"Offering" von Charenee Wade

Soundtrack zum Protest der Afroamerikaner

"Offering" - das neue Album der Sängerin Charenee Wade
Die Sängerin Charenee Wade © Rebecca Meek
Von Olaf Maikopf |
Das Album "Offering" der amerikanischen Jazz-Musikerin Charenee Wade ist ein Tribut an ihre legendären Inspiratoren Gil Scott-Heron und Brian Jackson. Zugleich formuliert sie so etwas wie ein Statement der Afroamerikaner für Gleichberechtigung in den USA.
Der Zeit voraus war in den 70ern der Poet und Sänger Gil Scott-Heron. Seinen musikalischen Beitrag zur kulturellen wie sozialen Revolution der afroamerikanischen Community goutierte damals lediglich ein kleinerer Kreis. Später wurden die von ihm und seinem Partner dem Pianisten Brian Jackson aufgenommenen Alben wie "Winter In America" oder "Bridges" mit ihrer grandiosen Mixtur aus Jazz, Soul und afrikanischer Perkussion zu Kultobjekten moderner urbaner Musik. Da die aktuellen Ereignisse in den USA mit ihren Polizeiübergriffen eklatant an die frühen 70er-Jahre erinnern, transportieren nun manche Künstler ihre Kommentare auch mit Modellen jener Epoche. So die packend kraftvoll singende Charenee Wade. Die hat mit "Offering" ihre eigenständige Interpretation der Musik von Gil Scott-Heron und Brian Jackson aufgenommen.
"Ich beschreibe Gils und Brians Musik als Groove, als ein Hin und Her zwischen Jazz und R&B. Die sind ja sehr eng miteinander verbunden, durch unsere afroamerikanische Volksmusik, den Blues, der im Süden der USA geboren wurde. Er ist die Wurzel, ohne den Blues gäbe es keinen Jazz, keinen Pop. Für mein Album arrangierte ich die Songs von Gil und Brian in der Absicht, deren ursprüngliche Geschichten zu ehren, aber auch ihnen eine Injektion meiner eigenen Einflüsse, wie Betty Carter, Sarah Vaughan, Dianne Reeves, John Coltrane, Eric Dolphy, zu verpassen."
Botschaften mit aktueller Relevanz
Gil Scott-Heron war mit seiner minimalistischen, dabei immer jazz-nahen funky Musik und seinen gesellschaftsbezogenen Spoken Words nicht nur einer der Wegbereiter des Hip-Hop und Rap der 80er-Jahre. Auch Jazzmusiker wie vor zwei Jahren Gregory Porter und nun die junge Sängerin Charenee Wade bringen Scott-Heron und Jackson wieder auf die aktuelle Bildfläche. Deren Anspruch war es einst, dass jeder Song wichtig ist und auf einem Album kein Füllmaterial enthalten sein soll.
Viele ihrer Songs übermitteln Botschaften, die auch aktuell noch eine große Relevanz haben. Gil Scotts Texte und Gedichte sagen einige rohe Wahrheiten, die uns an den historischen Kontext vieler Ungerechtigkeiten erinnern, die auch heute noch passieren. Christian McBride, ja eigentlich bekannt als Bassist, zitiert hier einige Zeilen von Gil Scott-Heron aus "Peace Go With You Brother".
"Ich kenne Christian seit Jahren und wollte schon lange mit ihm arbeiten. Er hat einen so starken Geist und eine so dynamische Sprechstimme. Er ist immer ausgesprochen nett und freundlich zu mir. Trotz seines stets sehr vollen Terminkalenders nahm er sich Zeit, wenigstens ein paar Sätze für mein Album einzusprechen – darüber bin ich so glücklich."
Eine Sängerin, deren Zeit gekommen ist
Die aus Brooklyn kommende Charenee Wade konnte für ihr erstes international erscheinendes Album einige beeindruckende Musiker gewinnen, darunter Bassist Lonnie Plaxico, Markus Miller an der Bassklarinette und Saxofonistin Lakecia Benjamin. Auch die Songliste wurde von ihr gut gewählt, kann die Sängerin hier doch zeigen, zum Beispiel bei "Song Of The Wind", wie sie locker verschiedene dynamische, emotionale Bandbreiten abdeckt. Und begleitet von Vibraphonist Stefon Harris, erzeugt dieses Stück wohlige Gänsehaut.
"Stefon Harris kenne ich bereis seit meiner Teenagerzeit. Ein Genie! Ich fühle mich so geehrt, dass er bereit war, mit mir zu spielen. Als ich anfing, mir die Arrangements vorzustellen, war das Vibrafon das erste, was ich im Kopf hörte. Und die erste Person, an die ich dachte, war Stefon Harris - wegen seines kraftvollen Spiels, seiner Lebensfreude und seines Spielwitzes. Ihn zu hören ist wie ein spirituelles Erlebnis."
Mit ihrem wirklich geglückten Album beweist Charenee Wade, dass sie couragiert ist und eine Sängerin, deren Zeit gekommen ist. Denn als versierte Jazz-Improvisatorin hat sie sich die Lieder von Gil Scott-Heron und Brian Jackson mit ihren intimen, manchmal auch hymnischen Umsetzungen zu eigen gemacht und nahm damit viel mehr als nur eine schlichte Hommage an zwei beispielhafte Musiker und Songwriter auf. Gleichzeitig ist das Album ihr Statement, dass die Arbeit für die Gleichberechtigung und Würde aller Menschen weitergehen muss. So formuliert Charenee Wade, was sie nachdrücklich betont, mit "Offering" auch so etwas wie einen Protest der Afroamerikaner in den USA.
"Die Brutalität der Polizei gibt es ja schon eine sehr lange Zeit, aber die Rufe der Opfer nach Gerechtigkeit werden ignoriert. Ich bin davon so ergriffen. Vielleicht ähnlich wie Gil Scott von den damaligen Zuständen bewegt war und daraufhin tapfer begann, diese Ungerechtigkeiten in Worte und Musik zu fassen, um diese Nachrichten im Bewusstsein der Menschen zu erhalten."
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