Ötzi der Klassik
Johann Rufinatscha ist ein vergessener Romantiker, der in Wien zwischen Brahms und Bruckner lebte. Die Südtiroler widmen ihrem Landsmann zum 200. Geburtstag nun ein großes Comeback bei den Meraner Festwochen. Und Stefan Nicolini dreht einen biografischen Film an Originalschauplätzen.
Regisseur Stefan Nicolini: "Er ist sehr schwierig zu fassen, er ist sehr stolz, er weiß dass er was kann, er ist ein Eigenbrötler, ein ruhiger Mensch ein gefasster Mensch, der aber eine Ausdruckskraft in seiner musikalischen Ästhetik hat, die uns begeistert."
Ist er eine Art Ötzi der Klassik, ein Südtiroler Urgestein symphonischer Musik? Auf jeden Fall ist der Komponist Johann Rufinatscha ein vergessener Romantiker. Die Südtiroler feiern ihn in diesem Jahr, doch ansonsten kennt ihn bisher kaum einer, nicht einmal die Musikwissenschaft findet ihn nennenswert.
Das könnte sich ändern. Wer ist dieser Johann Rufinatscha? Ein vintschgauer Bauernsohn, der in Wien zwischen Brahms und Bruckner lebte, dessen Kompositionen in Zeitungsartikeln gelobt wurden und der nach seinem Tod 1893 komplett in Vergessenheit geriet. Regisseur Stefan Nicolini dreht zur Zeit einen Film über Rufinatschas Leben an den Originalschauplätzen. Ihn beschäftigt der Mensch Rufinatscha:
"Er ist wie ein Bergbauer, der stolz auf seiner Wiese steht, aber gleichzeitig mit niemandem sprechen will, der aber etwas zu sagen hat und trotzdem kommunizieren will und diese Kommunikation ist nicht mittelbar, sondern unmittelbar. Und es ist eine Musik, deren musikalische Sprache im romantischen Zeitalter, Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist, und die wir ja heute kennen. Aber er lässt immer ein paar Fragen offen, er gibt sich nicht ganz preis er ist immer geheimnisvoll so geheimnisvoll dass wir auch keinen Briefe bisher gefunden haben."
Autografe hat man gefunden, Partituren, Kammermusik, wie dieses Streichquartett in G-Dur, auch Symphonik, aber keine Sekundärliteratur, kaum etwas, das über ihn geschrieben wurde. Das Tiroler Landesmuseum bewahrt die Noten auf. Wie recherchiert Stefan Nicolini?
"Die Quellen Lage ist spärlich kann man sagen. Brahms Biograf Kahlbeck erwähnt ihn, da gäbe es noch viel zu tun für Musikwissenschaftler, aber nicht nur - auch für Historiker. Man kann sich an bestimmten Eckpunkten seiner Biografie – Zeitungsartikel die erschienen sind, nicht nur in den Wiener, auch in Leipziger Zeitungen - da kann man einiges herausschälen herauslesen und seinen großen Erfolg, den er zu Lebzeiten hatte, auch nachvollziehen."
Geboren ist Johann Rufinatscha 1812 in Mals im Vintschgau, wenige Kilometer weiter beginnt die Schweiz. Rufinatscha entstammt einer Graubündner Familie.
"Man muss wissen, dass 1817 nach dem Wiener Kongress eine Hungersnot herrschte. Die Weizenpreise waren horrend, und diese Kargheit auch bei den Bauern um ihn herum, er war vier Jahre, hat ihn sicher geprägt."
Mit vierzehn Jahren brachte ihn, den Bauernburschen, sein musikalisches Talent nach Innsbruck ans Konservatorium. Als junger Mann bewegte er sich dann in Wien im erlauchten Professoren-Kreis um Johannes Brahms. Er studierte bei Simon Sechter, der auch Anton Bruckner unterrichtete, und kam als Komponist bei den Wienern gut an.
Rufinatscha war selbst Pädagoge und unter seinen Schülern wiederum findet man einen gewissen Julius Epstein der später wiederum der Klavierlehrer Gustav Mahlers war. Ein Brückenglied der Wiener Musikgeschichte also. Rufinatschas eigenes Werk aber - Streichquartette, Klaviertrios, 29 Lieder, vier Ouvertüren, sechs Sinfonien und ein Klavierkonzert - ist heute unbekannt, obwohl es zu seinen Lebzeiten wohl aufgeführt wurde.
