Olympische Spiele

Gibt es Sanktionen gegen israelische Sportler?

06:01 Minuten
Olympische Ringe auf der Trocadero Promenade vor dem Eiffelturm in Paris
Zahlreiche Sportorganisationen aus den palästinensischen Gebieten fordern den Ausschluss Israels von Olympia. © dpa / picture alliance / Apaydin Alain
Von Ronny Blaschke · 28.04.2024
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Wenige Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris überschattet der Nahostkrieg auch das Sportereignis: Einerseits werden Rufe nach einem Boykott gegen Israel lauter, andererseits wachsen die Bedrohungen gegen Sportler aus dem jüdischen Staat.
Im Februar 2024 fanden in der katarischen Hauptstadt Doha die Weltmeisterschaften im Schwimmen statt. Es ist die Stadt, in der seit Jahren auch Führungskräfte der Hamas leben.

Bewaffnete Sicherheitskräfte begleiten Sportler

Vor allem die Schwimmer aus Israel wurden von bewaffneten Sicherheitskräften begleitet. Sie nutzten geheime Unterkünfte und änderten regelmäßig ihre Fahrstrecken, berichtet Miki Halika, der Präsident des israelischen Schwimmverbandes: „Die Athleten konnten allein nichts unternehmen. Selbst wenn sie in der Sportstätte auf Toilette wollten, mussten sie sich mit Sicherheitskräften abstimmen.“
Auch andere Sportler Israels geraten unter Druck. Einige Fechter mussten nach einer Bombendrohung in Bern (Schweiz) in der Umkleidekabine warten. Der Fußballer Sagiv Jehezkel wurde für eine Solidaritätsaktion mit Opfern der Hamas in der Türkei vorübergehend festgenommen.
Nun, gut drei Monate vor den Olympischen Spielen in Paris, bereiten sich etliche israelische Sportlerinnen und Sportler in Europa oder in den USA vor. Miki Halika erklärt dazu:

Die Athleten dürfen in sozialen Medien nicht den Standort ihres Trainingslagers veröffentlichen. Das ist erst wieder zwei Tage nach ihrer Abreise erlaubt.

Miki Halika, Präsident des israelischen Schwimmverbandes

Auch manche EU-Politiker wollen Sanktionen

Bei wachsenden Opferzahlen in Gaza könnte sich die Lage auch im Sport zuspitzen. Seit Wochen fordern mehr als 300 Sportorganisationen aus den palästinensischen Gebieten den Ausschluss Israels von den Olympischen Spielen.
Auch einige Abgeordnete aus dem französischen und dem EU-Parlament sprechen sich für Sanktionen gegen Sportverbände aus dem jüdischen Staat aus.
Der israelische Historiker Moshe Zimmermann glaubt nicht, dass es zu einem Sportboykott kommen wird. Aber er hält es für möglich, dass der Gazakrieg die Spiele von Paris überschatten wird:

Es ist zu erwarten, dass mindestens irgendwelche Gesten dort stattfinden, die zeigen, dass die anderen Sportler oder die Medien Israel boykottieren. Das reicht schon aus, dass das Publikum auf den Rängen Israel ausbuht. Man ist in die Situation der Paria [niederste Kaste in Indien, jemand, die/der von der Gesellschaft ausgestoßen ist, d. Red.] in der Welt geraten. Das wird sich auch in Paris zeigen.

Historiker Moshe Zimmermann

Während des Krieges in Gaza wurden bisher wohl hunderte palästinensische Sportler, Trainer und Funktionäre getötet.

Aktivisten vergleichen Israel mit Russland

Zahlreiche Aktivisten fordern nun, dass Israel im Sport genauso behandelt werden müsse wie Russland: Nach dem Überfall auf die Ukraine hatten internationale Verbände wie die FIFA oder die UEFA die russischen Mannschaften ausgeschlossen.
Martin Krauß, Autor der „Jüdischen Allgemeinen“, findet den Vergleich mit Russland befremdlich. Schließlich sei am 7. Oktober Israel von der Hamas angegriffen worden. Er sagt:

Von einem Angriffskrieg, der in irgendeiner Weise vergleichbar wäre mit dem, was Russland macht, kann man nicht reden. Und von Genozid oder Völkermord, oder was da alles an propagandistischen Begriffen da durch die Gegend schwirren, schon rein gar nicht. Wenn ich mich lautstark hinstelle und sage, jüdische Sportler oder die Vertreter eines jüdischen Staates dürfen nicht dabei sein, ich wüsste nicht, was es anderes ist als Antisemitismus.

Martin Krauß, Autor der „Jüdischen Allgemeinen“

Fußballteams als Rekrutierungszellen

In Israel selbst betonen Medien immer wieder, dass die Hamas auch den Sport für ihren Terror nutze. So soll sie in Gaza auch von Sportplätzen Raketen abgefeuert haben.
Palästinensische Fußballteams seien mitunter als Rekrutierungszellen genutzt worden. Zudem blickt der israelische Sport auf eine jahrzehntelange Geschichte, in der seine Athleten immer wieder ausgeschlossen und boykottiert wurden, erinnert Martin Krauß:
„Es waren auch immer sogenannte westlich politisch ausgerichtete Staaten, die sich an diesen Sachen beteiligt haben. Israel ist ja bekanntlich ein Land, das am Mittelmeer liegt. Ob die in Italien stattgefunden haben, oder in Spanien oder in der Türkei: Israel darf bis zum heutigen Tag an keinen Mittelmeerspielen teilnehmen. Obwohl diese Spiele übrigens auch unter dem Patronat des IOC stehen.“
Die israelischen Fußballer sind in der Qualifikation für die Europameisterschaft gescheitert. Aber im Sommer nimmt Israel am olympischen Fußballturnier teil. Schmähgesänge und Proteste sind durchaus möglich.
Der Historiker Moshe Zimmermann geht davon aus, dass insbesondere die rechtsextremen Mitglieder der israelischen Regierung diese aufgreifen werden:
„Das wird man immer weiter ausschlachten. Der Boykott bewirkt in der israelischen Regierung, in israelischen Regierungskreisen, nicht eben die Reaktion, die man erwartet, nämlich Nachdenken über das eigene Handeln, sondern eben diesen Automatismus: Wir sind eben immer Ziel von antisemitischen Neigungen.“

Zwischen Antisemitismus und legitimem Protest unterscheiden

Die Gastgeber der Olympischen Spiele stehen vor einer Herausforderung: Sie müssen unterscheiden zwischen Antisemitismus und dem legitimen Protest gegen Israels Politik.
Schon seit längerer Zeit fordern zum Beispiel Gruppen wie die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen), die Israel isolieren will und vom Bundestag als antisemitisch eingestuft wird, einen Sportboykott. Im Internet ruft BDS zu Sitzstreiks und „friedlichen Störungen“ bei Wettkämpfen auf. Womöglich auch bei Olympia.

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