Ondracek: Haushaltskonsolidierung geht vor
Die deutsche Steuergewerkschaft hat sich trotz der guten Konjunkturentwicklung gegen eine Senkung der Steuern ausgesprochen. Alle Kraft müsse darauf konzentriert werden, die Schuldenlast abzubauen und den Haushalt zu konsolidieren, sagte der Vorsitzende der Organisation, Dieter Ondracek.
Birgit Kolkmann: Die Steuereinnahmen sprudeln kräftig und deshalb fordert die CSU rasche Steuersenkungen. Unternehmen sollen noch in diesem, Privathaushalte im nächsten Jahr weniger an den Fiskus abführen müssen, aber dieser Vorschlag kommt bei den Freunden von der CDU nicht gut an. Die Kanzlerin und auch der Finanzminister haben bereits eine Absage erteilt und auch die anderen CDU-Granden sagen, es dürften keine falschen Erwartungen geweckt werden, erst einmal sei die Haushaltskonsolidierung wichtiger. Und was sich ohnehin besser vermarkten lässt, ist die Familienförderung. Ursula von der Leyen möchte ein Familiensplitting einführen. – Wir sind jetzt mit dem Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft verbunden, in der die Finanzbeamten organisiert sind. Guten Morgen Dieter Ondracek.
Dieter Ondracek: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Ondracek, können wir uns eine Steuersenkung jetzt nicht leisten?
Ondracek: Wir können uns eine Steuersenkung derzeit noch nicht leisten. Man muss immer wieder im Hinterkopf haben, dass es nicht ein Haushalt ist, der Überschüsse hat, sondern nur die geplante Neuverschuldung muss nicht in der Höhe in Anspruch genommen werden. Es wird also immer noch mit neuen Schulden gearbeitet bei einem Schuldenstand von 1,5 Billionen. Das macht die Dimension deutlich, dass man alle Kraft darauf konzentrieren muss, dass die Schuldenlast abgebaut wird, um die Zukunft nicht zu sehr zu belasten.
Kolkmann: Nun könnte man natürlich aber auch das Gegenargument bringen, dass man mit Steuersenkungen doch die Wirtschaft wieder mit ankurbelt, weil dann auch die Einnahmen des Staates wieder steigen?
Ondracek: Diesen engen rechnerischen Zusammenhang gibt es gar nicht. Wenn die Bevölkerung mehr Geld in der Tasche hat, dann ist natürlich auch das Konsumverhalten anders, aber auch die Psychologie spielt eine Rolle. Wenn man Sorgen haben muss, dass im Alter keine Rücklagen mehr verfügbar sind, dass der Staat Altersvorsorge nicht mehr leisten kann, dann wird sich das Sparverhalten ändern. Dann geht auch nichts in den Konsum. Deswegen ist das vorsichtig auszutarieren: Haushaltskonsolidierung in erster Linie und dann dort nachsteuern, wo es nachzusteuern ist. Das kann man vorsichtig tun, aber nicht groß mit der Gießkanne Milliarden wieder ausschütten.
Kolkmann: Nun hat ja das Thema Steuerveränderungen, Steuerreformen noch mehrere Aspekte. Zum Beispiel möchte die Union einen Systemwechsel bei der Erbschaftssteuer, und zwar will sie eine Nachlasssteuer, die nur einmal auf das Gesamterbe erhoben wird, mit einem hohen Freibetrag statt ganz vielen, wenn es dann an die Erben ausgeschüttet wird. Was halten Sie davon?
Ondracek: Das sind auch wieder Experimente, die wie ich meine jetzt zur unangebrachten Zeit diskutiert werden. Wir haben eine Erbschaftssteuer. Die Erbschaftssteuer geht bisher davon aus, dass es der erste Erwerb des Erbers ist. Das heißt nicht der Nachlass wird so sehr besteuert, sondern der Erwerb dessen, der das Geld bekommt. Das ist in der Systematik auch richtig, denn ein Erwerb ist für den ein Zufluss, ob er jetzt Geld verdient durch seiner Hände Arbeit oder ob er es geerbt bekommt. Die Steuer hat hier Rechtfertigung zuzugreifen und das System ist richtig, so wie es heute besteht. Es ist nur in Verdacht geraten, weil wir ungleiche Wertansätze haben. Daran spannt sich nun die Diskussion: wie kann man ohne großen Aufwand Werte ermitteln, die nicht echte Verkaufswerte sein können, weil kein Verkauf stattfindet, sondern immer nur Annäherungswerte. Dies hieße ein bestimmter Aufwand. Wenn man aber politisch sagt, wir wollen gar nicht mehr Geld, dann stellt sich wirklich die Frage, muss man diesen Aufwand betreiben, ohne mehr Geld zu haben. Wir sind der Meinung, eine ordentliche durchgeführte Erbschaftssteuer mit mehr Ertrag ist derzeit der richtige Punkt.
