Oper

Die Milde des Revoluzzers

29.03.2014
Nach dem ersten Akt ist man bester Laune. Wunderbar konventionell ging es bisher zu, eine pittoreske Kleinbürgerhölle hat Peter Konwitschny da fein ausgeleuchtet. Der ewig betrunkene Števa sorgte mit seiner überdrehten Entourage für Stimmung, feist und frech wie Falstaff begrapschte er seine Angebetete Jenufa. Sehr zum Missfallen Aller schmeißt er auch noch Banknoten in den Orchestergraben. Halbbruder Laca schmachtet unterdessen Jenufa an und will sie überzeugen, ihn, den Solideren, zu nehmen.
Nach dem ersten Akt ist man bester Laune. Wunderbar konventionell ging es bisher zu, eine pittoreske Kleinbürgerhölle hat Peter Konwitschny da fein ausgeleuchtet. Der ewig betrunkene Števa sorgte mit seiner überdrehten Entourage für Stimmung, feist und frech wie Falstaff begrapschte er seine Angebetete Jenufa. Sehr zum Missfallen Aller schmeißt er auch noch Banknoten in den Orchestergraben. Halbbruder Laca schmachtet unterdessen Jenufa an und will sie überzeugen, ihn, den Solideren, zu nehmen.
So ist das ja oft bei Peter Konwitschny, erst überwiegend nach Blatt inszenieren und dann den großen Regiehammer zücken. Doch Johannes Leiackers sparsam bestückte (Dreh-)Bühne mit Tisch, Stühlen und Bett bleibt im zweiten Akt fast gleich, nur der Bodenbelag verändert sich, statt abgetretenem Gras liegt nun Schnee aus Federn herum. Später werden Blumen blühen. Kostümtechnisch bewegt man sich in eher ungenauen Zeiten mit der Tendenz zum Retroschmock. Die nachbuchstabierende Pinselarbeit setzt sich weiter fort, bis Jenufa aus Fieberträumen erwacht – und ihr Kind vermisst. Das bekam sie von Števa, die Liaison wurde mittlerweile gelöst. Jenufas Stiefmutter, die Küsterin, warf es ins Eis. Doch ganz allein bleibt Jenufa nicht, denn eine fantastische Geigerin (Fuyu Iwaki) huscht zur ihr auf die Bühne und ins Bett, unentschieden bleibt, wer hier schöner melancholisiert.
Erstaunlicherweise gibt es in Graz dann noch eine zweite Pause und wieder wartet man auf den großen Knall. Aber nein, alles bleibt beim Alten, wenn man davon absieht, dass während der großen Chorszene die Figuren zu argen Abziehbildern aus dem alten Böhmen mutieren. Beim Finale treten Jenufa und Laca vor den Vorhang und singen von einer besseren Zukunft. Früher wären bei Konwitschny Soldaten mit Maschinenpistolen aufmarschiert und hätten das hehre Paar mit Verve nieder kartätscht, jetzt herrschen Friede, Freude und das Publikum reagiert mit Bravosalven. Stünde auf dem Besetzungszettel unter Inszenierung zum Beispiel Franz Oberhuber aus Leoben, man wäre erfreut über diesen unbekannten Regisseur und seine Künste der Personenführung – und seine Entscheidung, das böse Regisseurstheater einfach mal links liegen zu lassen. Weil es sich hier jedoch um einen einschlägigen Opernrevoluzzer handelt, hinterlässt die Sache zumindest einen zwiespältigen Eindruck.
Unzweifelhaft brillant ist die Arbeit des neuen Grazer Generalmusikdirektors Dirk Kaftan, er sorgt für einen dynamisch perfekt austarierten Klangstrom, in dem man alle Preziosen, alles Volksliedhafte und die diversen instrumentalen Soli bestens heraushört. Gal James konnte in der Titelpartie leider nur bedingt überzeugen, ihre Stimme klingt oft zu wuchtig, zu grob für Janáčeks fein gestrickte Linien. Aleš Brisceins hell timbrierter Laca gefiel ebenso wie Taylan Reinhards präziser, vielleicht ab und an etwas monochromer Števa. Die Stimme des Abends war zweifellos Iris Vermillions Küsterin, Vermillion bringt genau jenes dunkle Verzweiflungsmelos zum Glühen, für das Leoš Janáček zu Recht so berühmt wurde.