Olympische Spiele in Japan

Hoffen auf eine Art Auferstehung nach Fukushima

"Tokyo 2020" Skulptur in Enoshima, Japan, mit den aufgedruckten fünf olympischen Ringen als Vorankündigung auf die Olympischen Spiele, die in fünf Monaten beginnen.
Tokyo 2020 © Getty / Clive Rose
Von Kathrin Erdmann  · 23.02.2020
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In fünf Monaten beginnen in Japan die Olympischen Sommerspiele. Viele Japaner blicken ihnen mit Freude und Stolz entgegen. Einige sind aber bereits enttäuscht, weil sie sich bisher erfolglos um die teuren Tickets bemüht haben.
Japans Regierungschef Shinzo Abe klingt geradezu euphorisch, wenn er an den Sommer denkt: "Indem wir alle zusammenarbeiten, werden wir die Olympischen Spiele und die Paralympics zu den besten Spielen überhaupt machen und die ganze Welt beeindrucken. Lassen Sie uns alle gemeinsam dieses neue Zeitalter beschreiten." Das sagte der rechtskonservative Politiker kürzlich im Parlament. Die Spiele sollen neun Jahre nach dem Reaktorunglück von Fukushima eine Art Auferstehung für Japan sein.
"Dieser Ort, der das Zentrum der Katastrophe war, wird jetzt wieder zum Fußballmekka unseres Landes und überlaufen mit lachenden Kindergesichtern", sagt Abe. Wenn sich der Regierungschef da mal nicht verrechnet. Denn gerade im J-Village in Fukushima, wo unter anderem der Fackellauf beginnen soll, wurde kürzlich noch kontaminierte Erde gefunden. Südkoreanische Sportler haben bereits angekündigt, Geigerzähler und eigenes Essen mitzubringen.

Provisorium an der Tokioter Bucht

In Tokio, wo die meisten Wettbewerbe stattfinden, steht im Grunde alles für die Sportler und Sportlerinnen. Zum Beispiel das Athletendorf, eine offene freundliche Anlage aus verschiedenen japanischen Hölzern und bestens ausgestattet, sagt der Verantwortliche Takashi Kitajima: "Die Athleten bekommen hier Essen, werden medizinisch versorgt, können Gymnastik machen und erhalten kostenlose Kleidung. Aber man kann auch typische Maskottchen aus Japan kaufen oder Alltagsdinge wie Shampoo und sogar zum Friseur gehen."
Das Dorf an der Tokioter Bucht ist nur ein Provisorium – nach den Spielen werden die Hölzer wieder in die Präfekturen zurückgebracht und zum Beispiel zu Parkbänken gemacht. Auch bei den Wohnungen für die Sportler bemühen sich die Organisatoren um Nachhaltigkeit. Alle 26.000 Betten sind aus erneuerbarem Material. Die Wohnungen stehen nach den Spielen zum Verkauf und können bereits reserviert werden.
Ansicht auf das aus einheimischen Hölzern gebaute olympische Dorf in Tokyo, 2020.
Tokyo 2020, das olympische Dorf für die Athleten© Getty / AsiaPac / Clive Rose
"Für einen Teil der gemeinschaftlich genutzten Anlagen gewinnen wir Energie aus Wasserstoff. Ich denke, das ist ein weiterer Pluspunkt, den es in anderen Wohnvierteln noch nicht gibt", sagt Ayumu Furuya, Projektmanager für diese Immobilie. Alle neu gebauten Stadien sind fertig und die Olympischen Ringe sind eingetroffen.

Marathon im weit entfernten Norden

Doch es bleibt mindestens ein Wehrmutstropfen – die Verlegung des Marathons und der Geherwettbewerbe nach Hokkaido ganz in den Norden Japans: "Viele, die auch keine Karten mehr für die Olympischen Spiele bekommen haben, hatten sich auch gerade darauf gefreut, hier in der Tokioter Stadtbevölkerung", sagt Barbara Holthus, stellvertretende Direktorin am Deutschen Institut für Japanstudien in Tokio. "Da kann man aus dem Fenster gucken. Die Lokalbevölkerung in den verschiedenen Stadtteilen, wo der Marathon durchläuft, hatte sich darauf gefreut, sich repräsentieren zu können. Und das findet eben alles nicht statt."
Wie recht Holthus damit hat, zeigt eine Umfrage. "Es ist ein bisschen enttäuschend, dass der Marathon nach Sapporo verlegt wurde. Und ich frage mich, warum nach Sapporo. Das musste nicht Sapporo sein. Es gibt Orte im Katastrophengebiet, die auch im Sommer kühl sind und wo man hätte laufen können", sagt sie. "Viele Dinge haben sich plötzlich geändert. Der Marathon wurde nach Sapporo verlegt. Wie konnte das passieren? Denn es war doch klar, dass es im Sommer in Tokio heiß ist. In der Vorbereitungsphase haben sich die Zuständigen nicht genügend Gedanken gemacht. So sehe ich das."

Hälfte der Tickets schon verkauft

Groß ist bei einigen auch die Enttäuschung, weil sie sich bisher erfolglos um Tickets bemüht haben. "Ich wollte sie schon live sehen. Denn so eine Chance, dass die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden, wird in Zukunft nicht einfach wieder vorkommen. Aber die Preise von Tickets waren so enorm hoch, dass ich aufgeben musste", so Holthus.
Bisher ist etwa die Hälfte der etwa acht Millionen Tickets verkauft. Im Frühjahr kommt der Rest auf den Markt, gaben die Veranstalter bekannt. Es bleiben noch die Kosten. Sie liegen je nach Berechnung und Schätzung umgerechnet zwischen 12 und 30 Milliarden Euro. Die Spiele könnten damit vier Mal so teuer werden wie ursprünglich veranschlagt.
Viele Japaner blicken trotz allem den Spielen auch mit Freude und Stolz entgegen. "Wenn ich verschiedene Schilder in der Stadt Tokio sehe, spüre ich, dass der Termin sich nähert", sagt einer. Ein anderer: "Ich freue mich sehr, dass die Olympischen Spiele, die ich sonst nur im Fernsehen sehe, in Tokio, also in der Stadt, in der ich wohne, stattfinden."
Und wenn die Unternehmen auch noch dem Rat der Gouverneurin folgen und ihre Mitarbeiter später ins Büro schicken oder gleich von Zuhause arbeiten lassen, dann wird es während der Spiele nicht ganz so eng werden in den Bahnen.

Wie werden japanische Frauen und Mädchen im Sport gefördert - Anja Röbekamp im Interview:
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