In der musikalischen Zeitenwende des ausgehenden 19. Jahrhunderts war der Jahre lang gefeierte Rufinatscha dann plötzlich von den Konzertprogrammen verschwunden und starb verarmt.
"Weil Rufinatscha hat, wie so viele damals 1873 nach dem Börsenkrach, sein gesamtes Vermögen verloren, er verarmte … - ein Begräbnis dritter Klasse, zwei Kerzen, das ist ein bisschen wenig."
In Wien! Damit befindet sich der Komponist Rufinatscha in bester Gesellschaft, denn auch Mozart wurde, hundert Jahre vorher, nicht besser beerdigt. Aber ging Johann Rufinatscha berechtigterweise im Kanon der Wiener Musikgeschichte unter?
"Rufinatscha ist ein Riesentalent, der sich aber mehr pädagogisch ausgedrückt hat als kompositorisch. Wenn er mehr seiner Zeit in die Komposition gesteckt hätte, dann wäre er heute kein unbekannter Komponist, sondern ein maßgeblicher Vertreter der austro-germanischen Romantik."
Das sagt der Dirigent Giandrea Noseda, der die 6. Symphonie von Rufinatscha mit dem BBC Philharmonic Orchestra 2011 aufnahm. Weitere Aufnahmen sind geplant. Was also bedeutet der Komponist Rufinatscha heute? Ein guter Gebrauchssymphoniker ohne Tiefgang und ohne Folgen oder ein großes unentdecktes Talent, das es zu heben gilt? Das kann nur durch Aufnahmen und Aufführungen geklärt werden, wie jetzt zum Beispiel bei den Meraner Musikwochen.
Info:
Anlässlich der Meraner Musikwochen wird Rufinatschas fünfte Symphonie mit Kristian Järvi am Pult in Italien erstaufgeführt, im Kontrast zu Carl Orffs "Carmina Burana". Es folgen in Meran einige Wochen mit Klassik-Stars und großen Orchestern, dem London Symphony Orchestra etwa oder dem Warsaw Philharmonic Orchestra, den Bamberger Symphonikern und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, bis der gerade entstehende Film zu Rufinatschas Leben beim Abschluss des MeranoFestivals am 20. November gezeigt werden wird.
Ist er eine Art Ötzi der Klassik, ein Südtiroler Urgestein symphonischer Musik? Auf jeden Fall ist der Komponist Johann Rufinatscha ein vergessener Romantiker. Die Südtiroler feiern ihn in diesem Jahr, doch ansonsten kennt ihn bisher kaum einer, nicht einmal die Musikwissenschaft findet ihn nennenswert.
Das könnte sich ändern. Wer ist dieser Johann Rufinatscha? Ein vintschgauer Bauernsohn, der in Wien zwischen Brahms und Bruckner lebte, dessen Kompositionen in Zeitungsartikeln gelobt wurden und der nach seinem Tod 1893 komplett in Vergessenheit geriet. Regisseur Stefan Nicolini dreht zur Zeit einen Film über Rufinatschas Leben an den Originalschauplätzen. Ihn beschäftigt der Mensch Rufinatscha:
"Er ist wie ein Bergbauer, der stolz auf seiner Wiese steht, aber gleichzeitig mit niemandem sprechen will, der aber etwas zu sagen hat und trotzdem kommunizieren will und diese Kommunikation ist nicht mittelbar, sondern unmittelbar. Und es ist eine Musik, deren musikalische Sprache im romantischen Zeitalter, Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist, und die wir ja heute kennen. Aber er lässt immer ein paar Fragen offen, er gibt sich nicht ganz preis er ist immer geheimnisvoll so geheimnisvoll dass wir auch keinen Briefe bisher gefunden haben."
Autografe hat man gefunden, Partituren, Kammermusik, wie dieses Streichquartett in G-Dur, auch Symphonik, aber keine Sekundärliteratur, kaum etwas, das über ihn geschrieben wurde. Das Tiroler Landesmuseum bewahrt die Noten auf. Wie recherchiert Stefan Nicolini?
