Omikron in Kalifornien

Mit Impfpflicht und Homeoffice aus der Pandemie

22:02 Minuten
Zwei Skater fahren in Kalifornien eine Straße hinunter.
Sicherheit und Normalität: Das wünschen sich viele Eltern für ihre Kinder auch in Kalifornien zurück. © Unsplash / Jamie Brown
Von Katharina Wilhelm · 15.02.2022
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Omikron hat Kalifornien mitten in der Zeit der Preisverleihungen erwischt. Die Grammys und Critics Choice Awards in Los Angeles wurden verlegt. Nun ist die Covid-Spitze aber offenbar erreicht. Eine Impfpflicht für Schulkinder könnte trotzdem kommen.
Die Kinder kennen das Prozedere schon: Mund auf, Stäbchen rein. Ein PCR-Test ist an dieser deutsprachigen Kita in Culver City, im Großraum von Los Angeles,  mittlerweile Pflicht.
“Ich wollte gern, dass die Eltern zweimal die Woche die Kinder testen lassen”, erklärt Ilka Sternberger, die die “Tivoli Rainbow Garden Preschool” leitet.
Das Mädchen Amelle Samuel hält ihre Puppe während sie eine Covid-19-Impfung bekommt.
Kleine Unterstützung: Amelle Samuel hält ihre Puppe, während sie gegen Covid-19 geimpft wird.© imago / Zuma Wire / Ringo Chio
Eigentlich hat die kleine Kita den Vorteil, dass die Kinder den ganzen Tag draußen spielen konnten, das milde Wetter in Los Angeles macht es möglich. Trotzdem: Die Übertragungsrate von Omikron wurde von der Gesundheitsbehörde in Los Angeles als so hoch eingeschätzt, dass auch draußen mehr Schutz notwendig wurde.
“Wir haben die Kinder noch weiter auseinandergesetzt. Dann mussten alle Kinder N95- oder Surgical Masks tragen.”

Bundesstaat mit strengen Corona-Maßnahmen

In Deutschland entspricht das beispielsweise den FFP2 und chirurgischen Masken. Sternberger sagt, sie wolle die Kinder schützen. Und die meisten Kita-Kinder sind noch zu jung, um sich bereits impfen lassen zu können. In Kalifornien ist das, so wie in Deutschland, derzeit ab fünf Jahren möglich.
Seit die Omikron-Welle Kalifornien erfasst hat, sind mehr Kinder denn je mit Corona-Erkrankungen in die Krankenhäuser gekommen. Der Bundesstaat hat seit Beginn der Pandemie fast 850.000 Covid-Fälle bei Kindern im Alter von 0 bis 17 Jahren gezählt. Davon sind insgesamt 44 gestorben.
Kalifornien gilt innerhalb der USA als einer der Bundesstaaten, der besonders strenge Corona-Maßnahmen erlassen hat - inklusive einer Impfpflicht. Sie gilt zum Beispiel für Angestellte im Gesundheitswesen, bei der Polizei, der Feuerwehr und in Schulen. Dort allerdings zunächst nur für Lehrkräfte.
Aber auch Schulkinder sollen ab dem kommenden Jahr einer Art Impfpflicht unterliegen. Staatssenator Richard Pan, von Beruf aus Kinderarzt, hat dazu gerade einen neuen Gesetzesentwurf vorgestellt. 
“Schüler in Kalifornien sind verpflichtet, gegen viele ernste Erkrankungen geimpft zu sein, um deren Verbreitung an Schulen einzudämmen. Angesichts der sehr hohen Zahlen, die auch Teenies und Kinder betreffen, müssen wir dafür sorgen, dass die Schulkinder auch gegen Covid geimpft sind", sagt er.
"Diese Maßnahmen plus Maskenpflicht und Testen werden dazu führen, dass die Schulen offen bleiben können und sicher sind.”

