Oper als Vulkan der Gefühle
Mit der Premiere von Giacomo Puccinis Oper "Tosca" auf der Seebühne hat bei den Bregenzer Festspielen am Abend die Open-Air-Saison begonnen. Die 7000 Zuschauer bejubelten eine Neuinszenierung von Philipp Himmelmann.
… "doch mal ihr schwarze Augen” singt Tosca in Puccinis Oper. Auch das mag der Ausgangspunkt für Regisseur Philipp Himmelmann und Bühnenarchitekt Johannes Leiacker gewesen sein, in unserem visuellen Zeitalter "das Auge" zur zentralen Bildidee der Seebühnenproduktion zu machen. Cavaradossi malt ein circa 80 mal 40 Meter großes Augenfresko für eine anscheinend gigantische Kathedrale – etwa in einer dieser Diktaturen, die es speziell in der südlichen Hemisphäre gab und geben könnte.
Die nach vorne geklappte Iris dieses Auges ist dann das Kabinett des Staatspolizeichefs, in dem er seine sexuellen Erpressungen auslebt – und sich tödlich "versieht" – so wie auch der Künstler Cavaradossi und die Künstlerin Tosca sich "versehen" und die politische Realität nicht wahrnehmen: zum großen "Te deum" mit Schwadronen von Kaplänen, Bischöfen und Kardinälen werden von Schwadronen von Geheimpolizisten politische Gefangene in ein Betongeviert getrieben und gnadenlos abgeknallt.
Scarpia im Zentrum des Auges lässt alles überwachen und gnadenlos erfragen: Folglich taucht in einem zweiten Auge im Hintergrund alles Foltergrauen unserer Welt auf. Und für die Verlorenheit der Schlussszene dient die schwarze Pupille als schwarzes Gefängnis bis hin zu Cavaradossis Erschießung – ein Bild wie eines jener grauenhaft eindringlichen Capriccios von Francisco Goya, obwohl zwei sehr heutige Erschießungskommandos mit SEK-Gesichtsmasken aus dem Publikum aufmarschiert sind.
Tosca beobachtet die ganze Szene vom oberen Rand der Iris, die dann nochmals in den Nachthimmel emporfährt. Dann springt sie nach hinten und in der schwarzen Pupille zeigt ein Film ihren Sturz ins Nichts. Himmelmann und Leiacker haben mit diesen und vielen anderen Bildwirkungen in Puccinis Thriller von 1800 auch die Problematik des modernen Überwachungsstaates, des "Big Brother" und unsere Welt der noch immer existierenden Folter uns vor Augen geführt: erschreckend und mehrfach überwältigend.
Überwältigend auch, weil speziell im "Va, Tosca – Te deum"-Finale des ersten Akts Ulf Schirmer, die Wiener Symphoniker, das gesamte Ensemble und das neue BOA-Klangsystem einen Klangdom auftürmten, wie er bislang in der Oper noch nicht zu erleben war...
Gleiche Überwältigung gelang der gertenschlanken, mondän sexy, aber manchmal fast hyperaktiv agierenden Nadja Michael in der Titelrolle noch nicht: zu viele Schärfen in ihrem in Sopranhöhen getrimmten Mezzosopran. Zoran Todorovich konnte zwei Akte lang sein Bühnentemperament überzeugend ausagieren, ehe er in einem pianoreichen "Und es blitzten die Sterne" anrührte.
Auch der Scarpia des hünenhaften Gidon Saks klang noch zu uneinheitlich. Zusätzlich waren am Premierenabend einige Nebenrollen zu laut ausgesteuert. Doch als Ganzes war die Aufführung ein Beweis, dass derartig interpretierte Oper Filmwirkungen aus "Matrix", "1984" oder "Hostel" übertrifft: Oper ist dann nicht nur ein Kraftwerk, sondern auch ein Vulkan der Gefühle: erschreckend und grandios.
Die nach vorne geklappte Iris dieses Auges ist dann das Kabinett des Staatspolizeichefs, in dem er seine sexuellen Erpressungen auslebt – und sich tödlich "versieht" – so wie auch der Künstler Cavaradossi und die Künstlerin Tosca sich "versehen" und die politische Realität nicht wahrnehmen: zum großen "Te deum" mit Schwadronen von Kaplänen, Bischöfen und Kardinälen werden von Schwadronen von Geheimpolizisten politische Gefangene in ein Betongeviert getrieben und gnadenlos abgeknallt.
Scarpia im Zentrum des Auges lässt alles überwachen und gnadenlos erfragen: Folglich taucht in einem zweiten Auge im Hintergrund alles Foltergrauen unserer Welt auf. Und für die Verlorenheit der Schlussszene dient die schwarze Pupille als schwarzes Gefängnis bis hin zu Cavaradossis Erschießung – ein Bild wie eines jener grauenhaft eindringlichen Capriccios von Francisco Goya, obwohl zwei sehr heutige Erschießungskommandos mit SEK-Gesichtsmasken aus dem Publikum aufmarschiert sind.
Tosca beobachtet die ganze Szene vom oberen Rand der Iris, die dann nochmals in den Nachthimmel emporfährt. Dann springt sie nach hinten und in der schwarzen Pupille zeigt ein Film ihren Sturz ins Nichts. Himmelmann und Leiacker haben mit diesen und vielen anderen Bildwirkungen in Puccinis Thriller von 1800 auch die Problematik des modernen Überwachungsstaates, des "Big Brother" und unsere Welt der noch immer existierenden Folter uns vor Augen geführt: erschreckend und mehrfach überwältigend.
Überwältigend auch, weil speziell im "Va, Tosca – Te deum"-Finale des ersten Akts Ulf Schirmer, die Wiener Symphoniker, das gesamte Ensemble und das neue BOA-Klangsystem einen Klangdom auftürmten, wie er bislang in der Oper noch nicht zu erleben war...
Gleiche Überwältigung gelang der gertenschlanken, mondän sexy, aber manchmal fast hyperaktiv agierenden Nadja Michael in der Titelrolle noch nicht: zu viele Schärfen in ihrem in Sopranhöhen getrimmten Mezzosopran. Zoran Todorovich konnte zwei Akte lang sein Bühnentemperament überzeugend ausagieren, ehe er in einem pianoreichen "Und es blitzten die Sterne" anrührte.
Auch der Scarpia des hünenhaften Gidon Saks klang noch zu uneinheitlich. Zusätzlich waren am Premierenabend einige Nebenrollen zu laut ausgesteuert. Doch als Ganzes war die Aufführung ein Beweis, dass derartig interpretierte Oper Filmwirkungen aus "Matrix", "1984" oder "Hostel" übertrifft: Oper ist dann nicht nur ein Kraftwerk, sondern auch ein Vulkan der Gefühle: erschreckend und grandios.