Ohne Augenlicht auf die Bühne
Noten lesen? Geht nicht. Dafür klappt alles andere fast reibungslos: Die Frankfurter Band Blind Foundation besteht aus sehenden und nicht sehenden Musikern - und bringt mit einer Mischung aus aktuellen Popsongs und eigenen Balladen Partys in Schwung.
Soundcheck im Bornheimer Kulturbunker, einem früheren Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Neonleuchten erhellen den fensterlosen, vergilbten Proberaum. Manfred Scharpenberg, gelernter Fachinformatiker, braucht das grelle Licht nicht. Den Weg zu seinem Instrument ganz hinten in dem vollgestellten Raum findet der blinde Schlagzeuger mit traumwandlerischer Sicherheit. Vorsichtig umschifft er erahnte Hindernisse. Seine vier Bandkollegen arbeiten schon am Soundcheck fürs Ensemble von Gitarre, Bass, Keyboard und Akkordeon.
"Beim Gitarristen fängt's halt an, da ist irgendein Mikrofon, da ist irgendein Notenständer meistens, dann geht es hier hinten weiter, dass da mein eigenes Zeug in der Gegend rumsteht und vielleicht eine Person, zum Beispiel der Markus, da ist es halt relativ eng, sag ich mal, und halt auf dem Boden weiß man, dass da Kabel liegen müssen."
Die liegen da auch - in einem solchen Gewirr, dass selbst die beiden sehenden Bandmitglieder sich konzentrieren müssen, um nicht zu stolpern. Scharpenberg lässt sich am Schlagzeug nieder, nimmt einen Schluck Cola aus der Plastikflasche. Der Mittvierziger hat die Haare hinten zusammengebunden, sitzt aufrecht, hört Marcus Hofmann zu, dem sehenden Bassisten. Als Bandleiter erklärt der studierte Musikpädagoge, was beim nächsten Auftritt ansteht.
"Gut - also, wir sollen von Easy Listening zum Essen bis später Party-Musik spielen. Das heißt …"
"So wie immer."
Scharpenberg lacht, wendet Hofmann das Gesicht zu, als könne er ihn anschauen. Kann er aber nicht: Mit vier Jahren verlor er sein Augenlicht durch einen Unfall beim Spielen. Der Schlagzeuger weiß aber, dass es Sehende irritiert, wenn Blinde sich im Gespräch wegdrehen. Ein neues Stück für den Party-Auftritt zu proben, steht jetzt an. "Moves like Jagger". Scharpenberg kramt neben sich nach seinem Laptop, da ist das Hörbeispiel drauf.
Die fünf Musiker hören zu, wippen im Takt, bewegen die Lippen. Marcus Hofmann tut so, als zupfe er den Bass.
Hofmann: "Also, was halt nicht funktioniert, ist, dass wir Noten austeilen, wie das bei vielen anderen Bands ist, mit denen man spielt, dass da irgend jemand ein Stück bringt, drückt einem Noten in die Hand und sagt, lass uns das probieren. Wir machen viel über Hörbeispiele. Da geht's dann dafür wieder rasant schnell, weil die Kollegen halt unglaublich schnell sind in der Auffassungsgabe und Stücke nachspielen können. Das wiegt sich dann wieder auf."
Wenig später schauen der blinde Keyboarder und der blinde Akkordeonspieler scheinbar ins Weite, lassen die Finger über die Tasten gleiten. Manfred Scharpenberg, der Mann am Schlagzeug, legt ein wenig den Kopf zurück, singt.
Den Text hat er sich aus dem Internet rausgesucht.
"Und dann schreib ich mir das halt auf. Und das ist jetzt der Text davon."
Zwei weiße Seiten - beschrieben in Punktschrift.
"… also, ich präg mir das besser ein, habe ich gemerkt, wenn ich das einmal aufschreibe und das dann auch wirklich unter den Fingern habe. Gerade, wenn ich mal schnell eine Stelle gucken will, ist das dann relativ schnell gemacht."
Dass die Blind Foundation mit der Mischung aus aktuellen Popsongs und eigenen gefühlvollen Balladen Partys in Schwung bringt, hat sich im Frankfurter Raum mittlerweile rumgesprochen. Doch anders als andere Profi-Bands steht dieses Ensemble wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen. Noch unterstützt die "Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte" die Musiker. Agenturen hat Blind Foundation bislang vergeblich angeschrieben. Manfred Scharpenberg schmunzelt.
"Da gibt's dann halt schon so Fragen von Veranstaltern, muss man da irgendwie die Bühne umzäunen oder braucht man da noch zusätzliche Kräfte, die da irgendwie die Blinden auf die Bühne heben. Also ganz so schlimm nicht, aber es gibt auf jeden Fall Bedenken."
Hofmann: "Glaube ich noch nicht mal, dass es die finanziellen Fragen sind, sondern dass es so ein bisschen die Scheu ist, wie wirkt es."
Scharpenberg: "Und es hat halt immer so'n bisschen was von Behindertenband. So ein bisschen beschäftigungstherapiemäßig. ‚Ach, die armen Blinden haben jetzt auch sowas, was sie machen dürfen.‘ Was auch immer - behindertenwerkstattmäßig. Aber das ist es ja nicht."
Hofmann: "Wir haben die ganz normalen Anforderungen: Wir brauchen einen Stromanschluss. Die Kollegen führen wir zur Bühne."
Neben dem sehenden Bandleader und Bassisten Hofmann sitzt der sehende Gitarrist Florian Hollingshaus.
Hofmann: "…bringen das Material, das Equipment auf die Bühne, und die bauen auf, und wir bauen drum herum die Anlage auf, also wir haben noch einen Techniker immer dabei, der auch als Begleitung und Assistenz fungiert, und dann kriegt man das eigentlich nicht mit. Also, wir sind auch von der Geschwindigkeit mit einer normalen Band vergleichbar."
