Oper in deutschen Ländern

21.01.2012
Thomas Mann erlebte hier seinen ersten "Lohengrin". Heute aber taucht das Theater Lübeck nicht in die Zauberwelt des mittelalterlichen Schwanenritters ein, sondern in die erbarmungslose Realität der frühen Moderne: "La vida breve" von Manuel de Falla und "Cavalleria rusticana" von Pietro Mascagni: zwei Opernkrimis an einem Abend.
Liebe und Eifersucht unter sengender Sonne; eine Stunde Drama, dann gibt es Tote. Und keine Hoffnung lässt die Menschen aufschauen, kein Gott blickt besorgt zu seinen Geschöpfen herab. Zweite Ebene? Fehlanzeige. Die Story ist alles, und alles ist mit ihrem irdischen Ende aus – sogar die sangesfrohen Trinker und die Gitarren der Verliebten schweigen.

Pietro Mascagnis Operneinakter "Cavalleria rusticana" ("Bauernehre") ist durch die realistische Härte seiner Handlung, die derbe Direktheit seiner Musik berühmt geworden. 1890 aus einem Wettbewerb hervorgegangen, etablierte das Werk des 27 Jahre alten Komponisten den Stil des Verismo, abgeleitet von dem italienischen Wort für Wahrheit. Diese Operngattung wollte der Wahrheit die Ehre geben – und in diesem Fall auch die Wahrheit über die Ehre erzählen, schließlich geht es den krankhaft eifersüchtigen sizilianischen Bauern in diesem Drama genau darum: um "l’onore". Vor dem Blutvergießen umarmen sich die beiden Duellanten, wobei der Herausforderer seinem Gegner rituell ins rechte Ohrläppchen beißt. Eine ehrenwerte Gesellschaft, gewiss. Giuseppe Verdi bezeichnete das angewidert als "Fotografie, keine Kunst".

Kombiniert wird Mascagnis populäre Kurzoper in den meisten Fällen mit den "Pagliacci" von Ruggero Leoncavallo. Heute kommt als Vorspann ein anderes Werk ins Spiel, die Oper "La vida breve" des Spaniers Manuel de Falla. 1905 unter dem Eindruck Mascagnis geschrieben, konnte diese rare spanische Oper erst 1913 durch die Vermittlung von Debussy und Ravel uraufgeführt werden – in Nizza. Die geniale Verbindung aus Sozialkritik und Lokalkolorit (inklusive Gitarren und Kastagnetten) war damals erfolgreich, ist heute aber etwas in Vergessenheit geraten.

Roman Brogli-Sacher, Musikchef des Lübecker Theaters, hat diese beiden Werke für seine aktuelle Premiere ausgewählt – und arbeitet damit weiter am "Musikwunder an der Trave", das die Zeitung "Die Welt" in Lübeck unter Brogli-Sachers Leitung bereits erlebt hat. Kastagnetten in der Hansestadt: auch das ist "Oper in deutschen Ländern"!

Oper in deutschen Ländern
Theater Lübeck
Aufzeichnung vom 13.1.12


Manuel de Falla
"La vida breve"
Drama lirico in zwei Akten und vier Bildern
Libretto: Carlos Fernández Shaw

Salud – Ausrine Stundyte, Sopran
Die Großmutter – Veronika Waldner, Mezzosopran
Carmela / Erste Verkäuferin – Wioleta Hebrowska, Sopran
Zweite Verkäuferin – Rebekka Reister, Mezzosopran
Dritte Verkäuferin – Anne Preuß, Sopran
Paco – Dmitry Golovnin, Tenor
Der Onkel Sarvaor – Gerard Quinn, Bass
Der Sänger / Manuel – Steffen Kubach, Bariton
Eine Stimme aus der Schmiede / Eine Stimme in der Ferne – Hyo Jong Kim, Tenor

ca. 20:15 Uhr Pause mit Nachrichten

Pietro Mascagni
"Cavalleria rusticana"
Melodramma in einem Aufzug
Libretto: Giovanni Targioni-Tozzetti und Guido Menasci

Santuzza, eine junge Bäuerin – Ausrine Stundyte, Sopran
Turiddu, ein junger Bauer – Dmitry Golovnin, Tenor
Lucia, seine Mutter – Veronika Waldner, Mezzosopran
Alfio, ein Fuhrmann – Gerard Quinn, Bass
Lola, seine Frau – Wioleta Hebrowska, Sopran

Chor und Extrachor des Theater Lübeck
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Leitung: Roman Brogli-Sacher