Kolkmann: Mehr Ertrag sagen Sie. Das ist ja genau der Punkt. Das Bundesverfassungsgericht hat ja verfügt, dass die Erbschaftssteuer bis zum 1. Januar 2009 reformiert werden muss, weil eben die Werte neu festgesetzt werden. Damit würden die Erbschaftssteuern auch steigen. Das kann ja auch nicht im Interesse vieler Menschen sein oder?
Ondracek: Ich meine schon, denn der Normalbürger ist gar nicht betroffen, denn es ist allgemein politisch Konsens, dass man relativ große Grundfreibeträge einzieht. Ein Schlagwort ist hier "der Oma ihr klein Häuschen". Das wird nicht besteuert. Wenn man hier persönliche Freibeträge in der Größenordnung pro Person von 500.000 Euro einzieht, dann ist der ganze Kleinkram heraus und das Normalerbe heraus und die Großerben können es sich leisten, hier an den Staat etwas abzugeben.
Kolkmann: Nun interessiert mich schon, was Sie Kleinkram nennen. Kommen wir aber mal zum anderen Kleinkram: den Kindern. Familiensplitting, ohne das Ehegattensplitting zu kappen. Das möchte ja gerne Bundesfamilienministerin von der Leyen und mit ihr auch die Kanzlerin. Kommt das aber ganz schön teuer?
Ondracek: Es kommt so sehr teuer nicht. Es kommt darauf an, mit welchem Faktor man Kinder berücksichtigt. Das Ehegattensplitting ist ja nicht so, wie es immer dargestellt wird, ein Almosen des Staates, dass man die Ehe subventioniert, sondern ist das notwendige Korrektiv eines progressiv steigenden Tarifs. Wenn ich in einer Ehe, in einer Erwerbsgemeinschaft zwei Einkommen zusammenwerfe und höher in die Progression komme, dann braucht es einen Ausgleich und das macht Splitting. dass es dort, wo nur ein Ehegatte arbeitet, zu Vorteilen kommt, liegt in der Systematik. Das muss man aber der Familie überlassen, wie sie ihr Einkommen organisiert.
Wenn man nun jetzt der Meinung ist, man muss Kinder einbeziehen, dann kann man die Kinder einbeziehen mit einem Faktor 1 oder wie in Frankreich mit einem Faktor 0,5. Dann wird es billiger oder teuerer. Aber mit zwei, drei Milliarden, die hier eine Rolle spielen, kann man sich durchaus der Überlegung nähern. Dann ist es ein Stückchen im System, ein Stückchen Gerechtigkeit und ein Stückchen mehr Familienförderung, gezielte Familienförderung, dort wo sie hin soll.
Kolkmann: Vielen Dank. – Das war Dieter Ondracek im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Er ist der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft.
Dieter Ondracek: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Ondracek, können wir uns eine Steuersenkung jetzt nicht leisten?
Ondracek: Wir können uns eine Steuersenkung derzeit noch nicht leisten. Man muss immer wieder im Hinterkopf haben, dass es nicht ein Haushalt ist, der Überschüsse hat, sondern nur die geplante Neuverschuldung muss nicht in der Höhe in Anspruch genommen werden. Es wird also immer noch mit neuen Schulden gearbeitet bei einem Schuldenstand von 1,5 Billionen. Das macht die Dimension deutlich, dass man alle Kraft darauf konzentrieren muss, dass die Schuldenlast abgebaut wird, um die Zukunft nicht zu sehr zu belasten.
Kolkmann: Nun könnte man natürlich aber auch das Gegenargument bringen, dass man mit Steuersenkungen doch die Wirtschaft wieder mit ankurbelt, weil dann auch die Einnahmen des Staates wieder steigen?
Ondracek: Diesen engen rechnerischen Zusammenhang gibt es gar nicht. Wenn die Bevölkerung mehr Geld in der Tasche hat, dann ist natürlich auch das Konsumverhalten anders, aber auch die Psychologie spielt eine Rolle. Wenn man Sorgen haben muss, dass im Alter keine Rücklagen mehr verfügbar sind, dass der Staat Altersvorsorge nicht mehr leisten kann, dann wird sich das Sparverhalten ändern. Dann geht auch nichts in den Konsum. Deswegen ist das vorsichtig auszutarieren: Haushaltskonsolidierung in erster Linie und dann dort nachsteuern, wo es nachzusteuern ist. Das kann man vorsichtig tun, aber nicht groß mit der Gießkanne Milliarden wieder ausschütten.