Impfpflicht auch für Kinder

Mit dem Gesetz würden dann die Covid-Impfstoffe mit denen gegen andere Krankheiten wie Masern oder Windpocken gleichgesetzt. Und damit würde eine Pflicht entstehen, Kinder impfen zu lassen, sobald sie in die Schule kommen.
Gleichzeitig soll es für die Eltern schwieriger werden, gegen diese Verpflichtung rechtlich vorzugehen - zum Beispiel, indem sie angeben, dass sie eine Impfung aus religiösen Gründen ablehnen. Wer seine Kinder also nicht impfen lässt, darf sie nicht mehr in die Schule zum Präsenzunterricht senden. 
In Los Angeles, wo eine Impfpflicht ab dem Herbst durchgesetzt werden soll, bereitet sich der Schulbezirk darauf vor, knapp 20.000 Schüler online zu unterrichten, weil sie nicht geimpft sind.  
Doch die Vorgabe, dass Kinder bereits ab zwei Jahren Masken tragen sollen und Impfverpflichtungen für Erwachsene und Kinder, führen immer wieder zu Protesten.
“Ich mag es nicht, dass die Regierung sich einmischt, wie ich meine Kinder erziehe, was wir in ihre Körper tun. Diese Entscheidung sollte bei  den Eltern und Familien bleiben!”
“Wir sollten nicht gesagt bekommen, dass wir unsere Jobs verlieren, dass wir unsere Freiheiten verlieren, dass unsere Kinder nicht mehr in die Schule dürfen!”
"Das ist falsch, das ist gegen die Verfassung!”
Ein Mann mit Bart und dunkler Sonnenbrille hält auf der Straße ein Plakat hoch, auf dem steht, dass nicht Masken retten, sondern Jesus rettet.
"Nicht die Maske, sondern Jesus rettet Dich": Plakat bei Impfprotesten in Los Angeles.© Katharina Wilhelm, ARD-Studio Los Angeles
Auch bei Feuerwehrleuten und Polizisten gibt es Widerstand gegen die auferlegte Immunisierung und das mit drastischen Folgen: Bei der Polizei in Los Angeles könnten 4000 Polizisten suspendiert werden, weil sie sich nicht impfen lassen wollen.
Omikron erwischte Kalifornien mitten in der so genannten Awards-Season, also dann, wenn eigentlich viele Preisverleihungen stattfinden sollen. Die Musikpreise Grammys und auch die Critics Choice Awards in Los Angeles wurden bereits wegen Omikron verlegt. Doch offenbar ist die Spitze der Covid-Fälle mittlerweile erreicht.

Bald ohne Maske?

Mitte Februar soll die Maskenpflicht für geimpfte Menschen wegfallen. Außer in Los Angeles, wo die Fallzahlen noch immer zu hoch sind, um die Masken abzunehmen, sagt die Gesundheitsbeauftragte Barbara Ferrer.
Corona hat auch die Arbeitswelt verändert. Im Hightech-Standort Silicon Valley haben sich zahlreiche Firmen bereits entschieden: das Homeoffice kann bleiben. Bei Twitter zum Beispiel dauerhaft. Andere Firmen wie Apple und Amazon wollen zwei Homeoffice-Tage die Woche beibehalten. Zusätzlich bieten sie an, dass man einen Monat pro Jahr ganz von zu Hause aus arbeiten kann.

Zwei, drei Tage pro Woche im Homeoffice

Eine gute Entscheidung, findet Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Bloom, der sich mit der modernen Arbeitswelt beschäftigt und in der Pandemie zehntausende US-Amerikaner befragt hat, wie sie in Zukunft arbeiten möchten.
“Die meisten Menschen wollen zwei, drei Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten und zwei, drei Tage pro Woche ins Büro kommen", sagt er.
"Interessant ist aber, dass es eine große Spanne gibt. So ist es zum Beispiel wenig überraschend, dass Menschen mit kleinen Kindern mehr Tage von zu Hause aus arbeiten wollen, insbesondere Frauen mit Hochschulabschluss und kleinen Kindern. Das variiert je nach Ethnie und je nach Entfernung zum Büro.“
Doch das so genannte Hybridmodell, also einige Tage im Büro und andere zu Hause, trifft nicht bei allen Unternehmen auf Gegenliebe. Wirtschaftswissenschaftler Bloom erklärt, die Gegner des Homeoffice seien überwiegend männlich, über 50 Jahre alt und hätten keine kleinen Kinder zu Hause. 
“Sie halten nichts vom Homeoffice. Sie bevorzugen das Firmenbüro. Wenn diese Gruppe entscheidet und nicht umfassend konsultiert wird, besteht die Gefahr, dass sie sagt: 'Ihr müsst alle zurückkommenn.' Sie halten das für die beste Lösung. Das entspricht aber nicht dem, was meisten Mitarbeitenden wollen.”

