Ohne Päpste leben

Von Knut Berner |
Mit dem Besuch des Papstes wird eine Verbesserung des ökumenischen Klimas erwartet. Aber bei dem Gespräch zwischen Vertretern der Evangelischen Kirche und Benedict XVI. wird sicherlich nicht zur Sprache kommen, dass die Existenz des Papsttums das größte ökumenische Hindernis ist.
„Wir sind Papst“, titelte die BILD-Zeitung nach der Wahl des deutschen Theologen Josef Ratzinger zum Oberhaupt der katholischen Kirche. Im Prinzip ist gegen diesen Slogan nichts einzuwenden, sofern man darunter versteht, dass alle getauften Christen unmittelbar zu Gott sind. Sie benötigen keine Zwischeninstanzen, die angeblich mit besonderen Weihen ausgestattet sind und den Anspruch erheben, näher am Heiligen zu sein als andere Menschen.

Nun kommt der Papst nach Deutschland und es gibt nicht wenige, die mit diesem Besuch hohe Erwartungen an die Verbesserung des ökumenischen Klimas verbinden. Aber bei dem halbstündigen Gespräch zwischen Vertretern der Evangelischen Kirche und Benedikt XVI. in Erfurt wird sicherlich nicht zur Sprache kommen, dass die Existenz des Papsttums mit dem daran hängenden Unfehlbarkeitsanspruch an sich das größte ökumenische Hindernis ist – eine Einsicht, die spätestens seit Papst Paul VI. auf katholischer Seite klar gesehen wird.

Aus protestantischer Sicht ist es seit den Kämpfen Martin Luthers und seinem Insistieren darauf, dass Jesus Christus allein Herr über die Gläubigen ist, bis heute nicht akzeptabel, das Papstamt zu tolerieren. Zwar gibt es Nuancen in der persönlichen Amtsführung der einzelnen Päpste bezüglich ihrer medialen Selbstinszenierungen, ihrer Stellungnahmen zu Fragen der Bioethik oder ihrer Haltung zu anderen Konfessionen. Doch ändert dies nichts daran, dass das Pontifikalamt an sich für Protestanten eine überflüssige Instanz darstellt.

Auch wer sich nicht für theologische Feinheiten interessiert, wird leicht jene Alternative erkennen können, die eine unversöhnbare Verschiedenheit zwischen den christlichen Konfessionen markiert: Entweder ist Gott alleine für das Heil des Menschen zuständig und hat es definitiv schon bewirkt. Dann besteht die einzige Funktion der Kirche darin, das befreiende Wort Gottes an alles Volk auszurichten, wie es protestantischer Grundauffassung entspricht.

Oder es bedarf eines Stellvertreters Christi. Eines zusätzlichen Brückenbauers zwischen Gott und Mensch, der als Pontifex maximus verbindlich Gott interpretiert und einer Kirche vorsteht, die als Heilsanstalt darüber entscheidet, an wen Gnadengaben verteilt oder eben verweigert werden. Das ist der Grundkonflikt.

Er zeigt sich auch daran, dass der römische Katholizismus immer noch den Ablass zelebriert, also den Erlass zeitlicher Sündenstrafen. So wurde den Teilnehmern am Weltjugendtag in Spanien eine solche Absolution zugesprochen. All inclusive. Die eher heidnisch anmutenden Rituale von Selig- und Heiligsprechung signalisieren auf ihre Weise, dass der anderen Konfession nach wie vor die Existenz und Vermehrung von Heilsvermittlern am Herzen liegt, die der Protestantismus ablehnt.

Hier an fundamentale Unterschiede zu erinnern, ist nicht unwichtig in Zeiten, in denen die Sehnsucht nach Führungspersönlichkeiten eher zunimmt. Durchaus auch in der Evangelischen Kirche, die demokratiefreundlich und dem synodalen Prinzip verpflichtet ist, aber dennoch dazu neigt, einzelne Personen zu Aushängeschildern zu stilisieren, sie mit Sympathiebonus auszustatten und ihnen die Kompetenz zuzuerkennen, dem Glauben und der Kirche ein ansprechendes Gesicht zu geben.

Aber: Die Einstellung eines Menschen zur Gottesfrage lässt sich nicht delegieren und die Zukunft der Kirche nicht von vermeintlichen Führungsgestalten sichern. Hier muss und darf jeder und jede selber urteilen und kann es auch, denn es ist Kern des christlichen Glaubens, dass Gott sich selber zu Gehör und zur Geltung bringt.

Also: Man mag den Papst als Staatsoberhaupt empfangen. Man muss ihn nicht zur Eskalation der ohnehin empfindlichen Ökumene als „Antichrist“ bezeichnen, wie Luther das getan hat. Historisch gesehen gehört die Pontifikalkonstruktion wie andere Brücken auch sozusagen zum Weltkulturerbe. Theologisch aber wird es Zeit, nicht immer wieder freundlich um den Grundkonflikt herum zu reden, sondern dafür einzutreten, das Papsttum abzuschaffen.

Knut Berner, geboren 1964 in Wuppertal, studierte evangelische Theologie in Bonn und Heidelberg. Anschließend wurde er in Wuppertal zum Pfarrer ausgebildet, promovierte und habilitierte sich an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 1996 ist er Studienleiter im Evangelischen Studienwerk e.V. Villigst. Außerdem lehrt er als Professor Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum.
Knut Berner
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