Kolkmann: Nun hat ja das Thema Steuerveränderungen, Steuerreformen noch mehrere Aspekte. Zum Beispiel möchte die Union einen Systemwechsel bei der Erbschaftssteuer, und zwar will sie eine Nachlasssteuer, die nur einmal auf das Gesamterbe erhoben wird, mit einem hohen Freibetrag statt ganz vielen, wenn es dann an die Erben ausgeschüttet wird. Was halten Sie davon?
Ondracek: Das sind auch wieder Experimente, die wie ich meine jetzt zur unangebrachten Zeit diskutiert werden. Wir haben eine Erbschaftssteuer. Die Erbschaftssteuer geht bisher davon aus, dass es der erste Erwerb des Erbers ist. Das heißt nicht der Nachlass wird so sehr besteuert, sondern der Erwerb dessen, der das Geld bekommt. Das ist in der Systematik auch richtig, denn ein Erwerb ist für den ein Zufluss, ob er jetzt Geld verdient durch seiner Hände Arbeit oder ob er es geerbt bekommt. Die Steuer hat hier Rechtfertigung zuzugreifen und das System ist richtig, so wie es heute besteht. Es ist nur in Verdacht geraten, weil wir ungleiche Wertansätze haben. Daran spannt sich nun die Diskussion: wie kann man ohne großen Aufwand Werte ermitteln, die nicht echte Verkaufswerte sein können, weil kein Verkauf stattfindet, sondern immer nur Annäherungswerte. Dies hieße ein bestimmter Aufwand. Wenn man aber politisch sagt, wir wollen gar nicht mehr Geld, dann stellt sich wirklich die Frage, muss man diesen Aufwand betreiben, ohne mehr Geld zu haben. Wir sind der Meinung, eine ordentliche durchgeführte Erbschaftssteuer mit mehr Ertrag ist derzeit der richtige Punkt.
Kolkmann: Mehr Ertrag sagen Sie. Das ist ja genau der Punkt. Das Bundesverfassungsgericht hat ja verfügt, dass die Erbschaftssteuer bis zum 1. Januar 2009 reformiert werden muss, weil eben die Werte neu festgesetzt werden. Damit würden die Erbschaftssteuern auch steigen. Das kann ja auch nicht im Interesse vieler Menschen sein oder?
Ondracek: Ich meine schon, denn der Normalbürger ist gar nicht betroffen, denn es ist allgemein politisch Konsens, dass man relativ große Grundfreibeträge einzieht. Ein Schlagwort ist hier "der Oma ihr klein Häuschen". Das wird nicht besteuert. Wenn man hier persönliche Freibeträge in der Größenordnung pro Person von 500.000 Euro einzieht, dann ist der ganze Kleinkram heraus und das Normalerbe heraus und die Großerben können es sich leisten, hier an den Staat etwas abzugeben.
Kolkmann: Nun interessiert mich schon, was Sie Kleinkram nennen. Kommen wir aber mal zum anderen Kleinkram: den Kindern. Familiensplitting, ohne das Ehegattensplitting zu kappen. Das möchte ja gerne Bundesfamilienministerin von der Leyen und mit ihr auch die Kanzlerin. Kommt das aber ganz schön teuer?
Ondracek: Es kommt so sehr teuer nicht. Es kommt darauf an, mit welchem Faktor man Kinder berücksichtigt. Das Ehegattensplitting ist ja nicht so, wie es immer dargestellt wird, ein Almosen des Staates, dass man die Ehe subventioniert, sondern ist das notwendige Korrektiv eines progressiv steigenden Tarifs. Wenn ich in einer Ehe, in einer Erwerbsgemeinschaft zwei Einkommen zusammenwerfe und höher in die Progression komme, dann braucht es einen Ausgleich und das macht Splitting. dass es dort, wo nur ein Ehegatte arbeitet, zu Vorteilen kommt, liegt in der Systematik. Das muss man aber der Familie überlassen, wie sie ihr Einkommen organisiert.
Wenn man nun jetzt der Meinung ist, man muss Kinder einbeziehen, dann kann man die Kinder einbeziehen mit einem Faktor 1 oder wie in Frankreich mit einem Faktor 0,5. Dann wird es billiger oder teuerer. Aber mit zwei, drei Milliarden, die hier eine Rolle spielen, kann man sich durchaus der Überlegung nähern. Dann ist es ein Stückchen im System, ein Stückchen Gerechtigkeit und ein Stückchen mehr Familienförderung, gezielte Familienförderung, dort wo sie hin soll.
Kolkmann: Vielen Dank. – Das war Dieter Ondracek im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Er ist der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft.