Oper in deutschen Ländern

Der falsche Zar

Eine Szene aus Mussorgskijs Oper "Boris Godunow" am Staatstheater Darmstadt mit Mark Adler und dem Chor des Staatstheaters Wiesbaden
Mark Adler und der Opernchor Wiesbaden in Mussorgskijs Oper "Boris Godunow" am Staatstheater Darmstadt © Markus Kaesler/Staatstheater Darmstadt
23.05.2015
Das Volk hat immer Recht, vor allem in Russland! Das schrieb Alexander Puschkin, und Modest Mussorgskij machte daraus eine Oper. Das zeitlos aktuelle musikalische Volksdrama "Boris Godunow" kam am Staatstheater Darmstadt nun neu auf die Bühne. Den Mitschnitt der Premiere am 25. April können Sie hier hören.
"Das Vergangene im Gegenwärtigen" zu finden und sichtbar zu machen, das hat der russische Komponist Modest Mussorgskij als seine künstlerische Aufgabe formuliert. Die Handlung seines bekanntesten Bühnenwerks führt zurück in die dunkle Zeit des Zareninterregnums zu Anfang des 17. Jahrhunderts, die es als labile Phase eines quasi-Machtvakuums in Russland tatsächlich gegeben hat. Mussorski fand den Stoff in Puschkins "Dramatischer Chronik von dem Unglück des moskowitischen Reiches, dem Zaren Boris und dem Grischka Otrepjew". Im Mittelpunk: Der umstrittene Zar Boris und sein Gegenspieler Grigori Otrepjew, der falsche Dmitrij.
Boris Godunow, ein kleinadliger Bojar aus angeblich tatarischem Geschlecht, war schon unter Iwan dem Schrecklichen ein einflussreicher Mann am Zarenhof. Dieser Iwan, der Vierte einer Dynastie im Niedergang, starb und übergab die Regierungsgeschäfte an seinen Sohn Fjodor, der aber schwachsinnig war. So ging das Amt des geschäftsführenden Zaren an Boris Godunow, den Schwager, über. Als auch dieser Fjodor starb, akzeptierte jener Boris - vom Volke angefleht und nicht ganz widerwillig – die Zarenkrone. Doch sollte Boris wenig Glück haben - seine Legitimation war umstritten - eine Hungersnot brach aus und schließlich fand sich ein angeblich rechtmäßiger Erbe der Herrschaft, ein bisher unbekannter Sohn Iwans des Schrecklichen. Dieser falsche Dmitrij führte einen Aufstand gegen Boris Godunow an.
Mussorgski wollte ein realistisches Bild zeichnen, eines der Möglichkeiten und auch der Unmöglichkeiten der Zarenherrschaft. Das Volk leidet und wird auf jeden Fall unterdrückt. Die Opfer der Erniedrigung, der Armut, Bedrückung und Sündhaftigkeit erhalten in der an Chören reichen Oper eine Stimme: "Das Volk allein ist unverfälscht, ein Ganzes, groß und ohne Tünche!" - so das Credo des Komponisten.
In Kooperation mit dem Staatstheater Wiesbaden hat nun das Darmstädter Haus eine Neuproduktion dieses wuchtigen "Volksdramas" unternommen. Im Graben am Pult steht der seit dieser Spielzeit in Darmstadt wirkende Generalmusikdirektor des Hauses, Will Humburg.
Staatstheater Darmstadt
Aufzeichnung vom 25. April 2015
Modest Mussorgskij
"Boris Godunow" - musikalisches Volksdrama in acht Bildern
Text vom Komponisten nach Alexander Puschkin und Nikolai Karamsin
Boris Godunow - Vladimir Baykov
Fjodor - Ulrika Strömstedt
Xenia - Jana Baumeister
Xenias Amme - Elisabeth Hornung
Fürst Wassili Schuiskij - Jevgenij Taruntsov
Andrei Schtschelkalow, Leibbojar - David Pichlmaier
Pimen - Vadim Kravets
Grigorij Otrepjew, der falsche Dmitrij - Mark Adler
Warlaam - Thomas Mehnert
Missail - Minseok Kim
Schenkwirtin - Katrin Gerstenberger
Gottesnarr - Andreas Wagner
Nikitsch, Polizeioffizier - Oleksandr Prytolyuk
Mitjuch - Stanislav Kirov
Chruschtschow - Andreas Wellano
Lawsitzkij - Vledimir Emelin
Tschernikowskij - Aldomir Mollov
Opernchöre der Staatstheater Darmstadt und Wiesbaden
Kinderchor des Staatstheaters Darmstadt
Staatsorchester Darmstadt
Leitung: Will Humburg