"Die Quellen Lage ist spärlich kann man sagen. Brahms Biograf Kahlbeck erwähnt ihn, da gäbe es noch viel zu tun für Musikwissenschaftler, aber nicht nur - auch für Historiker. Man kann sich an bestimmten Eckpunkten seiner Biografie – Zeitungsartikel die erschienen sind, nicht nur in den Wiener, auch in Leipziger Zeitungen - da kann man einiges herausschälen herauslesen und seinen großen Erfolg, den er zu Lebzeiten hatte, auch nachvollziehen."
Geboren ist Johann Rufinatscha 1812 in Mals im Vintschgau, wenige Kilometer weiter beginnt die Schweiz. Rufinatscha entstammt einer Graubündner Familie.
"Man muss wissen, dass 1817 nach dem Wiener Kongress eine Hungersnot herrschte. Die Weizenpreise waren horrend, und diese Kargheit auch bei den Bauern um ihn herum, er war vier Jahre, hat ihn sicher geprägt."
Mit vierzehn Jahren brachte ihn, den Bauernburschen, sein musikalisches Talent nach Innsbruck ans Konservatorium. Als junger Mann bewegte er sich dann in Wien im erlauchten Professoren-Kreis um Johannes Brahms. Er studierte bei Simon Sechter, der auch Anton Bruckner unterrichtete, und kam als Komponist bei den Wienern gut an.
Rufinatscha war selbst Pädagoge und unter seinen Schülern wiederum findet man einen gewissen Julius Epstein der später wiederum der Klavierlehrer Gustav Mahlers war. Ein Brückenglied der Wiener Musikgeschichte also. Rufinatschas eigenes Werk aber - Streichquartette, Klaviertrios, 29 Lieder, vier Ouvertüren, sechs Sinfonien und ein Klavierkonzert - ist heute unbekannt, obwohl es zu seinen Lebzeiten wohl aufgeführt wurde.
In der musikalischen Zeitenwende des ausgehenden 19. Jahrhunderts war der Jahre lang gefeierte Rufinatscha dann plötzlich von den Konzertprogrammen verschwunden und starb verarmt.
"Weil Rufinatscha hat, wie so viele damals 1873 nach dem Börsenkrach, sein gesamtes Vermögen verloren, er verarmte … - ein Begräbnis dritter Klasse, zwei Kerzen, das ist ein bisschen wenig."
In Wien! Damit befindet sich der Komponist Rufinatscha in bester Gesellschaft, denn auch Mozart wurde, hundert Jahre vorher, nicht besser beerdigt. Aber ging Johann Rufinatscha berechtigterweise im Kanon der Wiener Musikgeschichte unter?
"Rufinatscha ist ein Riesentalent, der sich aber mehr pädagogisch ausgedrückt hat als kompositorisch. Wenn er mehr seiner Zeit in die Komposition gesteckt hätte, dann wäre er heute kein unbekannter Komponist, sondern ein maßgeblicher Vertreter der austro-germanischen Romantik."
Das sagt der Dirigent Giandrea Noseda, der die 6. Symphonie von Rufinatscha mit dem BBC Philharmonic Orchestra 2011 aufnahm. Weitere Aufnahmen sind geplant. Was also bedeutet der Komponist Rufinatscha heute? Ein guter Gebrauchssymphoniker ohne Tiefgang und ohne Folgen oder ein großes unentdecktes Talent, das es zu heben gilt? Das kann nur durch Aufnahmen und Aufführungen geklärt werden, wie jetzt zum Beispiel bei den Meraner Musikwochen.
Info:
Anlässlich der Meraner Musikwochen wird Rufinatschas fünfte Symphonie mit Kristian Järvi am Pult in Italien erstaufgeführt, im Kontrast zu Carl Orffs "Carmina Burana". Es folgen in Meran einige Wochen mit Klassik-Stars und großen Orchestern, dem London Symphony Orchestra etwa oder dem Warsaw Philharmonic Orchestra, den Bamberger Symphonikern und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, bis der gerade entstehende Film zu Rufinatschas Leben beim Abschluss des MeranoFestivals am 20. November gezeigt werden wird.