Ohne Filmförderung kein Wettbewerb

Moderation: Frank Meyer · 06.06.2013
Das Freihandelsabkommen ohne kulturelle Ausnahme bedeute in letzter Konsequenz ein Ende der Filmförderung, sagt Jens Steinbrenner vom Verband der Deutschen Film- und Fernsehproduzenten. Dann würde es wirtschaftlich in Deutschland keinen Sinn mehr machen, Filme für ein großes Publikum zu produzieren.
Frank Meyer: Es wird ein neues Wirtschaftswachstum geben und einen ungeahnten Jobboom! So hat der Handelskommissar der Europäischen Union Karel de Gucht geschwärmt vom europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen. In der nächsten Woche wird über das europäische Verhandlungsmandat für dieses Abkommen entschieden. Moment mal, sagen aber europäische Filmemacher und andere Akteure aus der Kultur. Für die Kultur und die Medien muss es eine Ausnahme geben von den Regelungen des Freihandelsabkommens, sonst sind wichtige Teile der europäischen Kultur gefährdet! Über diese Forderung nach einer Ausnahme für die Kultur reden wir jetzt mit Jens Steinbrenner vom Verband der Deutschen Film- und Fernsehproduzenten, seien Sie willkommen, Herr Steinbrenner!

Jens Steinbrenner: Schönen guten Tag!

Meyer: Was wären denn in Ihrem Bereich die Folgen, also für die deutsche Filmwirtschaft, wenn es keine Ausnahme gibt für die Filmunternehmen im Freihandelsabkommen?

Steinbrenner: Diese Freiabkommen sehen vor, dass es einen gemeinsamen Markt gibt, auf dem alle Akteure gleichberechtigt sind. Und dass, wenn es Subventionen gibt, dass es allen Marktteilnehmern gestattet ist, an diesen Subventionen teilzuhaben. Es ist ja auch die Rede davon, dass in den Freihandelsabkommen die Subventionen verboten werden oder so was, das ist gar nicht der Fall. Aber alle Marktteilnehmer müssen den gleichen Zugang dazu haben.

Und das würde zum Beispiel für die Filmförderung bedeuten, dass ein amerikanischer Blockbusterfilmemacher in Deutschland bei der Filmförderungsanstalt Referenzpunkte sammeln könnte, Referenzpunkte kriegt man für eine bestimmte Zuschaueranzahl, und sich mit diesen Referenzpunkten Geld auszahlen lassen könnte, das er dann für seinen nächsten Film in den USA benutzt, was dann das Prinzip der deutschen Filmförderung konterkarieren würde. Das ist nur ein Beispiel.

Meyer: Die Debatte läuft ja schon einige Tage, die Tageszeitung "Die Welt" schreibt heute dazu, die deutsche Kinofilmproduktion würde um die Hälfte zurückgehen, und die von Fernsehfilmen ein Drittel. Halten Sie das für eine realistische Annahme, wenn jetzt der schlimmste Fall eintritt?

Steinbrenner: Ich würde jetzt wirklich keine Zahlen nennen, ich habe keine Ahnung, wie die Kollegen dazu kommen, ausgerechnet diese Zahlen zu nennen. Wenn es überhaupt keine kulturelle Ausnahme gäbe, dann wäre das gesamte europäische Filmfinanzierungssystem, würde umfallen, weil wie gesagt, jetzt mein kleines Beispiel von eben, der Sinn der Förderung ist einerseits, den kulturellen Aspekt von Film und Fernsehen, und da zum größten Teil eben beim Film zu fördern, aber es ist natürlich auch eine … Es gibt ja auch viele wirtschaftliche Aspekte dabei, Standortaspekte, die Länderförderungen in Deutschland wollen ihre Standorte voranbringen und das wollen wir ja auch mit dem Deutschen Filmförderfonds. Und diese Dinge könnten dann nicht so weiter existieren wie vorher, weil halt viele dieser Gelder in die ohnehin schon sehr erfolgreiche und auch weltweit dominierende amerikanische Filmindustrie fließen könnten.

Meyer: Nun soll ja da ein gemeinsamer Markt entstehen, auch so was wie ein gemeinsamer Kulturmarkt, und Sie sagen jetzt im Prinzip, wir wollen als deutsche Produzenten, wir wollen weiter subventioniert werden, die amerikanischen Produzenten sollen aber keinen Zugang zu unseren Produktionstöpfen haben. Heißt das nicht eigentlich, Sie wollen sich nur unliebsame Konkurrenz vom Hals halten?

Steinbrenner: Ach ja, weiß ich nicht. Also, der Marktanteil von US-Firmen in Deutschland sind zurzeit so um 70 Prozent, in manchen EU-Staaten sogar 90 Prozent. Also, die Wünsche, sich die Konkurrenz … Falls es dieses Bestreben gäbe, wäre es gescheitert. Man sieht, dass die amerikanischen Inhalte aus gutem Grund trotzdem den deutschen Markt dominieren. Und das sind ja auch schöne Filme, die da zu uns kommen, und es ist auch nicht so, dass die Produzenten sagen, wir wollen Wettbewerb vermeiden, wir scheuen das. Es gäbe keinen Wettbewerb, wenn es keine Filmförderung gäbe, weil es in Europa und in Deutschland ganz einfach wirtschaftlichen keinen Sinn mehr machen würde, Filme zu machen, die auf ein großes Publikum zielen.

