Ohne Witz und Würde

Von Jörn Florian Fuchs |
Der Schauspieler und Regisseur Dieter Dorn hat das Münchner Theaterleben 35 Jahre lang geprägt. Nun wurde der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels verabschiedet - und zwar auf dümmlichste Weise, wie unser Rezensent meint.
So etwas hat wirklich niemand verdient und schon gar nicht Dieter Dorn, der jahrzehntelang der Münchner Theaterintendant war, zuletzt eine Dekade Leiter des Bayerischen Staatsschauspiels. Bei einer Abschiedsgala im Residenztheater "beschenkten" ihn Teile seines Ensembles mit einer weitgehend ungenießbaren Melange. Man rezitierte ein paar Gedichte, spielte einige Sketche (darunter eine unfassbar dämliche Hamlet-Parodie) und erging sich ansonsten in banalster Geschwätzigkeit. Rainer Bock führte als Conférencier durchs über zweieinhalbstündige Programm, das für die zahlenden Gäste bereits um 16 Uhr begann und im Anschluss noch mal als hausinterne Wiederholung lief.

Zuerst gab es Zores für den kommenden Chef Martin Kušej – dieser reagiere ja allergisch auf über 50-Jährige, also sei diesen der Theaterbesuch künftig verboten. Es folgte unter anderem die Rezitation mäßig amüsanter Thomas-Bernhard-Briefe an seinen Verleger Siegfried Unseld, mit der (einzigen) Pointe, dass Bernhard Dorn zumindest für halbwegs begabt hielt. Die meisten Akteure hatten indes wenig Lust aufs Lesen oder gar Spielen, stattdessen wurde ausgiebig und völlig zusammenhanglos gesungen. Man hört "Time after Time", "Don’t Pay the Ferryman" oder "It’s Not Easy Being Green". So what?!?

Vielleicht drei oder vier Auftritte strahlten zumindest eine gewisse Würde aus. Lucy Wirth – das Käthchen von Heilbronn in Dorns letzter großer Arbeit – sah man auf einem Video in der Münchner U-Bahn schlafen, sie murmelte dabei ihre berühmte Liebeserklärung, doch anstelle des Grafen führte sie ein Fahrkarten-Kontrolleur heim. Rudolf Wessely intonierte ein wunderbares Wienerlied (‚Am Ende richtet alles der liebe Herrgott’). Auch der Kabarettist Erwin Pelzig schickte eine nette (Video-) Botschaft mit dem Hinweis, dass er das Resi zwar liebe, doch der Weg dorthin leider immer über die Maximilianstraße führe, wo man am "Gucci-Gesindel" vorbei müsse: "So ein gutes Theater in einer so schlechten Gegend!"

Leider waren fast alle großen Dorn-Stars abwesend. Keine Sunnyi Melles trat auf, keine Cornelia Froboess, kein Lambert Hamel, kein Rolf Boysen, kein Thomas Holtzmann. Rainer Bock meinte dazu, Hamel habe eine Lesung in Passau, die er nicht absagen könne. Und Boysen und Holtzmann seien auch dort, um eventuell einspringen zu können. Was bitte soll solch ein Blödsinn?

Am Ende wurde Dieter Dorn auf die Bühne gebeten, er verschwand in Unmengen von Nebel – und das war’s. Es ist wirklich ein Jammer!
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