Özdemir: Türkei sollte sich mit Pamuk freuen

Der Europaabgeordnete Cem Özdemir hat dem Schriftsteller Orhan Pamuk zu dessen Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis 2006 gratuliert. Für ihn sei Pamuk in erster Linie Literat, auch wenn sich dieser mit seinen Hinweisen auf den Genozid der Türken an den Armeniern als politische Figur zu erkennen gegeben habe, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandradio Kultur. "Ich denke, es fällt der Türkei kein Zacken aus der Krone, wenn sie sich freut über Orhan Pamuk und ihm gratuliert."
Der Schriftsteller verpacke seine Geschichten in die Geschichte des Landes. So erfahre man als Leser viel über den "Findungsprozess der späten Nation Türkei". "Aber auch die Themen türkisch-kurdisch, die Kopftuchfrage, Religion-Säkularismus werden in seinen Büchern auf spannende Weise angesprochen."

Pamuk, der sich für den Beitritt seines Landes in die Europäische Union einsetzt, wehre sich gegen eine politische Vereinnahmung vor allem durch die Christdemokraten in der Türkei. "Das sind dieselben, die in den 80ern, als in der Türkei geputscht wurde, als Hunderttausende in den Folterkellern verschwanden, keine Kritik hatten."

Der Europapolitiker bezeichnete Pamuks Auszeichnung als ermutigend. "Die Türkei braucht eine Erinnerungskultur, deshalb sind die Bücher von Orhan Pamuk so wichtig."

Das Leugnen des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen, wie in Frankreich, lehne er allerdings ab. "Ich glaube nicht, dass Gesetze die Aufarbeitung von Geschichte ersetzen können." Solche Beschlüsse würden aus Wahlkampfgründen gefasst, weil man die Stimmen von Armeniern gewinnen möchte. Sie schadeten der türkisch armenischen Annäherung, so Özdemir.