Nina Horaczek / Barbara Tóth: Sebastian Kurz. Österreichs neues Wunderkind?
Residenz-Verlag, Salzburg/Wien 2017
128 Seiten, 18 Euro
"Sebastian Kurz ist vor allem ein Machtpolitiker"
Heute bekommt Angela Merkel Besuch vom jüngsten Bundeskanzler der Welt. Der 31-jährige Sebastian Kurz gilt als politisches Wunderkind – und als stramm rechts, gerade in der Flüchtlingspolitik. Dennoch habe sei nicht klar, ob er einen inneren Kompass habe, sagt seine Biografin Nina Horaczek.
Hierzulande hat sich Sebastian Kurz vor allem als Gegenspieler Angela Merkels in der Flüchtlingspolitik einen Namen gemacht: Als damals 29-jähriger Außenminister trat er 2015/2016 öffentlich dem Merkelschen Kurs in der EU-Flüchtlingspolitik entgegen und organisierte gemeinsam mit den Anrainerstaaten die Schließung der sogenannten Balkanroute im März 2016.
Seine Biografin Nina Horaczek rechnet gleichwohl nicht damit, dass Kurz bei seinem Antrittsbesuch als Bundeskanzler heute in Berlin die Konfrontation mit der Kanzlerin suchen wird: "Er wird sich da präsentieren als der große Staatenlenker sozusagen, der auch in der EU eine wichtige Rolle spielen möchte", so die Chefreporterin der Wiener Stadtzeitung "Falter" im Deutschlandfunk Kultur.
Zwei Politiker, die alles kontrollieren wollen
Ohnehin sieht Horaczek wichtige Gemeinsamkeiten zwischen dem derzeit jüngsten Bundeskanzler der Welt und der 63-jährigen Merkel. Beide seien am Anfang unterschätzt worden, beide seien sehr kontrolliert und hätten auch das Bedürfnis, alles um sich herum zu kontrollieren:
"Auch wenn das nach außen oft nicht so wirkt, lockerer wirkt, sind sie eigentlich sehr darauf aus, dass alles unter Kontrolle ist."
Unterschiede zwischen Merkel und Kurz macht Horaczek vor allem da aus, wo es um den "inneren Kompass" geht:
"Da, würde ich sagen, hat gerade Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage doch gezeigt, wofür sie steht. Bei Sebastian Kurz ist das nicht so klar."
Denn als Kurz zwischen 2011 und 2013 Staatssekretär für Integration gewesen sei, habe er eine ganz andere Position vertreten als heute. Aber als kluger Politiker mit einem guten Gespür dafür, womit man punkten könne, sei er zu einer Law-and-Order-Politik übergeschwenkt. "Aus pragmatischen Gründen", betont Horaczek. "Er ist vor allem ein Machtpolitiker." Entsprechend deutet sie auch die Bereitwilligkeit, mit der Kurz sich auf eine Koalition mit der FPÖ eingelassen habe:
"Sebastian Kurz wollte Kanzler werden und wusste, das geht am leichtesten für ihn mit der FPÖ. Und da war es ihm dann egal, dass er ein paar Jahre davor noch gesagt hat: Mit denen sicher nicht, beziehungsweise die FPÖ massiv kritisiert hat, gerade wegen ihrer Haltung in der Asyl- und Integrationspolitik."
(uko)