Ohoven: Schwarz-gelber Koalition fehlt klarer Kurs

Mario Ohoven im Gespräch mit Ute Welty |
Die schwarz-gelbe Koalition sei mit einem "riesengroßen Vertrauensvorschuss" der Wirtschaft gestartet, doch inzwischen sei eine große Ernüchterung eingetreten, sagt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft.
Ute Welty: Allmählich kann einem die schwarz-gelbe Bundesregierung fast leid tun. Dass die Opposition kritisiert, geschenkt. Dass die Gewerkschaften angreifen, verständlich. Dass jetzt aber die ureigensten Wählerschichten beginnen, sich zu beklagen, das müsste bei CDU, CSU und FDP die Alarmglocken schrillen lassen. Es sind die deutschen Wirtschaftsverbände, die sich zum Teil recht lautstark Luft verschaffen, wie der Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft. Guten Morgen, Mario Ohoven!

Mario Ohoven: Guten Morgen, Frau Welty.

Welty: Herr Ohoven, Sie verlangen, dass die Bundesregierung jetzt durchstartet. Hat das nicht noch zwei Monate Zeit? Dann ist die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vorbei und dann geht es bestimmt los mit dem Regieren.

Ohoven: Aber in der jetzigen Wirtschaftskrise können wir uns nicht erlauben, acht Wochen zu warten. Bei den Unternehmern wächst der Unmut über das, na ja, ich will es mal vorsichtig formulieren, suboptimale Erscheinungsbild von Schwarz-Gelb.

Welty: Wenn Sie nicht vorsichtig formulieren, wie klingt das dann?

Ohoven: Das ist eine Mischung aus Enttäuschung und Verärgerung – Enttäuschung deswegen, weil diese Koalition – das haben Umfragen gezeigt – mit einem wirklich riesengroßen Vertrauensvorschuss der Wirtschaft gestartet ist. Ich habe damals Frau Merkel und Herrn Westerwelle ja auch öffentlich als Traumpaar des deutschen Mittelstands bezeichnet. Leider kam dann ziemlich schnell die große Ernüchterung, nämlich im Januar, als diese unsägliche steuerpolitische Geisterdebatte begann. Dazu sage ich nachher noch was. Und die Verärgerung ist in der Unternehmerschaft, weil kein Ende dieses selbstzerstörerischen Gegeneinanders in Sicht ist, oder anders gesagt, weil in Berlin nicht nur regiert wird, sondern auch intrigiert wird.

Und das möchte ich eigentlich an drei Beispielen verdeutlichen. Gestern hat das Bundeskabinett die geplanten Kürzungen bei Solarförderung beschlossen. Ob das inhaltlich die richtige Entscheidung ist, sei mal dahingestellt. Was auf jeden Fall psychologisch das absolute falsche Signal an die Wirtschaft vermittelt hat, das war der ja fast schon obligatorische Protestschrei aus Bayern. Unsere Unternehmer brauchen Planungssicherheit, Verlässlichkeit, nicht die Profilierung auf Kosten des Koalitionspartners um jeden Preis. Von einem einheitlichen Auftreten nach außen ist Schwarz-Gelb jedenfalls zurzeit noch meilenweit entfernt.

Oder nehmen Sie die Gesundheitspolitik. Bevor Herr Rösler überhaupt eine Chance bekommt, seine neue Gesundheitskommission arbeiten zu lassen, kommt sozusagen prophylaktisch schon mal das Nein aus der Union.

Und jetzt zur Steuerpolitik: Im Koalitionsvertrag ist klar vereinbart, Betriebe und Bürger werden weiter steuerlich entlastet und es gibt eine Steuerstrukturreform. Was wir bisher stattdessen bekommen haben, das ist ein einfach nur irritierender, fruchtloser Streit über die Finanzierbarkeit. Und der BVMW hat immer gesagt, die Steuerentlastung ist finanzierbar, sei es über ein Einsparpotenzial in den Haushalten von Bund und Ländern von über 20 Milliarden, oder sei es durch den Abbau von Steuervergünstigungen, wo locker 10 Milliarden Euro drin sind. Hier vermisse ich einen klaren Kurs der Koalition.

Welty: Wenn wir versuchen, diesen Kurs der Koalition mal ein bisschen zu sortieren, richtet sich Ihr Unmut dann eher gegen die Union, oder gegen die FDP?

Ohoven: Nein, eher gegen die Union. Wir bekommen Wachstum in Deutschland nur, wenn die Unternehmer entlastet werden. Es ist doch eigentlich ein Armutszeugnis, wenn die Koalition nicht einmal mehr eine Diskussion über die Grenzen unseres Sozialstaates aushält. Ich meine konkret Hartz IV. Guido Westerwelle hätte für seinen Mut, als er es wagte, auf das Missverhältnis zwischen regulärem Einkommen und Transferleistungen hinzuweisen, die Unterstützung auch von der Union verdient. Ich kann mich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, es gehe gar nicht mehr um gemeinsames Regierungshandeln, sondern um die Suche nach einer Sollbruchstelle dieser Koalition.

Welty: Was die Union angeht, da macht sich ja schon länger bei den Mittelständlern Unmut breit, zum Teil schon seit 2007. Hätten Sie da nicht eher Einfluss nehmen können?

Ohoven: Wir haben von Anfang an ganz klar gesagt, was geändert werden sollte, was geändert werden könnte. Wir haben auf viele Sachen hingewiesen. Wir haben frühzeitig auf die Kreditklemme hingewiesen. Wenn das zarte Pflänzchen Wirtschaftsaufschwung nun Gott sei Dank wächst, werden die Unternehmer auch in Zukunft beim Wachsen der Wirtschaft – mehr Aufträge bedeutet dann natürlich auch mehr Kredite. Und wir haben auf andere Sachen hingewiesen, sind aber da leider Gottes nicht gehört worden.
Wenn Schwarz-Gelb jetzt nicht bald durchstartet, und zwar geschlossen und in eine Richtung, dann können wir uns von dem durchaus realistischen Wachstumsziel von 1,8 oder 2 Prozent verabschieden. Und was das für uns alle bedeutet, brauche ich wohl nicht näher auszuführen.

Welty: Hans-Peter Keitel als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat vorgestern den Anfang gemacht mit seiner Kritik und damit eine Art Dammbruch ausgelöst. Warum hat sich vorher keiner getraut?

Ohoven: Doch. Ich muss sagen, Herr Keitel hat das gemacht, aber es haben auch andere Verbände ganz deutlich auf Missstände hingewiesen. Wir haben auch deutlich schon vor ungefähr fünf Wochen gesagt, wo hier Potenziale liegen, die man endlich ergreifen sollte.

Welty: Und wie glauben Sie wird die Kanzlerin jetzt reagieren? Glauben Sie, dass Frau Merkel bei BDI, BDA und bei Ihnen anruft und sich entschuldigt und sagt, Jungs, es geht jetzt sofort los mit dem Regieren?

Ohoven: Das glaube ich definitiv nicht.

Welty: Schade eigentlich, oder?

Ohoven: Ja. Frau Merkel wird sagen, dass sie hervorragend regiert.

Welty: Mario Ohoven in Deutschlandradio Kultur, der Präsident des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft. Danke fürs Gespräch und noch viel Geduld beim Warten wünsche ich.

Ohoven: Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Welty.
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