Oper in deutschen Ländern

die helle nacht

Eine Szene aus Beat Furrers "La Bianca Notte" mit Tómas Tómasson (Dino) und Golda Schultz (Sibilla) an der Hamburgischen Staatsoper
Eine Szene aus Beat Furrers "La Bianca Notte" mit Tómas Tómasson (Dino) und Golda Schultz (Sibilla) an der Hamburgischen Staatsoper © Jörg Landsberg/Hamburgische Staatsoper
25.07.2015
Ein „exemplarisches, archetypisches Künstlerschicksal des 20. Jahrhunderts" schildert der Komponist Beat Furrer in seiner jüngsten Oper „la bianca notte / die weiße nacht". Mit der Uraufführung beschloss Simone Young ihre Hamburger Intendanz.
47 Jahre war der italienische Dichter Dino Campana alt, als er 1932 starb. Fast ein Drittel seines Lebens hatte er zuletzt in der Psychiatrie verbracht. Dem Schicksal dieses Dichters hat der Komponist Beat Furrer seine jüngste Oper gewidmet: „la bianca notte / die weiße nacht". Furrer sieht in Campana ein „exemplarisches, archetypisches Künstlerschicksal des 20. Jahrhunderts".
„Er hat fünf Jahre seines Lebens geschrieben wie ein Vulkan", so Furrer. „Dieses Schreiben, das ist es auch, was mich so fasziniert hat an dem Thema. Es ist ein Schreiben um seine Existenz."
Das Libretto seiner Oper hat Beat Furrer, dessen letzte Oper „Wüstenbuch" Texte aus ganz unterschiedlichen Epochen miteinander verknüpfte, aus den „Canti orfici", den „Orphischen Gesängen", zusammengestellt. Diese Gedichte hatte Campana 1914 im Eigenverlag veröffentlicht. Sie gelten heute als eines der wichtigsten literarischen Dokumente der jungen italienischen Avantgarde.
In siebzehn Bildern seiner Oper schildert der Schweizer Komponist Beat Furrer, der überwiegend in Wien lebt und arbeitet, die existenzielle Verlorenheit des Dichters und seinen Kampf um Selbstbestimmung gegen jene Mächte, die im Zeichen gesellschaftlicher Normalität jede Kreativität unterdrücken. Wer „normal" und wer „irre" ist, bleibt in der Schwebe – die Identifikationsfigur für Komponist und Zuschauer ist aber ohne Frage der „Dino" der Opernbühne.
Die psychische Extremsituation des Künstlers bettet Beat Furrer in ein musikalisches Gespinst, das von feinsten Nuancen lebt und zugleich höchste Expressivität bietet. „Interessant war für mich das psychologische Ausgestalten der Figur, der Stimme zwischen Sprechgestus und Stilisierung." Das sagte Beat Furrer über eine kompositorische Vorstufe zur Oper, die gleichnamige Gesangsszene, die 2013 beim Frankfurter Festival "cresc." ihre Uraufführung erlebte. „Es war wesentlich, zu einer Melodik zu kommen, die sich von dem spektral harmonischen Konzept befreit. Es ist die Stimmführung, die alles andere bestimmt und aus dem Gestus der verwendeten Texte resultiert." Die Gedichte Campanas werden zwar oft wortgetreu vertont, aber zugleich um eine musikalische Dimension erweitert, die es an Expressivität nicht fehlen lässt.
Die Uraufführung von „la bianco notte / die weiße nacht" markiert zugleich das Ende der zehnjährigen Intendanz von Simone Young an der Hamburgischen Staatsoper.
Staatsoper Hamburg
Aufzeichnung vom 10. Mai 2015
Beat Furrer
"La bianca notte / die helle nacht" (Uraufführung)
Sibilla - Golda Schultz, Sopran
Indovina - Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosopran
Dino - Tómas Tómasson, Bariton
Regolo - Derek Welton, Bassbariton
Russo - Tigran Martirossian, Bass
Chor der Hamburgischen Staatsoper
Hamburger Philharmoniker
Leitung: Simone Young