle nicht wiederhergestellt, gespielt wird im Kinosaal des Steglitzer Titania Palastes. Dort gastierte im Rahmen der Berliner Festwochen eine Tourneeproduktion, die im Sommer 1952 in Dallas startete und dann über Wien und London bis nach Moskau kam. Auf dem Programm: "Porgy and Bess" von George Gershwin. Das Orchester für die elf Berliner Aufführungen stellte der RIAS, die Sänger kamen aus den USA. Und was für welche: Der wuchtige William Warfield als Porgy, auf der Bühne wie im echten Leben verbunden mit der 25 Jahre alten Leontyne Price als Bess – sie sollte daraufhin als erste schwarze Sängerin eine große Karriere in der klassischen Musikszene machen. Die Rolle des eleganten Zynikers Sportin' Life wurde von dem Mann verkörpert, den sich der 1937 gestorbene Gershwin bei der Komposition sogar vorgestellt hatte: Cab Calloway.
In der Tagespresse überschlugen sich die Stimmen: "Ein Stück echten amerikanischen Negerlebens" hieß es damals bewundernd, "niemand scheint zu spielen, jeder nur sein Naturell, sein einmaliges Temperament, seine vitale Existenz schlechthin zum Einsatz zu bringen." Und der Großkritiker Hans Heinz Stuckenschmidt pries "Leontyne Price als Bess, von frecher Dirnenhaftigkeit sich wandelnd zu verklärtem Frauentum". Von ihrer Energie hat diese Produktion auch mehr als sechs Jahrzehnte nach ihrer Entstehung nichts verloren.
Historische Aufnahmen
Titania Palast Berlin
Aufzeichnung vom 21. September 1952
George Gershwin
"Porgy and Bess"
American Folk Opera in drei Akten
Porgy – William Warfield, Bassbariton
Bess – Leontyne Price, Sopran
Sporting Life – Cab Calloway, Tenor
Crown – John McCurry, Bariton
Jake – Joseph James, Bariton
Clara – Helen Colbert, Sopran
Robbins – Howard Roberts, Tenor
Serena – Helen Thigpen, Sopran
Mitglieder des Eva-Jessye-Chores
RIAS-Unterhaltungsorchester
Leitung: Alexander Smallens