Bei der Probe trägt nur Hofmann eine Brille, beim Auftritt alle Musiker - coole Sonnenbrillen allerdings. Blind oder sehend, das kann der Zuschauer dann nicht unterscheiden. Oder doch: Bei einer kurzfristigen Programmänderung kramen die Sehenden nach den Notenblättern, die Blinden haben es auch ohne drauf.
"Beim Gitarristen fängt's halt an, da ist irgendein Mikrofon, da ist irgendein Notenständer meistens, dann geht es hier hinten weiter, dass da mein eigenes Zeug in der Gegend rumsteht und vielleicht eine Person, zum Beispiel der Markus, da ist es halt relativ eng, sag ich mal, und halt auf dem Boden weiß man, dass da Kabel liegen müssen."
Die liegen da auch - in einem solchen Gewirr, dass selbst die beiden sehenden Bandmitglieder sich konzentrieren müssen, um nicht zu stolpern. Scharpenberg lässt sich am Schlagzeug nieder, nimmt einen Schluck Cola aus der Plastikflasche. Der Mittvierziger hat die Haare hinten zusammengebunden, sitzt aufrecht, hört Marcus Hofmann zu, dem sehenden Bassisten. Als Bandleiter erklärt der studierte Musikpädagoge, was beim nächsten Auftritt ansteht.
"Gut - also, wir sollen von Easy Listening zum Essen bis später Party-Musik spielen. Das heißt …"
"So wie immer."
Scharpenberg lacht, wendet Hofmann das Gesicht zu, als könne er ihn anschauen. Kann er aber nicht: Mit vier Jahren verlor er sein Augenlicht durch einen Unfall beim Spielen. Der Schlagzeuger weiß aber, dass es Sehende irritiert, wenn Blinde sich im Gespräch wegdrehen. Ein neues Stück für den Party-Auftritt zu proben, steht jetzt an. "Moves like Jagger". Scharpenberg kramt neben sich nach seinem Laptop, da ist das Hörbeispiel drauf.
Die fünf Musiker hören zu, wippen im Takt, bewegen die Lippen. Marcus Hofmann tut so, als zupfe er den Bass.
Hofmann: "Also, was halt nicht funktioniert, ist, dass wir Noten austeilen, wie das bei vielen anderen Bands ist, mit denen man spielt, dass da irgend jemand ein Stück bringt, drückt einem Noten in die Hand und sagt, lass uns das probieren. Wir machen viel über Hörbeispiele. Da geht's dann dafür wieder rasant schnell, weil die Kollegen halt unglaublich schnell sind in der Auffassungsgabe und Stücke nachspielen können. Das wiegt sich dann wieder auf."
Wenig später schauen der blinde Keyboarder und der blinde Akkordeonspieler scheinbar ins Weite, lassen die Finger über die Tasten gleiten. Manfred Scharpenberg, der Mann am Schlagzeug, legt ein wenig den Kopf zurück, singt.
Den Text hat er sich aus dem Internet rausgesucht.
"Und dann schreib ich mir das halt auf. Und das ist jetzt der Text davon."
Zwei weiße Seiten - beschrieben in Punktschrift.
"… also, ich präg mir das besser ein, habe ich gemerkt, wenn ich das einmal aufschreibe und das dann auch wirklich unter den Fingern habe. Gerade, wenn ich mal schnell eine Stelle gucken will, ist das dann relativ schnell gemacht."
Dass die Blind Foundation mit der Mischung aus aktuellen Popsongs und eigenen gefühlvollen Balladen Partys in Schwung bringt, hat sich im Frankfurter Raum mittlerweile rumgesprochen. Doch anders als andere Profi-Bands steht dieses Ensemble wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen. Noch unterstützt die "Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte" die Musiker. Agenturen hat Blind Foundation bislang vergeblich angeschrieben. Manfred Scharpenberg schmunzelt.
"Da gibt's dann halt schon so Fragen von Veranstaltern, muss man da irgendwie die Bühne umzäunen oder braucht man da noch zusätzliche Kräfte, die da irgendwie die Blinden auf die Bühne heben. Also ganz so schlimm nicht, aber es gibt auf jeden Fall Bedenken."
Hofmann: "Glaube ich noch nicht mal, dass es die finanziellen Fragen sind, sondern dass es so ein bisschen die Scheu ist, wie wirkt es."
Scharpenberg: "Und es hat halt immer so'n bisschen was von Behindertenband. So ein bisschen beschäftigungstherapiemäßig. ‚Ach, die armen Blinden haben jetzt auch sowas, was sie machen dürfen.‘ Was auch immer - behindertenwerkstattmäßig. Aber das ist es ja nicht."
Hofmann: "Wir haben die ganz normalen Anforderungen: Wir brauchen einen Stromanschluss. Die Kollegen führen wir zur Bühne."
Neben dem sehenden Bandleader und Bassisten Hofmann sitzt der sehende Gitarrist Florian Hollingshaus.
Hofmann: "…bringen das Material, das Equipment auf die Bühne, und die bauen auf, und wir bauen drum herum die Anlage auf, also wir haben noch einen Techniker immer dabei, der auch als Begleitung und Assistenz fungiert, und dann kriegt man das eigentlich nicht mit. Also, wir sind auch von der Geschwindigkeit mit einer normalen Band vergleichbar."
Bei der Probe trägt nur Hofmann eine Brille, beim Auftritt alle Musiker - coole Sonnenbrillen allerdings. Blind oder sehend, das kann der Zuschauer dann nicht unterscheiden. Oder doch: Bei einer kurzfristigen Programmänderung kramen die Sehenden nach den Notenblättern, die Blinden haben es auch ohne drauf.