Olympia in Tokio

"Spiele der Männer und Frauen"

09:59 Minuten
Die Weitspringerin Malaika Mihambo aus Deutschland ist mit ihrer Goldmedaille bei der Siegerehrung zu sehen.
Die Weitspringerin Malaika Mihambo aus Baden-Württemberg wird nach ihrem Rekord die Erinnerung an die Olympischen Sommerspiele prägen. © picture alliance/ dpa | Michael Kappeler
Sylvia Schenk im Gespräch mit Dieter Kassel  · 07.08.2021
Audio herunterladen
Sportlerinnen – wie die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo – haben die Spiele in Tokio besonders geprägt. Die frühere Athletin Sylvia Schenk stellt erfreut fest, dass Frauen heute gut vertreten sind und ihnen alle Sportarten offen stehen.
Bei den Olympischen Spielen in Tokio wird vermutlich vielen deutschen Zuschauern der Weitsprungsieg von Malaika Mihambo aus Baden-Württemberg in besonderer Erinnerung bleiben, die dafür eine Goldmedaille mit nach Hause bringt. Auch das Schicksal der belarusischen Sprinterin Kristina Timanowskaja, die von den Sportfunktionären ihres Landes unter Druck gesetzt wurde und eine Entführung aus Tokio befürchtete, bewegte viele Menschen. Waren es also Olympische Spiele der Frauen?

Die Hälfte der Sportler sind Frauen

Die Frauen hätten bei den deutschen Auszeichnungen zwar den Löwenanteil gewonnen, sagt die frühere Leichathletin und Sportfunktionärin Sylvia Schenk, aber von einer "Olympiade der Frauen" will sie dennoch nicht sprechen. Bemerkenswert findet sie vielmehr, dass Männer und Frauen heute bei Olympia gleichberechtigt vertreten seien. Sie spricht von "Spielen der Männer und Frauen".
Es seien in Tokio fast 50 Prozent Frauen mit dabei, sagt Schenk. Als sie 1972 bei Olympia war, seien die meisten Sportarten noch nicht einmal für Frauen ausgeschrieben gewesen. "Es gab kein Frauenrudern, es gab natürlich kein Frauenfußball, der war damals ja fast noch verboten in Deutschland." Auch Boxen, Ringen oder Gewichtheben habe es für Frauen noch nicht gegeben.

IOC hat eine Bühne geboten

Wichtig sei vor allem, dass heute alle Länder auch durch Frauen vertreten seien. "Es war lange Zeit so, dass die Länder aus dem arabischen Raum mit muslimischem Glauben keine Frauen mitgebracht haben in ihrer Mannschaft", erinnert sich Schenk. Das sei 2012 in London zum ersten Mal anders gewesen. Dort hätten Länder nicht starten dürfen, wenn sie keine Athletin dabeihatten. "Seit 2012 sind auch immer mehr Frauen auch in allen Delegationen dabei."

Es habe da eine Wechselwirkung gegeben, sagt Schenk. Frauen hätten immer mehr Sportarten erobert und das Internationale Olympische Komitee (IOC) habe ihnen eine Bühne geboten. Sie erinnere sich noch gut an eine 400-Meter-Läuferin aus Marokko, die in den 1980er-Jahren als erste Frau aus einem islamischen Land eine Goldmedaille gewonnen habe. "Das war natürlich auch für so ein Land, das die Goldmedaille einer Frau feiert, ein Riesensymbol." Zu dieser Entwicklung beigetragen hätten aber auch die Forderungen von Marketingexperten in den 1990er-Jahren. "Die Sportartikelindustrie hat die Frauen ja auch entdeckt."

Das IOC habe mit an dieser Schraube gedreht und 1996 beschlossen, dass auch alle internationalen Verbände und die nationalen Olympischen Komitees mindestens eine Frau im Präsidium haben müssten, so Schenk. Das sei nicht viel, aber immerhin ein Anstoß.
(gem)
Mehr zum Thema