Oper aus dem Londoner Covent Garden

Die Revolution frisst ihre Dichter

Der Startenor Jonas Kaufmann
Der Tenor Jonas Kaufmann singt den Andrea Chénier © picture alliance / dpa / Robin Townsend
04.04.2015
Eine Passion durchlitt der Dichter Andrea Chénier. Vom Liebling der Pariser Revolutionäre wurde er zum "Volksfeind". Die Königliche Oper Covent Garden in London spielte Giordanos Oper "Andrea Chénier" mit Jonas Kaufmann in der Hauptrolle und Antonio Pappano als Dirigenten.
Die Parallelen zu einem Passionsspiel sind auffällig. Ein rechtschaffener Dichter wird von seinem Gegenspieler und den Hütern der Revolution zum Tode verurteilt. Als selbst der Gegenspieler die Rechtschaffenheit des Verurteilten erkennt und ihn retten will, ist es bereits zu spät. Das Volk beharrt darauf: Der Dichter Andrea Chénier muss sterben, weil er die Revolution verraten und mit dem Adel paktiert hat. Was die Wahrheit ist, spielt keine Rolle mehr.
Chenier ist nicht Jesus, schon weil er ein präromantischer Dichter ist und die tapfere und schöne (adlige) Madeleine liebt, die wiederum ihren eigenen Stand sehr kritisch sieht. Doch Chéniers Ende ähnelt dem des Propheten aus Nazareth. Denn der Gärtner der Madeleine namens Gérard, ein Revolutionär und eifersüchtiger Gegenspieler des Chénier, erhält als Politkommissar großen Einfluss. Gérard möchte den Dichter beseitigen lassen. Die Gerichtsverhandlung offenbart die untadelige Haltung des Dichters und zeigt einmal mehr, wie sehr Madeleine Chénier liebt. Zunächst versucht Gérard, Madeleine zu erpressen: Er bekommt sie zur Frau, wenn Chénier freigelassen wird. Darauf lassen sich beide nicht ein - Gérard vollzieht eine Kehrtwende und versucht nur seinerseits, Chénier freizubekommen. Doch da ist es schon zu spät. Die revolutionären Massen wollen ihre Meinung über Chénier nicht ändern und setzen durch, dass der Dichter unter der Guillotine stirbt. Im letzten Moment lässt sich Madeleine in den Todestrakt einschleusen - im Tod unter dem revolutionären Fallbeil sind sie beide vereint.
In einer neuen Produktion dieser nicht mehr so häufig gespielten romantischen Oper bot das Londoner Königliche Opernhaus Covent Garden Anfang des Jahres alle hauseigenen Kräfte und ein strahlendes Solistenensemble mit Jonas Kaufmann, Eva-Maria Westbroeck und anderen auf. Die Leitung hatte Antonio Pappano, seit dreizehn Jahren Chef des königlichen Opernhauses.
Royal Opera House, Covent Garden, London
Aufzeichnung vom 31. Januar 2015
Umberto Giordano
"Andrea Chénier" - Oper in vier Akten
Libretto: Luigi Illica
Andrea Chénier - Jonas Kaufmann, Tenor
Carlo Gérard - Željko Lučić, Bariton
Maddalena de Coigny - Eva-Maria Westbroeck, Sopran
Bersi - Denyce Graves, Mezzosopran
Madelon - Elena Zilio, Mezzosopran
Contessa de Coigny - Rosalind Plowright, Mezzosopran
Roucher - Roland Wood, Bass
Pietro Fléville - Peter Coleman-Wright, Bass
Fouquier-Tinville - Eddie Wade, Bass
Mathieu - Adrian Clarke, Bariton
The Incredible - Carlo Bosi, Tenor
Abbé - Peter Hoare, Tenor
Schmidt - Jeremy White, Bass
Major Domo - John Cunningham, Bassbariton
Dumas - Yuriy Yurchuk, Bass
Chor und Orchester des Royal Opera House
Leitung: Antonio Pappano