Olivier Guez: "Koskas und die Wirren der Liebe"

Ein sympathischer Loser

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Zu sehen ist das Cover des Buchs "Koskas und die Wirren der Liebe" von Olivier Guez.
Mittdreißiger Jacques Koskas hockt in der französischen Provinz, träumt von wilden Liebschaften und einer Karriere als Journalist. Irgendwann steigt er in einen Zug nach Berlin. © Aufbau Verlag / Deutschlandradio
Von Dirk Fuhrig · 25.02.2020
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Über die Qualen verlassener Liebhaber mag man schon häufiger gelesen haben. Olivier Guez aber macht daraus in "Koskas und die Wirren der Liebe" einen rasant erzählten hochkomischen jüdisch-französisch-deutschen Schelmenroman.
Jacques Koskas ist ein Träumer und Besessener. Er treibt durchs Leben, weiß weder so recht, was, noch wo er sein will. Statt für die Zeitung, bei der er in Paris untergekommen ist, hart zu recherchieren, lässt er es sich auf seinen Dienstreisen gutgehen. Dem Chef flunkert er etwas von geheimen Informanten im Irak zu - so lange, bis alles auffliegt. Daraufhin setzt Jacques sich in die USA ab, bevor er irgendwann in Berlin landet. Dort widmet er sich intensiv seiner eigentlichen Leidenschaft: den Frauen. Besser gesagt: einer Frau, Barbara, die ihn nach anfänglichen sexuellen Exzessen nach Strich und Faden betrügt und ihn emotional von sich abhängig macht.
Jacques stammt aus einer jüdischen Familie in Straßburg. Die Stadt wird im Roman immer nur "S." genannt, aber das ist eine der augenzwinkernden Finten, von denen der Roman durchzogen ist. Zumal wenn man weiß, dass Olivier Guez selbst in Straßburg geboren ist und einige Zeit in Berlin verbracht hat. Und dass er für die französische Zeitung "La Tribune" gearbeitet hat, die er im Roman - nur minimal verfremdet - "La Turbine" nennt.

Lust am Leid

Guez spielt in diesem Buch mit autobiografischen Elementen, aber vor allem mit dem Verhältnis französischer Juden mit familiärem Holocaust-Hintergrund zu Deutschland. Ein Besuch von Jacques Eltern am Weihnachtsabend bei Barbaras Familie in der Hamburger Großbürgervilla zählt zu den humoristischen Höhepunkten dieses jüdisch-französisch-deutschen Schelmenromans.
In locker-leichtem Erzählton - von Nicolas Denis sehr griffig ins Deutsche gebracht - lässt Guez seinen melancholischen Helden durch die Konflikte mit seinem um ihn besorgten Vater ebenso taumeln wie durch die unglückliche Liebe in und mit Berlin. Die Qualen eines verlassenen Liebhabers sind in der Literatur natürlich schon häufig beschrieben worden - Guez schildert die körperliche und seelische Pein des armen Jacques jedoch mit ganz besonderer Lust am Leid seines traurigen Helden.

Konstruiertes Ende

Olivier Guez hat "Die Heimkehr der Unerwünschten" über Juden nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland oder "Das Verschwinden des Josef Mengele" in kühler, nüchterner Sprache geschrieben. Das Mengele-Buch wurde zwar als Roman zum Bestseller, ist aber eher ein journalistisch-dokumentarisches Werk. "Koskas und die Wirren der Liebe" hingegen ist ein echter Roman - rasant erzählt, hochkomisch, oft verrückt, hinreißend und mitreißend. Nur das Ende in Israel, wo Jacques seinen Liebeskummer durch die Hinwendung zur Religion bekämpft, wirkt ziemlich konstruiert und unglaubwürdig.
Hier kommen sehr unvermittelt auch noch der israelisch-palästinensische Konflikt und die Attentate auf israelische Diskotheken zur Sprache. Musste das auch noch sein? fragt man sich beim Lesen dieses ansonsten so herrlichen, bitter-süßen Buchs über einen der sympathischsten Loser der Gegenwartsliteratur.

Olivier Guez: "Koskas und die Wirren der Liebe"
Aus dem Französischen von Nicola Denis
Aufbau Verlag, Berlin 2020
336 Seiten, 22 Euro

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