Meyer: Gibt es denn, Sie sagen jetzt also, das eine Problem ist dieser Zugang zu Subventionen, gibt es denn Signale aus den USA, dass jemand tatsächlich das europäische Fördersystem angreifen will, dass jemand sagt, wir sind gegen Subventionen, weil das eine Marktverzerrung ist oder etwas Ähnliches?

Steinbrenner: Nein, das wäre ja auch Unsinn. Würde es diese kulturelle Ausnahme gar nicht geben, hätten die Amerikaner entweder Zugang zu den Subventionen, was ja nichts Schlechtes wäre aus deren Perspektive, oder sie würden wegfallen, was dann für sie gar keine Konsequenz hätte. Die Konsequenz wäre allerdings, dass die Amerikaner die europäischen Wettbewerber nicht mehr hätten, und das würde tatsächlich eine Vielfalt bedrohen.

Und nach allem, was ich in diesem Zusammenhang gelesen und wahrgenommen habe, ist die amerikanische Filmindustrie da sehr moderat. Zum Beispiel, es gab im Umfeld der Filmfestspiele von Cannes eine Petition, angeführt von wichtigen europäischen Filmemachern, und dann unterschrieben von, ich weiß nicht, wahrscheinlich Tausenden europäischer Filmschaffender, die dann unter anderem auch Harvey Weinstein mit unterstützt hat. Da ist schon ein Realismus da. Außerdem ist es auch nicht so, dass die … Also, ich gehe nicht davon aus, dass die kulturelle Ausnahme komplett gekippt wird.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit Jens Steinbrenner von der Deutschen Filmproduzentenallianz über die kulturelle Ausnahme bei den Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen. Sie haben ja gerade die Petition der europäischen Filmemacher erwähnt, die ja mit sehr starken Worten auftritt, dass da die europäische Kultur in Gefahr sei. Nun ist es aber so, das Parlament der Europäischen Union hat schon beraten über die kulturelle Ausnahme und unser Parlament hat gesagt, ja, diese kulturelle Ausnahme soll weiter bestehen. Dann haben sich 15 europäische Kulturminister geäußert, auch der deutsche, Bernd Neumann, die auch das Gleiche fordern, also das Fortbestehen der kulturellen Ausnahme. Also, muss man sich jetzt überhaupt noch Sorgen machen um die kulturelle Ausnahme?

Steinbrenner: Na ja, das Spannende dabei ist, der Beschluss des Europäischen Parlaments und die Appelle all der Politiker und anderen Leute, die halt mit dieser Materie befasst sind oder die da in diesem Wirtschaftszweig arbeiten, ist das eine. Aber zum Beispiel ist der Beschluss des Europäischen Parlaments für die Europäische Kommission nicht bindend. Das heißt, die werden ihr Mandat übernächsten Freitag, also morgen in einer Woche, in irgendeiner Weise formulieren. Und falls dieses Mandat keine kulturelle Ausnahme enthält, was wir heute gar nicht wissen, oder beziehungsweise wenn sich in den Verhandlungen herausstellt, dass eine kulturelle Ausnahme schwierig umzusetzen ist, dann ist es theoretisch denkbar, dass die am Ende dieses ja wahrscheinlich jahrelangen Verhandlungsprozesses mit einer Vereinbarung kommen, mit einem Abkommen kommen, das dann halt eine, sagen wir, eine Art von kultureller Ausnahme enthält, die vielleicht viel kleiner ist als das, was wir heute kennen.

Und das Europäische Parlament muss dieser Vereinbarung dann zustimmen. Aber angesichts einer Summe von, ich habe gelesen, 65 Milliarden jährlich Wirtschaftswachstum besteht dann natürlich die Gefahr, dass man nicht wegen, sagen wir, spezieller Interessen oder spezieller Ziele dieses ganze große, wahrscheinlich dann sehr komplizierte Abkommen zu Fall bringen will. Und das ist halt unsere Sorge.

Meyer: Haben Sie bestimmte deutsche Politiker im Verdacht, die kulturelle Ausnahme abschaffen zu wollen oder einschränken zu wollen? Der natürliche Verdachtsfall wäre ja der FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler.

Steinbrenner: Der hat das ja auch schon gesagt, dass er das nicht will. Er ist kürzlich in irgendeiner ein bisschen unfair zitiert worden, er hat gesagt, diese Vereinbarung muss für alle Wirtschaftsbereiche gelten. In der Originalmeldung ging es dann weiter, eigentlich hat er damit die Nahrungsmittelindustrie gemeint, die da keine Ausnahme kriegen soll. Und jetzt wurde es halt auf die kulturelle Ausnahme gemünzt. Aber nein, ich meine, die FDP ist durch ihre … Das ist ja ihre Zielbotschaft sozusagen, Liberalität, die sind ja manche auch gegen Filmförderung in Deutschland. Kürzlich haben die Jungen Liberalen da auch – nein, nicht kürzlich, zur Berlinale, glaube ich –, da auch irgendwie ein Manifest oder eine Stellungnahme abgegeben. Aber ansonsten, ich glaube, dass sogar die Bundeskanzlerin gesagt, hat, dass das unbedingt bleiben muss, also die kulturelle Ausnahme.

Meyer: Die kulturelle Ausnahme soll bleiben, das fordern europäische Filmemacher und auch der Verband der Deutschen Film- und Fernsehproduzenten. Wir haben mit Jens Steinbrenner von diesem Verband gesprochen, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Steinbrenner: Gerne!

Meyer: Wir werden diese Debatte in den nächsten Tagen weiter begleiten, Sie werden mehr dazu hören hier bei uns im Deutschlandradio Kultur!


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