Oper als TV-Rateshow

Von Natascha Pflaumbaum |
Franco Leonis „L'oracolo“ und Giacomo Puccinis „Le Villi“ eröffnen die Saison an der Oper Frankfurt. Als Inszenierungsidee haben sich die Macher das Format einer Fernsehshow einfallen lassen.
Weit geschwungene Streicherkantilenen, schwelgerischer Melos: Franco Leoni hat alles richtig gemacht in seinem Einakter „L’oracolo“ – bis auf die Geschichte, die so wirr ist, dass man sie nicht erzählen kann. Kurz gesagt: Es geht um den zwielichtigen Opiumhändler Cim-Fen, der am chinesischen Neujahrstag in San Franciscos Chinatown erst um die Hand einer Frau anhält, dann einen Wahrsager trifft, dann einen kleinen Kaufmannssohn entführt, dann einen Mann erschlägt, um dann nach einigen Intrigen und Wirren selbst getötet zu werden – so wie es das Orakel zuvor geweissagt hat. Bisschen viel für einen Mann und knapp über eine Stunde Musik...

Weil sich in dieser disparaten Geschichte nichts entwickelt, sondern alles hochdramatisch von Affekt zu Affekt voranstolpert, hat sich die Regisseurin Sandra Leupold bei ihrer Frankfurter Inszenierung für eine Spiel-im-Spiel-Situation entschieden. Sie zeigt diese Geschichte als Teil einer Fernsehshow, bei der das Publikum (der Opern- und Kinderchor) in Zivil in einer Rundarena sitzt, Cola trinkt, klatscht. Ein Kameramann dreht das Geschehen, das auf zwei Videoleinwände übertragen wird. Zwei Moderatoren präsentieren das Ganze als Ratespiel-Show: ein Regietrick, der die dramaturgischen Lücken der Geschichte kitten soll. Das hat man schnell verstanden, langweilt sich, findet das Getue aller auf der Bühne aufgesetzt und fragt sich, was das eigentlich soll: Opern-Kritik? Medienkritik? So schlecht wie hier dargestellt sind allerdings weder Oper noch Fernsehen.

Weil die Regisseurin dann auch noch versucht, das zweite Stück des Abends, Giacomo Puccinis „Le Villi“, in dasselbe Spiel-im-Spiel-Fernsehshow-Regielayout zu pressen, weil nun also nach dem kitschigen Chinatown von San Francisco eine schwülstige Geschichte mit Trachten tragenden Schwarzwaldmädeln kommt, driftet das Geschehen vollends in Stadltheatermilieu ab. Das verhinderte Liebespaar, um das es in dieser Geschichte geht – Carlo Ventre als Roberto und Annalisa Raspagliosi als Anna – singt gegen die Regieschwäche in bewährter Operposenhaltung wacker an.

Carlo Ventre rettet den Abend zusammen mit Stefan Solyom, dem Dirigenten des Abends, weil sie musikalisch professionell zusammenhalten, was szenisch auseinanderfällt. Ein irritierend schwacher Saisonstart der Oper Frankfurt – und das in einem Haus, das mit Christoph Loy, Claus Guth und Keith Warner bislang die große Magie der Oper gezeigt hat.