Apple, Facebook und Netflix als Trendsetter  

Viele internationale Unternehmen blicken gern nach Kalifornien, wenn es darum geht herauszufinden, was zukünftige Trends sein könnten - auch in der Arbeitswelt. Das Homeoffice gehört sicher dazu. Und wer ins Büro gehen will - oder muss – der sieht sich in Kalifornien nun oft mit einer Impfpflicht konfrontiert.
Auch in diesem Punkt ist der Westküstenstaat sogar strenger, als die US-weiten Vorgaben. Unternehmen wie Apple, Facebook oder Netflix verlangen mittlerweile eine Impfung und einen Booster, wenn die Mitarbeiter vor Ort sind.
Wie weiterleben mit Covid - und wie lange? Diese Frage hat sich auch Inken Brough gestellt. Die Deutsche lebt mit amerikanischem Mann und zwei Kindern schon lange in den USA. Sie macht sich Gedanken, wie die Pandemie ihre Kinder beeinflusst haben könnte.
“Audrey wird jetzt vier im März, das ist ihr halbes Leben. Obwohl sie weniger Schwierigkeiten damit hat als mein Sohn, der jetzt sieben wird und der genau in seinem Übergang vom Kindergarten zur Schule davon betroffen war", erzählt sie.
"Der hat richtig Probleme mit Corona gehabt und auch Entwicklungsschwierigkeiten. Und ich hoffe, dass umso mehr Kinder auch geimpft werden und umso mehr Schutz da ist, dass die Kinder auch endlich ihre Masken loswerden können und  wieder normal miteinander umgehen können."

Impfstudienteilnahme für eine bessere Zukunft

Der Spielplatz, auf dem sie ihre Tochter schaukeln lässt, ist fast leer. Trotzdem tragen beide Maske. Inken Brough  ist vorsichtig, vor allem den Schwiegereltern zuliebe, die im wenige Kilometer entfernten Orange County leben.
Ihre Antwort auf die vielen Sorgen: der Wissenschaft helfen. Und zwar, in dem sie ihre Kinder bei Impfstudien angemeldet hat. Einmal Moderna, einmal Biontech.
“Wir haben gesagt, dass es im Grunde genommen schon lange genug passiert ist, dass wir nicht mehr das Gefühl hatten, unsere Kinder sind so ganz in der vordersten Front. Dass es eben schon getestet wurde. Und wir hatten das Gefühl, dass es weit genug war, dass wir uns damit wohl gefühlt haben.“
Ob die Spritze für ihre Tochter auch Wirkung hatte, das weiß sie noch nicht.
„Wir warten noch auf die Veröffentlichung der Information, ob sie geimpft ist oder nicht. Sie ist im Moderna Trial.”

Hoffnung auf Normalität

Eine Impfpflicht würde sie begrüßen. Brough weiß, dass es viele Eltern gibt, die noch skeptisch sind, vor allem ihre kleinen Kinder impfen zu lassen. Sie selbst sagt, sie habe sich vorab viel informiert, über die Impfstoffe und die Forschung. Es sei eine Entscheidung für eine bessere Zukunft gewesen.
“Wir haben es gemacht, auch weil wir weiterleben wollen. Dafür, dass die Menschen, die wir lieben und die in unserer Umgebung sind, die Möglichkeit haben, die Impfstoffe zu bekommen und damit geschützt sind. Das gibt einem schon das Gefühl von Sicherheit und Hoffnung, dass es wieder Normalität in unserem Leben geben wird.”
Pfizer/Biontech hat in den USA bereits eine Notfallzulassung für den Impfstoff für Kinder zwischen sechs Monaten und fünf Jahren beantragt. Die Diskussion um die Impfpflicht geht unterdessen in Kalifornien weiter.
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